Ägypten 25.11.2024, 15:30 Uhr

Athribis und sein Rätsel: Liegt ein Heiligtum im Fels verborgen?

Forschende der Universität Tübingen und des ägyptischen Ministeriums für Tourismus und Altertümer haben in Sohag, etwa 200 Kilometer nördlich von Luxor, möglicherweise einen ptolemäischen Tempel entdeckt.

Der Nordturm des Tempels: Ein Blick in die verborgene Kammer. Foto: Marcus Müller / Athribis-Projekt

Der Nordturm des Tempels: Ein Blick in die verborgene Kammer.

Foto: Marcus Müller / Athribis-Projekt

In dem kleinen ägyptischen Dorf Athribis vermuten die Forschenden, dass sich in den Felsen ein ehemaliges Felsheiligtum verbirgt. Bei den Ausgrabungen wurde ein Tempeleingang freigelegt, der Hinweise auf diese Theorie gibt. Der Eingang wird von zwei Türmen flankiert, die den sogenannten Pylon bilden. Hinter den noch unberührten Schutthaufen könnte sich der Zugang zu einem Felsentempel befinden, zumindest so meinen Professor Christian Leitz, Projektleiter, und Marcus Müller, Grabungsleiter am Institut für die Kulturen des Alten Orients (IANES) der Universität Tübingen.

Im Tempelbezirk stehen zwei Tempel. Einer von ihnen ist noch von meterhohem Sand bedeckt, lediglich Teile eines großen Pylons sind sichtbar. Das andere Heiligtum wurde bis 2019 im Rahmen des Tübinger Projekts vollständig freigelegt.

Seit 2022 arbeiten die Tübinger Forschende zusammen mit Mohamed Abdelbadia von der Ägyptischen Altertümerverwaltung und einem ägyptischen Team an den Ausgrabungen in Athribis, um einen großen Steintempel zu entdecken. Bereits seit 2012 wird in der Region ein Tempelbezirk aus der Zeit zwischen 144 v. Chr. und 138 n. Chr. freigelegt.

Um die verschütteten Räume freizulegen, mussten etwa 400 herabgestürzte Blöcke, teils bis zu 34 Tonnen schwer, geborgen werden. Diese Blöcke konnten später in Steinlagern untersucht werden. Die großflächigen Ausgrabungen im Tempel begannen erst 2012 und wurden 2019 abgeschlossen. Danach wurde der Tempel für Besucher hergerichtet, mit einem Rundweg und Informationstafeln ausgestattet.

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Die gesamte Tempelanlage war 51 Meter breit, und die Türme des monumentalen Eingangs hatten ursprünglich eine Höhe von 18 Metern. Heute sind nur noch etwa fünf Meter erhalten, der Rest wurde von Steinräubern entfernt. Eine Münze, die von den Grabräubern zurückgelassen wurde, zeigt, dass der Raub etwa im Jahr 752 oder kurz danach stattfand.

Verschiedene Reliefs entdeckt

In den letzten Monaten wurde im nördlichen Turm und am Eingang des Tempels gegraben. Dabei entdeckte das Team Reliefs, die einen König zeigen, der der löwenköpfigen Göttin Repit und ihrem Sohn Kolanthes Opfer darbringt. Neue hieroglyphische Inschriften verraten nun, dass der König, der für die Dekoration und vermutlich auch den Bau des Pylons verantwortlich war, Ptolemaios VIII. aus dem 2. Jahrhundert vor Christus ist.

In Athribis wurden Min-Re, seine Gattin Repit und ihr Sohn Kolanthes verehrt. Min-Re, der Gott der Fruchtbarkeit, wird ithyphallisch dargestellt, mit erhobenem Arm und einer Doppelfederkrone auf dem Kopf. Die löwenköpfige Repit trägt eine Sonnenscheibe mit einer Uräusschlange als Krone. Sie wurde als „Augengöttin“ verehrt, galt als Tochter und Auge des Sonnengottes und war zugleich Schutzgöttin. Kolanthes erscheint als typischer Kindgott mit Jugendlocke und dem Zeigefinger an der Lippe. Neben Kolanthes wurden auch Horus-senedjem-ib, eine Kindform des Horus, sowie Isis und Osiris verehrt.

Der Südturm des Pylons

Der Südturm des Pylons.

Foto: Marcus Müller / Athribis-Projekt

Auf eine unbekannte Kammer gestoßen

Im Nordturm stieß das Team unerwartet auf eine unbekannte Kammer. Nachdem ein etwa 20 Tonnen schwerer Deckenblock, der im Sand lag, mit Luftkissen, Holztürmen und Rollen entfernt wurde, konnte die rund sechs Meter lange und fast drei Meter breite Kammer freigelegt werden. Es handelte sich um einen Lagerraum für Tempelgeräte, der später auch als Ablage für Amphoren diente.

Ein Korridor im Pylon führt zur Kammer, die von außen zugänglich ist. Auch dieser Bereich ist mit Reliefs und Hieroglyphen geschmückt. Zu sehen ist erneut die Göttin Repit, während der gegenüberliegende Türrahmen den Fruchtbarkeitsgott Min zeigt, begleitet von zwei selten dargestellten Dekanen, die mit Falken- bzw. Ibisköpfen abgebildet sind.

Besonders in der ägyptischen Tempelarchitektur ist eine zweite Tür an der Fassade des Pylons, die zu einem bisher unbekannten Treppenhaus führt. Dieses Treppenhaus bestand aus mindestens vier Abschnitten und führte ins zerstörte Obergeschoss, wo vermutlich weitere Lagerräume zu finden waren.

Hinweise auf ein verborgenes Felsheiligtum hinter dem Pylon

Ab November 2024 werden weitere Ausgrabungen durchgeführt, um Spuren des vermuteten Tempels hinter dem Pylon zu entdecken. „Fein geglättete Kalksteinblöcke an einer senkrecht abgeschlagenen Felsfassade könnten zu einem Felsheiligtum gehören“, sagt Christian Leitz.
Die mehr als vier Meter hohe Fundstelle und Dekorationen, wie der typische Kobrafries am oberen Tempelende, lassen vermuten, dass sich hinter dem Bereich eine Tür befindet.

Athribis liegt etwa 7 km südwestlich von Sohag, rund 200 km nördlich von Luxor, im Gebiet des antiken 9. oberägyptischen Gaues. Die archäologische Zone erstreckt sich über mehr als 30 Hektar und ist fast vollständig unerschlossen. Sie umfasst den Tempelbezirk, die Siedlung, die Nekropole und die Steinbrüche.

Mehr zum Athribis-Projekt

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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