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Wie wird das Wetter? Doch neben dem maßgeblich von der Sonnenwärme beeinflussten Geschehen in der Atmosphäre rückt zunehmend das Weltraumwetter ins Blickfeld von Forschung und Wirtschaft: Kosmische Strahlung hat Einfluss auf Technik und Infrastruktur.
Das Weltraumwetter hat kommerzielle und finanzielle Auswirkungen“, sagt Dr. Frank Jansen, der an der Universität Greifswald das Projekt zum Aufbau einer Weltraumwetterwarte leitet. Es kann beispielsweise die Funktionsfähigkeit von Satelliten, die Stabilität von Stromnetzen und die Qualität von Telefonverbindungen beeinflussen.
5 Mrd. Dollar kostete ein Stromausfall im März 1989 im kanadischen Quebec. Dort wurde ein zentraler Transformator durch eine plötzliche Überspannung im Netz zerstört, neun Stunden lang blieben Millionen Kanadier ohne Strom. Grund für die Störung waren geomagnetisch induzierte Ströme, so genannte GICs (engl.: geomagnetic induced currents), verursacht durch vehemente Phänomene des Weltraumwetters.
Das Weltraumwetter wird durch das Zusammenspiel mehrerer Faktoren bestimmt – zum einen der galaktischen kosmischen Strahlung aus energiegeladenen Teilchen, die von anderen Sternen der Milchstraße stammen und fast mit Lichtgeschwindigkeit ständig auf die Erde prasseln, zum anderen des Sonnenwindes – ebenfalls ein Partikelstrom aus Wasserstoff-, Helium- und Eisenionen sowie Elektronen, die mit durchschnittlich 400 km/s von der Sonne aus gegen die Erde geschossen werden. Der Sonnenwind kann bei heftigen Eruptionen auf der Sonnenoberfläche zu Sturmböen bis zu 1500 km/s anschwellen. Er trifft auf die Schichten der Atmosphäre und den magnetischen Schutzkäfig der Erde – die Magnetosphäre.
Die Auswirkungen sind vielfältig. Drückt beispielsweise eine Sonnenwindböe auf das irdische Magnetfeld, wird es in Schwingungen versetzt. Das schwankende Magnetfeld wiederum wirkt wie ein Dynamo. In langen metallenen Leitungen wie Überlandkabeln oder Pipelines werden Ströme induziert – die GICs. Sie können nicht nur Transformatoren schaden. „Erdöl- und Erdgas-Pipelines korrodieren durch den induzierten Stromfluss schneller, Telefonleitungen haben Aussetzer“, so Jansen vor der Wissenschaftspressekonferenz kürzlich in Bonn.
In der Atmosphäre wird der Sonnenwind stark abgebremst. Dabei entsteht Wärme. Sonnenwindstürme erhitzen die Atmosphäre so stark, dass sie sich bis in die Umlaufbahn von niedrig fliegenden Satelliten ausdehnt und diese durch die erhöhte Reibung verlangsamt. „Die US-Raumstation Skylab ist 1979 wegen der Ausdehnung der Thermosphäre abgestürzt“, weiß Dr. Norbert Jakowski vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Neustrelitz.
Ein weiterer Weltraumwetter-Effekt ist die ionisierende Wirkung der Teilchenströme. Satelliten können sich derart statisch aufladen, dass die elektrischen Spannungen zum Versagen von Bordsystemen führen. Prägnantestes Beispiel ist der US-Fernsehsatellit Telstar 401, der im Januar 1997 ausfiel. Wenige Tage zuvor hatten Raumsonden einen starken Anstieg der Sonnenwindgeschwindigkeit gemessen.
Der Sonnenwind verändert auch die Struktur der Ionosphäre, einer Schicht der Atmosphäre, die den Weg und die Geschwindigkeit von Radiowellen beeinflusst. Starker Sonnenwind kann die Ionosphäre verwirbeln und zu Signalausfällen führen. Besonders deutlich zeigen sich die Auswirkungen bei der satellitengestützten Navigation mit Hilfe von GPS-Geräten. Bis zu 60 m können die Ergebnisse danebenliegen, wenn ein Ionenwirbel die Funksignale der GPS-Satelliten ablenkt, so der DLR-Experte.
Solche Fehler sind nicht zu unterschätzen. Die internationale zivile Luftfahrtbehörde ICAO im kanadischen Quebec plant, die Navigation der Verkehrsflugzeuge künftig auf GPS umzustellen. Falsche Positionsangaben könnten dann fatale Folgen haben. Um dem zu entgehen, entwickeln Forscher verschiedene Techniken und Programme, die die fehlerhaften Signale korrigieren können. Allerdings setzen diese stets die Kenntnis über das Ausmaß der Störung der Ionosphäre voraus. „Darum brauchen wir eine Weltraumwetterbeobachtung und -vorhersage“, sagt Jakowski. Bislang sind die Möglichkeiten dazu noch unterentwickelt. Derzeit können nur im Nachhinein Beobachtungen ausgewertet werden, um so die ersten Weltraumwettermodelle mit Daten zu füttern. Zwar liefert bereits die NASA im Internet eine täglich aktualisierte Prognose des Weltraumwetters, doch liegen die gemeldeten Wahrscheinlichkeiten für das Eintreffen eines Sonnenwindsturmes weit entfernt von der Genauigkeit irdischer Meteorologie.
Die Weltraumagenturen NASA und ESA knüpfen daher ein immer dichteres Netz von Mess-Systemen für das Wetter im Weltall. Die Satellitenteleskope „Soho“, „Trace“ und „Yohkoh“ haben die Vorgänge auf der Sonne im Visier. „Ace“ untersucht Geschwindigkeit und Zusammensetzung des Sonnenwindes. Die Satelliten „Cluster“ und „Champ“ vermessen das Erdmagnetfeld. Zudem sollen ab 2004 zwei Observatorien ein aktuelles, dreidimensionales Abbild des Raumes zwischen Sonne und Erde liefern.
Einige Kapriolen des Weltraumwetters werden allerdings nie vorhersehbar sein. Die Teilchen der galaktischen kosmischen Strahlung prallen schnell, unvermittelt und voller Energie auf die Erde. Schaden richten sie vor allem in elektronischen Bauteilen an. Trifft ein Elektron beispielsweise einen RAM-Speicherbaustein eines Computers, können die darin abgelegten Informationen verändert werden. In der Praxis ist es allerdings kaum nachzuweisen, ob ein Computerabsturz möglicherweise auf kosmischen Einfluss zurückzuführen ist.
Anders bei der ersten ICE-Generation. Anfang der 90er Jahre verzeichnete die Bahn in Halbleitern, die die Leistung steuern, immer wieder Totalausfälle durch unverhoffte Kurzschlüsse. Dies geschah allerdings nie in Tunneln, sondern immer nur auf freier Strecke, wo die kosmische Strahlung auch treffen kann. Da der Ersatz der gefährdeten durch besser geschützte Bauteile sehr teuer ist und darum erst im Schadensfall erfolgt, fährt heute nach Schätzungen Jansens noch immer rund die Hälfte der ICE-Züge mit den strahlungsanfälligen Halbleitern. Allerdings entschuldigt die Bahn bislang ihre Verspätungen nicht mit schlechtem Weltraumwetter. LUCIAN HAAS
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