Gemälde sind besonders anspruchsvolle Reisende
Wie transportiere ich kostbare Kunst? Für die Verantwortlichen in früheren Jahrhunderten ein kaum lösbares Problem. Heute bringen kooperierende „Fine-Art“-Logistikexperten ganze Ausstellungen den Museums-Besuchern in aller Welt sicher nahe.
Die Kombination luftgefederter, klimatisierter Lkw und schneller Jets ermöglicht es, dass heute viele Kunstwerke Jahr für Jahr nicht weniger regelmäßig weltweit reisen als manche Manager. Große Museen wie die Tate Gallery in London oder das Rijksmuseum in Amsterdam empfangen und versenden beispielsweise alleine schon viele tausend Kunstwerke in jedem Jahr.
Gehen die Werke einmal auf Tour, so zeigt sich dabei immer häufiger, dass sie nicht von A nach B und nach einigen Ausstellungswochen wieder zurückreisen. Vielmehr werden die Gemälde, Skulpturen und andere Objekte nach fein ausgearbeiteten Plänen von Museum zu Museum, in der Praxis regelmäßig von Land zu Land weitergereicht. Wie Antony Taylor von der Tate Gallery erläutert, lassen sich umfassende Ausstellungen, die Stücke aus aller Welt an einem Platz zeigen, so schwierig organisieren, dass es sinnvoller ist, das einmal Zusammengetragene an einen weiteren Ausstellungsort zu befördern statt sämtliche Stücke einzeln in alle Welt zurückzusenden.
Dazu bedarf es aber einer „Kunst-Logistik“, deren Leistungs-Umfang weiter reicht als jener der meisten anderen Logistik-Sparten. Hier kann nicht von „Haus-zu-Haus“ sondern meist nur von „Nagel-zu-Nagel“ gesprochen werden. Die Verantwortung des Dienstleisters beginnt in dem Augenblick, in dem seine Beauftragten das Bild vom Nagel, die Statue vom Podest oder die antike Vase aus der Panzerglas-Vitrine nehmen.
Als einer der Kunst-Logistik-Marktführer in Europa wertet sich Gerlach Art Packers & Shippers in Schiphol bei Amsterdam. Das Unternehmen gehört zur großen Nedlloyd-Transport-Gruppe. Innerhalb Europas fährt Gerlach nach Angaben von Fred Smits die meisten Transporte mit eigenen Spezialfahrzeugen. Geht es allerdings über die europäischen Grenzen hinaus, dann wird nahezu ausschließlich mit Luftfracht versandt. Das erklärt auch den Standort des Unternehmens: Schiphol, den internationalen Flughafen von Amsterdam.
Zu den besonderen Herausforderungen der Kunst-Logistik zählen die Experten der Tate Gallery u.a. auch, dass ausleihende Museen und Eigentümer der einzelnen Kunstwerke vielfach keineswegs identisch sind. Unzählige Kunstwerke, die in Museen stehen oder hängen, gehören in Wirklichkeit Dritten. Das setzt entsprechende, eingehende Vertragswerke für den Versand voraus, in die immer häufiger auch genaue Dokumentation der Besitzverhältnisse mit einbezogen werden müssen. In jüngerer Zeit ist es nämlich wiederholt vorgekommen, dass Ausstellungsstücke in einem Museum von seiten Dritter beschlagnahmt worden sind, weil diese Eigentümer zu sein glauben.
In anderen Fällen müssen für spezielle Ausstellungen Kunstwerke aus einer Vielzahl von Museen und privaten Sammlungen zusammengetragen werden. Das erfordert gelegentlich eine große Zahl von Einzeltransporten, die die Kapazität jedes einzelnen Logistik-Anbieters in diesem Spezialmarkt überfordern können. Um hier eine Kooperation mit anderen, ähnlich spezialisierten Firmen zu gewährleisten, wurde vor 25 Jahren der Branchenverband International Convention of Exhibition and Fine Art Transporters (ICEFAT), ins Leben gerufen. Dieser Organisation gehören inzwischen mehr als einschlägige 170 Logistik-Unternehmen aus 60 Ländern an.
Kunsttransporte werden wesentlich von den Abmessungen und besonderen Anforderungen der reisenden Stücke bestimmt. Nahezu alle Gemälde müssen beispielsweise aufrecht stehend befördert werden. Dabei müssen neben den Maßen des Bildes selbst auch die Abmessung der speziellen Verpackung in die Planungen miteinbezogen werden. Erst nach deren Feststellung kann die Auswahl der einzelnen Fahrzeuge und Flugzeuge getroffen werden.
Die speziellen Verpackungen müssen nahezu in jedem Falle maßgeschneidert angefertigt werden. Dabei dominiert eindeutig die Doppelverpackung, also die „Kiste in der Kiste“. In der inneren Kiste steckt das Bild. Diese wird dann nach allen Seiten mit Kunststoffschaum-Elementen abgepolstert in die zweite, größere Kiste gesteckt. Auf diese Weise wird das Kunstwerk – und das gilt keineswegs nur für Bilder – gegen unvorhersehbare Stöße, etwa durch Unfälle oder beim Verladen, geschützt. Charakteristisch für diese Verpackungen ist aber auch, dass sie in manchen Fällen luftundurchlässig sein müssen. Veränderungen der Feuchtigkeit, der Temperatur und des Salzgehalts der Luft, sind für die meisten Kunstwerke gefährlich. Das geht so weit, dass in der Praxis Kunst fast nie mit dem Schiff verschickt werden kann.
Aber auch der Aufenthalt auf Umlade-Flughäfen birgt Risiken. Das ist der Grund, warum die Verpackungen im Regelfall so angefertigt werden, dass die Sendung in ihnen bis zu zwei Tagen selbst unter ungünstigen Klimabedingungen lagern kann. Im Regelfall wird die Verpackung auch schon einige Tage vor dem Verpacken am Versandort, also dem Museum oder einer privaten Sammlung, angeliefert, damit sich das Holz und sonstige Material an die Klimabedingungen des Standorts gewöhnen können. Das gilt vor allem im Blick auf die Feuchtigkeit, die im Packmaterial möglichst genauso hoch oder niedrig sein soll, wie es das Kunstwerk in seiner heimatlichen Umgebung bisher gewohnt war.
Wird die Sendung dann mit dem Flugzeug befördert, so werden hier Spezialpaletten für den Versand benutzt. Wichtig ist dabei, dass das Bild nicht nur senkrecht transportiert wird, sondern auch in der Längsrichtung parallel zur Bordwand des Flugzeugs stehen muss, um bei plötzlichen Druckveränderungen in der Maschine nicht zusätzlichen Belastungen ausgesetzt zu sein, da diese Druckveränderungen in der Regel von vorne nach hinten oder von hinten nach vorne im Laderaum des Flugzeugs ablaufen. PETER ODRICH
In dieser Klimakiste bleiben wertvolle Gemälde von Transportstößen weitgehend verschont.
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