Die Globalisierung geht weiter
VDI nachrichten, Düsseldorf, 20. 6. 08, moc – Die Produktion wandert aus den Hochlohn- in die Niedriglohnländer. Aber auch die Forschung wird immer globaler. Bis 2010, so eine neue Studie, könnte sich die Verlagerung von Forschung und Entwicklung gegenüber heute weltweit fast verdoppeln.
Die Globalisierung macht vor der Forschung schon lange nicht mehr halt: Deutsche Unternehmen betreiben immer mehr Forschung im Ausland: Im Jahr 2005 (dem letzten Jahr mit erhobenen Zahlen) haben deutsche Unternehmen im Ausland für gut 11,4 Mrd. € Forschung und Entwicklung (FuE) betrieben. Das waren gut 25 % der gesamten Forschungsaufwendungen der deutschen Industrie.
Dieser Trend, so Reinhard Geissbauer, wird sich in den nächsten zwei Jahren noch „erheblich beschleunigen“.
Geissbauer ist Geschäftsführer von PRTM Management Consultants und Mitautor der PRTM-Studie „Global Supply Chain Trends 2008-2010“.
Zwischen 30 % und 35 % aller von deutschen Unternehmen finanzierten FuE werden 2010, so schätzt Geissbauer, im Ausland stattfinden.
Bisher zählt Deutschland allerdings in Sachen FuE zu den Globalisierungsgewinnern. Denn 2005 haben ausländische Unternehmen in Deutschland gut 12,6 Mrd. € für FuE ausgegeben, so eine Studie des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung (NIW), des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft.
„Deutschland hat als attraktiver Forschungsstandort in den letzten Jahren durchgängig von der Globalisierung der Forschung profitiert“, so Harald Legler vom Niedersächsischen Institut für Wirtschaftsforschung und einer der Autoren der Studie.
Geissbauer bezweifelt jedoch, dass das so bleiben wird, denn er sieht nicht, dass ausländische Unternehmen in Zukunft ihre Forschung in Deutschland weiter so ausdehnen wie bisher: „Das wird nur vereinzelt der Fall sein.“
Andererseits zeigt die NIW-Studie, dass auch die FuE-Aktivitäten deutscher Unternehmen im Ausland stagnieren.
Grundsätzlich, so Legler, liegt nichts Bedrohliches darin, wenn Unternehmen ihre Forschung zunehmend in anderen Ländern hochfahren. „Das stützt die Unternehmen in ihren Absatzmärkten.“ Denn solange der Ausbau der Forschung im Ausland den Export begleitet, dient er vor allem dazu, das Know-how der Unternehmen in ihren neuen Märkten zu stärken.
Nicht selten müssen die Unternehmen auch Teile ihrer Forschung in ihre Exportmärkte auslagern, weil diese Länder ein gewisses Maß an „local content“ auch bei FuE verlangen.
Bedenklich, so Legler „wird es dann, wenn FuE abwandern, weil sie etwa in Deutschland an ihre Grenzen stoßen, sei es, dass der kompetente Nachwuchs fehlt, sei es, dass durch gesetzliche Rahmenbedingungen Spitzenforschung in dem ein oder anderen Bereich stark erschwert wird“.
Gerade aber einen Mangel an kompetentem Forschungspersonal beobachtet Geissbauer in Deutschland. Dabei gibt es allerdings durchaus Unterschiede: Weniger auffällig ist der Mangel in der Automobilforschung, ausgeprägter dagegen ist er bei der Informationstechnik.
Und noch auf einen weiteren Aspekt weist Legler hin: „Es lässt sich eine gewisse Tendenz beobachten, dass Unternehmen ihre Spitzenforschung eher im Ausland weiter auf- und ausbauen als im Inland.“
Die Globalisierung von Forschung und Entwicklung wird sich auch in Zukunft kaum abschwächen. „Je exportorientierter die Unternehmen sind, umso stärker werden sie FuE in ihren jeweiligen Märkten ausbauen müssen“, so Legler. Zum einen, um ihre Produkte den regionalen Märkten anzupassen, zum anderen aber auch, um das regionale Know-how-Potenzial anzuzapfen.
Schon heute haben Unternehmen der Luftfahrtbranche, der Chemie-, Bio- und Informationstechnik mit zahlreichen Ländern Technologiekooperationen abgeschlossen oder betreiben dort in eigenen Forschungseinrichtungen Technologieentwicklung.
Mit der anhaltenden Globalisierung und der wachsenden Zahl der Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen steigt für die Unternehmen aber auch die Notwendigkeit, diese Innovationsnetzwerke mit ihren vielen Schnittstellen effizient zu managen und zu steuern.
„Das wird die große Herausforderung“, so Geissbauer.
Die Steuerung der globalen FuE-Systeme, schätzt er, dürfte zu gut 50 % für den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen verantwortlich sein. W.MOCK
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