FuE-Standort Deutschland
in Forschung und Entwicklung. Ob es um intelligente Computerchips, neuartige Medikamente oder modernste Automobiltechnik geht, Deutschland ist bei ausländischen Firmen besonders als Denkfabrik beliebt. Zu diesem Ergebnis kommen jetzt einige Studien.
Von wegen – aus Deutschland wandern nur Jobs ins Ausland ab. Dass die deutschen Ingenieure und Wissenschaftler im weltweiten Vergleich zu Superleistungen fähig sind, zeigt nicht nur der von deutschen IBM-Ingenieuren mitentwickelte „Supercomputer on a chip“ – der Cell Prozessor – der in der nächsten Generation von Sonys Playstation zum Einsatz kommt. 220 Mio. Dollar hat der US-Computergigant seit 2003 in sein deutsches Entwicklungszentrum in Böblingen investiert – mit 1700 Mitarbeitern das größte außerhalb der USA. „Durch den engen Kontakt mit den Kunden sollen unsere Forscher frühzeitig verstehen, wie sie Chips besser machen können“, erläutert IBM-Manager Herbert Kircher den Grund für die regen F&E-Aktivitäten hierzulande.
Während sich die Deutschen vor den Auswirkungen der Globalisierung mit der Verlagerung arbeitsintensiver Jobs ins Ausland fürchten, hat sich weitgehend unbeachtet davon eine Gegenbewegung etabliert: Statt der arbeitsintensiven Industrien zieht es mehr und mehr wissensintensive ins Land. Firmen wie 3M, General Electric, Honda oder GlaxoSmithKline haben zentrale Forschungsbereiche in Deutschland angesiedelt. „Für ausländische Firmen ist dieses Land ein hochinteressanter Standort“, weiß Heike Belitz, die für das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) eine Studie über die hiesige Forschung und Entwicklung multinationaler Unternehmen durchgeführt hat. Was das Ausland schon lange zu wissen schien: „Deutschland ist besser als die Deutschen denken!“. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Untersuchung der Deutschen Bank Research (DB-Research). „Im Forschungssektor ist Deutschland zu einem wahren Inshoring-Standort geworden“, weiß der Verfasser der Analyse, Marco Neuhaus. Deutschland ist mit 12,1 Mrd. € (Stand 2003) weltweit der zweitgrößte Forschungsstandort ausländischer Unternehmen nach den USA und noch vor Großbritannien. 72 300 Mitarbeiter in F&E beschäftigen diese 12 100 Firmen, was rund ein Viertel am Anteil der deutschen Forschung ausmacht. „So gute Noten wie in diesem Jahr hat der Standort noch nie bekommen“, freut sich auch der Präsident der Amerikanischen Handelskammer (AmCham Germany), Fred Irwin.
Bestes Beispiel für die Ideenschmiede-Deutschland sind die Top Ten der Elektronikbranche: Das aus Schweden stammende Unternehmen Ericsson forscht und entwickelt mit 800 Mitarbeitern im „Eurolab“ an den rheinischen Standorten in Herzogenrath und Aachen. Dort hat ebenfalls Softwaregigant Microsoft sein European Microsoft Innovation Center (EMIC). Auch Nokia und Vodafone betreiben Telekommunikationsentwicklung am Rhein. 2000 Mitarbeiter sind bei Philips in Deutschland insgesamt im F&E-Bereich tätig. Panasonic produziert wegen der niedrigeren Arbeitskosten zwar in der Slowakei, geforscht und entwickelt wird jedoch im Großraum Frankfurt.
Laut DB-Research schätzen die Manager multinationaler Unternehmen hierzulande besonders die hohe Wissenschaftlerdichte und die Kooperationen mit Universitäten.
Einer Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young zufolge, die Führungskräfte von rund 670 ausländischen und international tätigen Unternehmen befragt hat, ist Deutschland in forschungsintensiven Bereichen wegen der hohen Qualität der Ausbildung, ebenso bezogen auf die Qualifikation der Arbeitnehmer, Top-Standort in Europa.
Auch für den Pharmariesen Roche Diagnostics hat die Biotechnologie-Kompetenz im Großraum München mit seinen wissenschaftlichen Einrichtungen, Forschungsinstituten und Universitäten sowie hoch qualifiziertem Fachpersonal eine Schlüsselrolle gespielt. „Hier mit unseren Produkten erfolgreich zu sein, erfordert ein enormes Spezialwissen des Fachpersonals über viele wissenschaftliche Disziplinen hinweg“, schildert Klaus Stein, Leiter Pharmaforschung Deutschland und Mitglied der Roche-Geschäftsführung. Insgesamt 350 Mio. € hat Roche allein im vergangenen Jahr in Deutschland investiert.
Freilich dürfen die Anstrengungen, Deutschlands Rolle als Technologiemotor Europas zu behaupten, nicht nachlassen, behaupten alle Verantwortlichen unisono. Vor allem seien in Zukunft dringend mehr Akademiker in Ingenieur- und Naturwissenschaften sowie Informatik notwendig, betont AmCham-Vizepräsident Norbert Quinkert, sonst seien Gefahren für den Hochtechnologiestandort Deutschland nicht ausgeschlossen. Der Geschäftsführer von Boston Consulting, Martin Koehler ergänzt: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zur reinen Verkaufstheke der US-Unternehmen in Europa werden, sondern auch in Zukunft Denkfabrik bleiben.“
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