Konstrukteure lernen von der Natur
VDI nachrichten, Bremen, 14. 12. 07, kip – Kommt es zu Strömungsverlusten in Rohrleitungen, liegt das oft an falsch ausgelegten Krümmungen. Doch nach dem Vorbild der Natur führen asymmetrisch wie Fluss-mäander gebogene Rohre gegenüber kreisförmig gebogenen Rohren – etwa in Druckluftleitungen – zu einer effizienteren Strömungsdynamik.
Doch Rohrkrümmer müssen nicht zwangsläufig kreisrund gebogen sein. „Wie würde die Natur das lösen?“ Diese Frage stellte sich Küppers schon vor Jahren und gelangte mit Hilfe der Bionik zu der Erkenntnis, dass regelmäßige Formen nicht immer zu den besten Ergebnissen führen und suchte so nach energieeffizienten Alternativen: Nach dem Vorbild der Natur entwickelte der Strömungsforscher zunächst für den Bereich Lüftung/Klima Rohrbögen mit Mäandereffekt.
Die Idee, die ihn inspirierte: Seit Jahrmillionen besitzen freie Fließgewässer charakteristische Mäanderformen, die durch Selbstorganisationsprozesse entstanden sind. Sie tragen wesentlich dazu bei, dass sich Fließgewässer Zustände minimaler Energieverluste suchen. Dieses Prinzip übertrug Küppers auf Rohrbögen. Durch Mäandergeometrien lassen sich auch dort die verlustreichen Strömungsumlenkungen klassischer Bogenelemente deutlich minimieren. Küppers: „Die strömungsoptimale Rohrumlenkung, die dem natürlichen Verlauf mäandernder Flüssen nachgebildet ist, krümmt sich nicht mehr gleichmäßig, sondern erst langsam, dann stärker, schießt sozusagen sogar über das Ziel hinaus und macht am Ende wieder einen kleinen Schwung zurück.“
Was auf den ersten Blick kompliziert aussieht, hat im Vergleich zu konventionellen Kreisrohrbögen wesentlich weniger Reibungsverluste, damit niedrigere Druckverluste und verbraucht dadurch bis zu 25 % weniger Energie. „Je kleiner der Querschnitt, um so größer ist der Effekt“, hat der Konstrukteur festgestellt, der gerne auch von „biogeonischer“ Konstruktion spricht – ein von ihm geprägter Begriff. „Geo“ deshalb, weil im Gegensatz zur reinen Bionik, die Effizienzlösungen in belebter Natur sucht, hier auch Kriterien aus der unbelebten Natur einbezogen werden: „Bei naturanalogen technischen Innovationen lohnt es sich also stets, Lösungen in der komplexen Gesamtheit der Natur zu suchen.“
Inzwischen sind die neuartigen Rohrbögen durch zahlreiche Experimente und Messungen abgesichert. Küppers sucht jetzt nach Praxisanwendungen und sieht gerade in der Klima-, Kälte-, Heizungs- und Küchentechnik, auch in der Verkehrsmitteltechnik, vielfältige Möglichkeiten zur Einsparung von Primärenergie. Daneben ergeben sich aber auch Verschleißminderungen bei Rohren für feste Medien, wie Sande, Pulver und Granulate. Gerade in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie kommt es zudem auf eine gute Reinigungsfähigkeit der Systemkomponenten an. „Hier begünstigen Mäanderrohrbögen die Vermeidung von Wandablagerungen durch Verkeimung, die ansonsten bei konventionellen Rohrbögen durch erheblichen Mehraufwand mittels Chemikalien und Energie gereinigt werden müssten,“ so Küppers.
Doch mit seinen evolutionären Ideen ist das innovative Konstruktionslabor der Natur längst noch nicht am Ende: Wenn Techniker dünne Rohre mit Spiralfedern auskleiden, damit sie nicht zusammenfallen, hat auch hier die Natur das Prinzip vorweggenommen, nämlich bei den Tracheenröhren der Insekten ebenso wie in den Leitungsgefäßen der Pflanzen. Und die Idee des Forschungsinstituts für Tief- und Rohrleitungsbau Weimar e.V. (FITR), die Innenseite von Rohrleitungen zu strukturieren, um dem Problem von Ablagerungen entgegenzuwirken, hat ebenfalls ein natürliches Vorbild: Im Flügeladersystem von Insekten weisen abwechselnd versteifte und nicht versteifte Wandbereiche positive Effekte auf die Fluidströmung auf. Und auch bei den Wasserleitsystemen von Landpflanzen führen auf die Gefäßwand aufgelagerte Verdickungen zu einem effizienteren Transport. E. LANGE/KIP
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