Nerven an Chip induktiv gekoppelt
Lebewesen, die direkt mit elektrischen Schaltungen gekoppelt sind. Doch so irreal derartige Visionen noch lange Zeit bleiben werden – erste Schritte in dieser Richtung sind schon getan.
Erstmals überhaupt ist es einem Münchner Max-Planck-Forscher in jüngerer Zeit gelungen, elektrische Schaltungen und einzelne biologische Zellen direkt – also ohne Umwege wie über großflächige Elektroden – elektrisch zu koppeln. Diese Arbeiten sind schon so weit vorangekommen, dass elektrische Signale zunächst von einem Chip in Nervenzellen geleitet, zu anderen Zelle weitervermittelt und am Ende wieder auf einen Chip zurückgekoppelt werden konnten.
Auch wenn seine Arbeiten nur erste Anfänge sind und die „Cyborgs“ phantasievoller Autoren unendlich weit weg seien, sieht Peter Fromherz, Professor am Martinsrieder Max-Planck-Institut für Biochemie, durchaus interessante Anwendungsmöglichkeiten für seine Chip-Nerven-Systeme. „Wir können auf wertvolle Erkenntnisse in Bereichen wie der Gehirn- oder auch der Arzneimittelforschung hoffen.“
Fromherz“ Arbeiten, für die er kürzlich den Philip-Morris-Forschungspreis erhielt, schlagen eine Brücke zwischen bislang völlig getrennten Welten: Dienen im Computer und in der Elektronik Elektronen als Ladungsträger, so sind es in biologischer Materie Ionen. Der direkte Anschluss von Nervengewebe an eine Halbleiterschaltung scheiterte laut Fromherz bisher vor allem daran, dass bei direktem Kontakt Ströme fließen würden, die den Chip sofort zerstören, und dass die wässrige Nährlösung, in der die Zellen gehalten werden müssen, Fehlströme und Kurzschlüsse auf dem Halbleiter auslösen würden.
„Wir haben dieses Kontaktproblem dadurch gelöst, dass wir die Nervenzellen durch eine sehr dünne, isolierende Quarzschicht vom eigentlichen Chip fern halten“, skizziert Fromherz den Trick, der ihn zum Erfolg führte. Dabei sei die Distanz Chip-Zelle trotz der Isolierung so gering, dass Signale mittels der elektrischen Felder der einzelnen Impulse induktiv einfach durch den Quarz hindurch übertragen werden können. „Unser Chip erkennt 100-mV-Impulse der Zelle.“
Bei seinen Arbeiten hat Fromherz zunächst die Nervenzellen der Großen Schlammschnecke (Lymnaea stagnalis) benutzt, die er auf den Chips mit winzigen Polymernoppen, die eine Art Zaun bilden, stabilisierte. Schon dabei bildeten sich zwischen den einzelnen Zellen so einer Versuchsanordnung Verbindungen bzw. Dendriten, die sogar das Beobachten simpler Interaktionen zwischen den Zellen ermöglichten und so das Arbeiten eines neuronalen Netzes – das der Ingenieur ja sonst vor allem aus der Informatik kennt – sichtbar werden ließen.
Inzwischen arbeitet Fromherz aber auch mit Nervengewebe aus dem so genannten Hippocampus von Rattengehirnen, wobei er seit etwa einem Jahr speziell für ihn entwickelte Chips von Infineon einsetzt. „Sie weisen auf der Kontaktfläche zu den Zellen in Abständen von je 8 µm einen Transistor auf und können somit gut die Nervenzellen kontaktieren, die ihrerseits jeweils rund 10 µm groß sind.“
Chips des Münchner Halbleiter-Konzerns Infineon „ermöglichen es uns jetzt, z. B. Vorgänge beim Lernen in allen Einzelheiten zu studieren“, freut sich Fromherz. „Jetzt endlich können wir genauer untersuchen, wie von außen kommende Einflüsse sich auf komplexe Nervengeflechte – statt auf einige wenige Einzelzellen – auswirken“.
Als neuestes Resultat seiner Arbeiten berichtet Fromherz von Studien, bei denen nicht nur das elektrische Signal einer Nervenzelle aufgefangen wurde, sondern direkt die Arbeitsweise der einzelnen Synapsen beobachtet werden konnte, also die Aktivitäten der biologischen Verbindungen zwischen zwei Neuronen, die die einzelnen Neuro-Impulse weiterleiten.E. SCHMIDT
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