Outsourcing beflügelt Dienstleister
VDI nachrichten, Bremen, 15. 06. 07, moc – Alles schaut auf Airbus. Aber auch ohne die Outsourcing-Anstrengungen des europäischen Flugzeugkonzerns wächst die Bedeutung von Ingenieur-Dienstleistern für die Luft- und Raumfahrt-Unternehmen schon seit Jahren. Und ihre Bedeutung wird zunehmen.
Die Zahlen sprechen für sich: Allein bei den beiden führenden deutschen Ingenieur-Dienstleistern Ferchau und Brunel sind zusammen mehr als 850 der insgesamt knapp 5000 Ingenieure mit Themen und Aufträgen aus dem Bereich Luft- und Raumfahrt beschäftigt. „Damit hat diese Branche für uns mittlerweile denselben Stellenwert wie die Automobilindustrie“, sagt André Menagé, