Gegen den Splitter im Burger
Weil sie leicht zu finden sind, werden Brot, Fleischklops oder Tütensuppe meistens nur auf Metallsplitter kontrolliert. Viel öfter aber beißen sich Kunden an Steinchen und Knochensplittern die Zähne aus. Ein neues Verfahren findet jetzt auch die.
Für einen Burger braucht es manchmal starke Zähne. So sprengte der herzhafte Biss auf einen Knochensplitter in der Fleischbullette den Backenzahn eines Münchner Fastfood-Freundes. Die Kosten für die Ersatzkrone, so hat das Amtsgericht München unlängst entschieden, darf das Opfer der Burger-Kette in Rechnung stellen.
Fremdkörper in Nahrungsmitteln sind ein Geschäftsrisiko. Denn nach § 1 des Produkthaftungsgesetzes müssen Lebensmittelproduzenten ihre Produkte ersetzen, wenn der Fehler nach dem Stand der Technik hätte erkannt werden können. Bislang werden meistens nur Metalldetektoren eingesetzt. Die finden zwar mitunter eine Schrotkugel in der Hasenkeule, doch Steinchen oder Knochensplitter entgehen den Maschinen.
Die Röntgenscanner des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen (IIS) in Erlangen hingegen hätten den Splitter in der Frikadelle wohl gefunden. Das Institut hat eine Röntgenkamera zur Lebensmittelkontrolle entwickelt, deren Auflösungsvermögen das herkömmlicher Röntgenkameras – wie man sie vom Sicherheitscheck an Flughäfen kennt – um ein Vielfaches übertrifft.
Dies verdankt die so genannte TDI-Kamera einem Abbildungsverfahren, das bisher für Röntgenstrahlen nicht verwendet wurde. Das Röntgenbild wird nicht von einer Zeile aus Photodioden aufgenommen, die nur ein einziges Mal belichtet werden. Statt dessen wird es von einem Szintillatorschirm aufgefangen, der die Signale über ein Glasfaserbündel auf einen CCD-Chip überträgt – das Herz heutiger Digitalkameras, wo das Bild in Form von Ladungen festgehalten wird.
Statt einmal belichtet die Fraunhofer-Kamera Lebensmittel 256-mal. Schiebt man etwa eine Bratwurst in den Scanner, so wird zunächst der vordere Zipfel abgebildet. Im nächsten Belichtungsschritt kommt eine weitere Scheibe ins Bild, zugleich wird der Zipfel noch einmal gescannt. Der zweite Scan wird auf dem Chip mit dem Ladungsbild der ersten Zipfelaufnahme integriert. Ergebnis: Der Zipfel ist zweimal, aus verschiedenen Winkeln, durchleuchtet worden.
„Der Effekt ist so, als ob sie einen Rennwagen fotografieren und dabei die Kamera mitbewegen: Der Wagen wird gestochen scharf, während der Hintergrund verschwimmt“, sagt Fraunhofer-Forscher Peter Schmitt.
Dass jeder CCD-Pixel 256-mal belichtet wird, hat den Vorteil, dass besonders kontrastreiche Bilder entstehen, deren Signal-Rausch-Verhältnis das bis zu Fünfzehnfache herkömmlicher Zeilenkameras beträgt. Die TDI-Kamera erreicht dadurch eine maximale Auflösung von 25 mm. Mehr noch: Aus den Grauwertunterschieden des Bildes kann die mitgelieferte Software sogar errechnen, ob eine Fertigpizza nur mit 5 statt mit 6 Scheiben Salami belegt ist.
Durch die Mehrfach-Scans kommt die Kamera mit einer extrem niedrigen Strahlungsdosis aus. Diese liege um den Faktor 4000 unter dem deutschen Grenzwert von 0,1 Sievert, erklärt Schmitt. Tüv-Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Kartoffel beim Scan so viel Strahlung abbekommt wie bei einer dreitägigen Kellerlagerung durch die natürliche Hintergrundstrahlung. „Wir nennen das Verfahren daher lieber Röntgendurchleuchtung statt Bestrahlung“, betont Schmitt.
Ursprünglich ist die Technik zur Inspektion von Reifen entwickelt worden. Derzeit kommen in der Bundesrepublik ein gutes Dutzend Geräte zum Einsatz, davon erst drei in der Lebensmittelprüfung. Bislang sind die Kameras Maßanfertigungen, die mit mindestens 120 000 # zu Buche schlagen, dem Zehnfachen eines üblichen Metalldetektors.
Dabei sei Metall eigentlich das kleinere Problem, das die Lebensmittelbranche drückt, sagt Eric Runkel von Technolog Scan Systems aus Elz, der die Fraunhofer-Kamera mitentwickelt hat und vertreibt. Runkel schätzt aus Gesprächen mit Herstellern, dass mindestens 80 % der reklamierten Fremdkörper in deutschem Essen Knochen, Glas oder Steine sind. NIELS BOEING
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