Luft-und Raumfahrttechnik 24.10.2003, 18:27 Uhr

Produktionsnetzwerk des Airbus „A 380“ treibt Logistikplaner in neue Dimensionen

Wenn 2006 mit dem Airbus „A 380“ der weltweit größte Passagierjet zum ersten kommerziellen Transatlantikflug aufsteigt, haben nicht nur die Konstrukteure, sondern auch die Logistiker ihr Meisterstück bereits vollendet. Sie verknüpfen sechs Produktionsstandorte in Europa und 1500 Zulieferfirmen aus der ganzen Welt. Für den Transport der noch größer werdenden Bauteile entwickelten sie ein multimodales System über Meer, Fluss und Straße.

Wenn im Jahr 2006 der Airbus „A 380“ zum ersten kommerziellen Transatlantikflug aufsteigen wird, sprengt er alle bisherigen Dimensionen im Flugzeugbau. Das größte Passagierflugzeug der Welt wird bis zu 650 Fluggäste in zwei übereinander liegenden durchgehenden Decks auf Interkontinentalstrecken nonstop bis zu 14 800 km weit befördern können. Für die Logistikplaner ist der Gigant mit einer Flügelspannweite von fast 80 m und einer Länge von 73 m schon heute eine ganz besondere Herausforderung.
„Die Bauteilgröße von Rumpf und Flügel des „A 380″ erfordert ein völlig neues Transportkonzept“, erläuterte Dr. Achim von Arciszewski kürzlich auf der Logistik-Fachtagung „Dortmunder Gespräche“ des Fraunhoferinstitut Materialfluss und Logistik (IML) in den Dortmunder Westfalenhallen die überdimensionale Aufgabe, die das internationale Projekt nach den Worten des Vice President Assembly/Vertical Tailplane bei Airbus Deutschland GmbH, Hamburg, an die Produktionspartner stellt.
Tatsächlich ist der Bau des Riesenvogels durch die traditionelle dezentrale Fertigung an sechs europäischen Standorten bereits ein globales Projekt: Annähernd 1500 Zulieferer aus der ganzen Welt seien dabei mit den Werken in Großbritannien (zuständig für die Flügel), Deutschland (Rumpf und Seitenleitwerk), Frankreich (Vorder- und Mittelrumpf, Cockpit sowie Endmontage) und Spanien (Höhenleitwerk) zu verknüpfen.
Bisher war der Transport der Bauteile zur Endmontage ins französische Toulouse kein Problem. Die großen Airbus-Komponenten konnten in den Bauch der „Beluga“, ein auf Basis des „A 300-600“ konzipiertes Transportflugzeug, verladen werden. Der Transportflieger bietet Raum für ein Frachtvolumen von etwa 1400 m3 sowie eine Nutzlast von 45,5 t.
Kompliziert wird die Transportfrage in Zukunft erst durch die neue Dimension der Bauteile. So hat beispielsweise das Seitenleitwerk des „A 380“ eine Länge von 14,08 m und eine Breite von 12,85 m. Zum Vergleich: Beim bislang größten Airbusmodell „A 340“ ist das Bauteil lediglich 9,38 m hoch und 9,58 m breit.
Für die Beförderung der Flügel- und Rumpfbauteile von Hamburg nach Toulouse wurde deshalb ein multimodales Transportsystem auf Meer, Fluss und Straße mit RoRo-Funktion (Roll-on/Roll-off) entwickelt. Dabei wurde das Transportkonzept für den Seeverkehr vom Lastwagenauflieger-Prinzip abgeleitet und speziell an die „A 380“-Mission angepasst. Der Frachtraum ist jetzt 11 m hoch und die Heckrampe 21 m breit. Für den Weitertransport der Großbauteile vom Hafen Bordeaux zum Hafen Langon auf dem Fluss Garonne werden RoRo-Barkassen eingesetzt. Sie sind mit einem variablen Ballastsystem ausgestattet, um Brücken auch in Flutperioden passieren zu können.
Der abschließende Straßentransport zwischen Langon und Toulouse erfolgt auf speziell entwickelten Nutzfahrzeugen, deren modularer Anhänger mit empfindlichen Justierungs-, Begradigungs- und Lenkungssystemen ausgestattet ist. Selbst Teilstrecken der Straßenverbindung sind laut Achim von Arciszewski eigens für den Teiletransport der „A 380“ gebaut worden.
Im April 2004 geht zudem ein neues leistungsstarkes Logistik- und Materialwirtschaftszentrum in Hamburg-Hausbruch in unmittelbarer Nähe zum Airbus-Werk in Finkenwerder in Betrieb. Zu seinen Schwerpunktaufgaben gehört die gesamte Wareneingangsabwicklung für Haus- und Kaufteile. Sie wird täglich rund 40 Anlieferungen mit jeweils etwa 1000 Positionen umfassen. Das Lagerprogramm für die „A 380“-Montage enthält mehr als 35 000 Artikel. Vorgesehen ist ein automatisches Kleinteilelager mit etwa 18 300 Kanälen sowie ein Palettenlager mit 4600 Plätzen. Geplant, realisiert und betrieben wird das Materialwirtschaftszentrum von der Stute Verkehrs-GmbH, Bremen.
Für Gerhard Puttfarcken handelt es sich dabei „um das erste Outsourcing dieser Größenordnung in der Luftfahrtindustrie“ und für sein Haus „um einen wesentlichen strategischen Schritt in der Logistik „, wie der Airbus-Chef bei der Grundsteinlegung im Juli betonte. Bei der Realisierung dieses Pionierprojekts hilft auch das Fraunhofer IML – die Logistikexperten aus Dortmund übernehmen das gesamte Projektmanagement. R. MÜLLER-WONDORF/Si

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