Exzellenz ohne Transparenz
VDI nachrichten, Bonn, 6. 1. 06, ws – Wissenschaftler wollen wissen, warum ihre Förderanträge abgelehnt werden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, zentrale Einrichtung zur Bewilligung von Fördergeldern, informiert die Betroffenen aber häufig nicht so, wie diese es sich wünschen. Kritiker werfen der DFG Mauertaktik vor.
Harro Lentz betont, er sei „kein Rechthaber“. Er wolle nur aus negativen Gutachten lernen. Die Förderanträge des Siegener Chemieprofessors sind von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) oft abgelehnt worden. Lentz würde zu gerne wissen, warum er bekommt die Gutachten aber nicht zu sehen. Das hat die DFG, mit 1,3 Mrd. € Steuersubventionen im Jahr der größte und mächtigste Forschungssponsor, soeben gerichtlich durchgesetzt.Und zwar mit dem Argument, dass sie keine auskunftspflichtige Behörde sei, sondern rein formell ein privater Verein, wenngleich von staatlichen Hochschulen.
Vor fast sieben Jahren empfahl eine internationale Prüfkommission: „Wer Mittel der DFG beantragt, sollte möglichst transparent über die Argumente der Gutachter – vor allem ihre Bedenken – informiert werden.“ Transparenz heißt aber nicht unbedingt vollständige Klarheit, betont DFG-Direktor Harald von Kalm. „Wenn wir die Gutachten – auch ohne Namennennung – offen legen würden, wäre nicht sichergestellt, dass alle Anträge mit der gebotenen Objektivität begutachtet werden könnten.“
Die Sorge um „Objektivität“ gründet darin, dass durch die Fachwelt gewählte Professoren über Anträge von Kollegen urteilen – und der Gutachter sich schon durch stilistische Eigenheiten unter Kennern verraten und Ärger auf sich ziehen könnte. Deshalb verfasst ein Referent der DFG-Geschäftsstelle den positiven oder negativen Bescheid an den Antragsteller. Dabei verwendet er je nachdem ein oder auch zwei zusammenfassende Zitate aus den Gutachten als „Textbausteine“, wie DFG-Justiziarin Sandra Westerburg erläutert. Sie will damit aber nicht behaupten, dass die Kurzzitate schon eine wirkliche Begründung darstellen, also mehr als einen vermeintlichen Autoritätsbeweis.
Es geht aber auch anders. „Sie, liebe Deutsche, haben es geschafft, persönliche Verantwortung durch Bürokratie zu ersetzen“, erklärte die amerikanische Ingenieurprofessorin Jean Karen Gregory nach 15-jähriger Deutschland-Erfahrung auf der Siegener Jahrestagung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) im Jahre 1997. Der angebliche DFG-Kraftquell Anonymität ist der schlagendste Beweis dafür. Fehlurteile gelten unter diesen Umständen schlicht als unpersönliches Organisationsversagen.
Professoren gutachten gern und oft vor Gerichten, dem Deutschen Bundestag oder für Versicherungen. Aber offenbar aus Angst vor den lieben Kollegen dann nicht, wenn es um Gelder aus dem Gemeinschaftstopf der DFG geht. Indessen ist das Gesetz des Schweigens hinter vorgehaltener Hand durchaus brüchig. Jeder, der in seinem Fach einigermaßen vernetzt ist, kann übers Telefon ohne große Mühe herausbekommen, welcher Kollege den Daumen gesenkt hat.
Vor diesem Hintergrund lässt etwa die deutsch-amerikanische Fulbright-Kommission, die sowohl Studenten als auch Wissenschaftler fördert und vermittelt, nach allgemeiner US-Praxis die Gutachter ankreuzen, ob sie mit der Weitergabe an die Bewerber einverstanden sind oder nicht. „Die große Mehrheit ist einverstanden“, erklärt Reiner Rohr vom Berliner Fulbright-Sekretariat.
Mit einem Federstrich, erläutert der Bonner Prorektor Wolfgang Löwer, könnte die Politik die Geheimgutachten der DFG abschaffen. Als Finanzier bräuchte der Staat nur zu sagen: Unser Geld allein für offen begutachtete Anträge! Mithin die gleiche Transparenz, wie sie im öffentlichen Bereich nach dem „Informationsfreiheitsgesetz“ herrscht, nicht zuletzt an den staatlichen Hochschulen. Doch da stellt sich der zuständige Abteilungsleiter Hochschulen im Bundeswissenschaftsministerium, Christoph Ehrenberg, einstweilen noch hinter die Mauerpolitik der DFG. „Wir sehen für uns keinen Bedarf, die eingespielten Regeln der wissenschaftlichen Selbstverwaltung zu ändern.“
Das Gutachterproblem könnte man vielleicht entspannter betrachten, wenn die DFG nicht der marktbeherrschende, fast monopolistische Förderer der Grundlagenwissenschaften wäre. Von ihrem Votum hängen heutzutage, mit wachsender Bedeutung eingeworbener Forschungsgelder, persönliche Karrieren und die Zukunft ganzer Institute ab wie nie zuvor. Auf einer Tagung über „Vertrauen und Kontrolle“ zeigte sich DFG-Präsident Ernst-Ludwig Winnacker nachdenklich und forderte: „Es darf auf der Förderseite möglichst keinen Monopolisten geben, auch unter den Gebern muss, wie in den USA, Wettbewerb herrschen, in dem der eine das Versehen des anderen ausgleichen kann.“ Soweit sind wir hierzulande noch nicht. Aber der erste Schritt, das Versehen zu heilen, wäre ja schon getan, wenn es publik wird. H. HORSTKOTTE
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