Es riecht fein nach Apfel, Zimt und Euro-Schein
Umsatz und Gewinn gingen in den ersten zehn Monaten deutlich zurück. Besserung ist nicht in Sicht-, aber vielleicht in Riechweite. Duftmarketing heißt das Zauberwort. Kann die Magie der Düfte Kunden verführen, mehr Geld auszugeben?
Langsam öffnet sich die gläserne Drehtür zum Foyer. Ah ja, links ist das Café, geradeaus der Empfang und – halt! Liegt da nicht etwas in der Luft? So ein leichter Hauch von Zimt und noch etwas anderem, jedenfalls ebenso Weihnachtlichem? „Stimmt. Zimt und Sterne heißt die Mischung“, bestätigt Julia Maischak vom Düsseldorfer Stilwerk, einem Shopping-Center zum Thema Einrichten. „Das haben wir zum ersten Mal installiert“, sagt die Center-Managerin und deutet auf ein Metallgehäuse von der Größe eines Schuhkartons über dem Eingang.
Gerade entweicht wieder eine kleine weißliche Nebelwolke aus dem Kasten, und der Zimtgeruch nimmt für einen Moment zu. „Anfangs hatten wir den Takt zu hoch eingestellt, da war der Duft zu intensiv“, erklärt Maischak. „Jetzt ist er so gerade an der Schwelle zur Wahrnehmungsfähigkeit, gerade richtig.“
Bis in die Läden im Erdgeschoss zieht er zwar nicht, Wirkung zeigt er trotzdem, ist Stefan Reichert überzeugt. „Die Kunden sind entspannter, aufgeschlossener“, sagt der stellvertretende Shopleiter bei Zeni und schließt die Kassenlade. Nur weil da eine Zimtnote in der Luft liegt? „Warum nicht? Es ist ein schöner Empfang und man kommt gleich in festliche Stimmung.“
Zwei Türen weiter, im Geschäft für Biomöbel, ist die Kundenberaterin zwiespältig: „Grundsätzlich finde ich die Idee gut. Aber die ausgefallene Mischung könnte manche Nase überfordern.“ Auch in ihrem Laden duftet es: Lavendelsäckchen und Zedernspäne liegen in der Dekoration, Schränke und Regale steuern Aromen von Kräutern und Leinöl bei. „Unsere Kunden erwarten schließlich, dass es hier anders riecht als in herkömmlichen Möbelhäusern.“ Und zur Erinnerung bekommen sie manchmal ein Duftsäckchen mit – auch eine Form von Marketing.
Eine von vielen, wie Olaf Roik betont. „Alles, was das Einkaufen angenehmer macht, gewinnt an Bedeutung“, erklärt der Experte vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels. Gerade bei Jugendmode sei etwa die richtige Musik im Laden ein wichtiger Erfolgsfaktor. Der Verpackungsservice, der kostenlose Kaffee für Kunden, Modenschauen und Events, die Produktpräsentation – nur im perfekten Zusammenspiel aller Faktoren könne man Kunden halten und gewinnen. „Beim Thema Duft allerdings sind viele Händler noch sehr zurückhaltend“, so Roik.
Anja Stöhr, Professorin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden, hat von 1991 bis 1997 das Verhalten auf Düfte in Einkaufsumwelten untersucht. Ihr Fazit: „Duft kann nur als Verstärker anderer Aspekte dienen.“ Eingebettet in eine ausgefeilte Marketingstrategie, könne der zusätzliche Sinnesreiz Teil einer Corporate Identity werden. „Der Duft muss dann einzigartig sein, die Wirkung laufend kontrolliert werden. Standardlösungen gibt es nicht“, sagt Stöhr. „Vor allem aber muss er die Kundenwünsche treffen.“
Von diesen Wünschen haben zumindest die Autohersteller ganz genaue Vorstellungen. Dezent soll der Wagen riechen, wenn er vom Band rollt, nach Neuwagen zwar, aber auf jeden Fall angenehm, ist die einhellige Meinung etwa bei BMW oder Audi. Beide Hersteller beschäftigen so genannte „Nasenteams“, Fachleute mit empfindlichen Riechorganen, die die Werkstoffe für die Innenausstattung beschnuppern. Dazu wird aus den Bauteilen ein Stück herausgeschnitten und in Einmachgläser gesteckt.
Die verschlossenen Behälter werden bei Audi im Ofen zwei Stunden lang auf 80 Grad erwärmt. Anschließend macht das Glas unter den fünf Testern die Runde. Jeder Prüfer hebt den Deckel kurz an, schnuppert in den Spalt hinein und schreibt dann verdeckt seine Benotung auf einen Zettel. Die Eins steht für geruchlos, die Sechs für unerträglich. Später wird auch das Zusammenspiel der Gerüche im fertigen Auto geprüft.
Den Wagen eine bestimmte Duftnote zu geben, wie „frisch“ oder „blumig“, das scheidet für die Audi-Entwickler aus. „Es gibt keinen Duft, der allen Kunden gleich gut gefällt“, begründet Heiko Lüßmann-Geiger, Diplom-Chemiker und Leiter des Nasenteams. Die blumigen Duftnoten überlassen die Entwickler lieber den Kollegen aus dem Marketing.
