Globale Produktentwicklung erfordert klares Standortmanagement
Ein zentraler Bereich für Forschung und Entwicklung muss nicht sein, allerdings gewinnt bei Dezentralisierung ein standortübergreifendes Management an Bedeutung. Denn es bildet den Schlüssel für tatsächliche Synergien und damit mehr Effizienz.
Standortübergreifendes Management von Forschung und Entwicklung (F&E) gewinnt sowohl in der Automobilindustrie als auch im allgemeinen Maschinen- und Anlagenbau an Bedeutung. Das hat eine jetzt veröffentlichte gemeinsame Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsfirma KPMG und dem Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen ergeben, für die 40 in Deutschland ansässige Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen 50 Mio. € und 5,2 Mrd. € befragt wurden. Jedes zweite Unternehmen gab an, die Zahl seiner F&E-Standorte in den kommenden fünf Jahren erhöhen zu wollen. Die Bedeutung Deutschlands als F&E-Standort werde aber in Folge globaler Produktionserweiterungen in den nächsten fünf Jahren tendenziell abnehmen.
Besonders Osteuropa und Asien, allen voran China, schreiben die Unternehmen künftig eine wichtigere Rolle zu. Als Hauptgründe dafür nennt die Automobilbranche die Kosten und der Maschinen- und Anlagenbau die Marktnähe. „Ein effizientes und standortübergreifendes Management von Forschung und Entwicklung wird zum entscheidenden Erfolgsfaktor“, so Prof. Günther Schuh vom WZL Ende Februar in Stuttgart.
Wie die Erhebung ergab, besitzen Westeuropa und speziell Deutschland eine starke Bedeutung für die Forschung und Entwicklung. Im Maschinenbau werden 90 % des F&E-Budgets in Deutschland ausgegeben, was auf die überwiegend mittelständische Struktur der Unternehmen zurückzuführen ist. Die Automobilindustrie ist mit 73 % Budgetanteil für Deutschland etwas stärker international ausgerichtet. Neben dem Aufbau von ausländischen Produktionsstätten wird hier auch die Auslagerung von F&E-Leistungen immer häufiger thematisiert.
Ergänzende Fallstudien zeigen die Notwendigkeit neuer Modelle für das Management von F&E-Standorten. Schuh: „Um die Qualität des Endprodukts im Entwicklungsverbund sicherzustellen, werden erfahrene Entwickler aus der Zentrale beteiligt, mit engem Kontakt zu Kunden und Produktionsexperten. Eine Verschiebung des Kompetenzprofils einheimischer Entwickler hin zur System- und Integrationskompetenz ist entsprechend zu beobachten.“
Dieter Becker, Partner und Leiter Industrial Markets Advisory bei KPMG, ergänzte: „Die Studie hat ergeben, dass vor allem die zunehmende Zerfaserung der Wertschöpfungskette eine systematische Vorgehensweise für das Standortmanagement von F&E erfordert.“
Bei der Bewertung der Standorte gilt indes die Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter zunehmend als ein entscheidendes Standortkriterium. Auch der Aufbau von Know-how und die Einbindung in das F&E-Netzwerk spielen für viele Befragten eine wichtige Rolle. Die Bewertung und der Vergleich unterschiedlicher Standorte erfolgen laut der Studie aber lediglich bei knapp 40 % der Befragten regelmäßig.
Ferner ergab die Untersuchung, dass ein Drittel der befragten Unternehmen mit der bisherigen F&E-Verlagerung unzufrieden sind. Die übrigen sind zwar mit ihrer bisherigen Verlagerungsentscheidung einig, bei der Umsetzung begegneten jedoch auch diese Unternehmen zahlreichen Herausforderungen und sogar erheblichen Problemen.
Allerdings definierten knapp die Hälfte der befragten Firmen im Vorfeld einer F&E-Verlagerung auch gar keine Abbruchkriterien. Ein Drittel entscheidet projektspezifisch und lediglich 20 % machen sich Gedanken über mögliche Ausstiegsszenarien. Becker: „Die größte Herausforderung der F&E-Verlagerung – neben kulturellen, sprachlichen und fachlichen Problemen – liegt im Management des daraus resultierenden global verteilten Entwicklungsprozesses.“ So führten eine systematische Vorgehensweise im Standortmanagement, kontinuierlicher Wissensaustausch und standortübergreifende Standards des Entwicklungsprozesses zur signifikanten Verbesserung der F&E-Ergebnisse.
Das Symposium machte deutlich, dass ein Fehlen allgemein anwendbarer Mechanismen für die anstehenden Entscheidungen durch einzelne Fallbeispiele und praktische Erfahrungen kompensiert werden kann. In einer der nächsten Veranstaltungen sollen dann vielleicht schon Prognosen aus den bisherigen Untersuchungen abgeleitet werden. B.-W. KIEßLER
Die 32-seitige Studie ist auf Anfrage kostenlos erhältlich, per E-Mail: ustollwerck@kpmg.com
Westeuropa besitzt für Forschung eine starke Bedeutung
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