Elke Kies, Gründerin der Agentur Magic Box, Neuss, hat für Volkswagen auf der Detroit Motor Show solch ein duftendes Event inszeniert. „Das Thema war eine Fahrt durch die vier Jahreszeiten, die mit Licht, Sound und Video interpretiert wurden.“ Und natürlich mit Düften: „Das Frühjahr ist grün – dazu gehören Aromen von Tannen, Kiefern, Zedern und junges Moos. Zum Sommer passen Blumen- und Zitrusdüfte, zum Herbst eher warme, balsamische Töne.“
Wie auch im Düsseldorfer Stilwerk, das sie weihnachtlich beduftet hat, verwendet Elke Kies dafür nur naturreine ätherische Öle, aus denen sie eigene Kompositionen mischt. „Diese Stoffe haben den Vorteil, dass sie flüchtig sind und gut verträglich.“ Zumindest wenn sie nicht erhitzt werden. „Dabei können nämlich schädliche Rückstände entstehen“, so die Agenturchefin. Deshalb hat Magic Box ein Gerät entwickelt, das die Öle mit Luft kalt verwirbelt und das entstehende Gasgemisch mit Ventilatoren in den Raum bläst.
Eingesetzt wird der so genannte Air Enhancer vor allem auf Messen, bei Meetings und seit kurzer Zeit auch im Einzelhandel. Unverträglichkeiten bei den Kunden hat sie noch nicht erfahren. „Kopfschmerzen werden meist nicht von den Duftstoffen ausgelöst, sondern rühren daher, dass der Duft nicht die Erwartungen deckt“, meint Elke Kies. So muss der Duft etwa zum Kulturkreis passen. „Bei Deutschen sind Zitrusdüfte sehr akzeptiert. Asiaten mögen eher Jasmin und blumige Noten“, sagt Kies, die selbst zwei Jahre in Asien gelebt hat. Auch bei den Geschlechtern gebe es unterschiedliche Wahrnehmungen: „Frauen empfinden Gerüche viel intensiver.“
Doch wann und wo macht welche Beduftung Sinn? „Es kommt auf das Gesamtkonzept an“, meint der Ladenbauer und Marketingexperte Stephan Brübach aus Witzenhausen, der vor allem Buchhandlungen berät. Licht und Farben spielen dabei ebenso eine Rolle, wie das Raumluftmanagement oder mögliche Emissionen von Möbeln und Produkten.
Zurückhaltung mahnt Brübach beim Duftmarketing an, weist aber zugleich auf die Chance hin, einen Corporate Smell zu schaffen, einen eigenen Unternehmensduft, der den Wiedererkennungswert steigert. Geschickt eingesetzt, könne dieses Instrument mehr Hinwendung und Aufgeschlossenheit beim Kunden erzeugen, ihm ein Wohlfühlerlebnis vermitteln.
Ob das aber im gebeutelten Einzelhandel die Kassen dann auch öfter klingeln lässt, beurteilt Brübach eher skeptisch. „Duft kann nur etwas verstärken, was schon vorhanden ist. Bin ich hungrig und rieche Kaffee, verstärkt das meinen Appetit.“
So könnte es dem Handel beim Duftmarketing möglicherweise so gehen wie dem geizigen Wirt mit Till Eulenspiegel: Als er vom armen Possenspieler für den Duft des Bratens kassieren wollte, ließ Eulenspiegel einen Heller auf den Tisch fallen, steckte ihn wieder ein und meinte: „Fühl“ dich für deinen Bratenduft mit dem Klang meiner Münze bezahlt.“ mav
Menschliche Nase
Orientierungslos, aber empfindlich
Sie ist schon ein Wunderwerk, die menschliche Nase. Bis zu 10 000 verschiedene Düfte kann sie unterscheiden. Verantwortlich dafür sind einige Millionen Riechsinneszellen, die auf einer etwa briefmarkengroßen Schleimhaut am oberen Ende der Nase sitzen. Da es nur 1000 verschiedene Typen von Rezeptorzellen gibt, sind immer mehrere gemeinsam für die Erkennung zuständig. Die Duftsignale werden an das limbische System weitergeleitet, das im Gehirn für Emotionen zuständig ist. Selbst geringe Duft-Konzentrationen kann der Mensch wahrnehmen.
Das Erkennen von Gerüchen ist nicht angeboren, sondern muss erlernt werden. Die meisten Duftschemata legt der Mensch in den ersten drei Lebensjahren an. Eine Unzulänglichkeit hat der Riechsinn allerdings: Ohne die anderen Sinne kann er die Geruchsquelle nicht orten. mav
Künstliche Nase
Sensor-Arrays
Kamina – Karlsruher Mikronase – hat das Institut für Instrumentelle Analytik am Forschungszentrum Karlsruhe seinen Konkurrenten zum menschlichen Riechorgan getauft. Auf dem Sensorchip wird ein Metalloxidfeld durch Streifenelektroden in Segmente unterteilt. Deren unterschiedliche Empfindlichkeit erzielen die Forscher durch die Gradiententechnik: Der Chip wird mit vier Heizmäandern unterschiedlich stark erhitzt und mit einer Filtermembran in ansteigender Dicke beschichtet. So docken an den einzelnen Segmenten unterschiedliche Duftmoleküle in unterschiedlicher Menge an. Durch die Messung der Widerstände im Metalloxid zwischen zwei benachbarten Elektroden ergibt sich je ein Signal. Mit Hilfe von Musteranalyseverfahren ist dann eine Unterscheidung und Wiedererkennung von Gasmischungen möglich. Die Anwendungsmöglichkeiten der Kamina reichen von der Abgasanalyse im Auto über die Lüftungssteuerung in Gebäuden bis zur Gesundheitskontrolle über intelligente Zahnbürsten. Hausgerätehersteller wollen das System in Dunstabzugshauben, Herden und Kühlschränken verwenden. In der Diskussion ist die Entwicklung eines intelligenten Trockners, der Kleider quasi mit Belüftung waschen und beduften könnte. mav
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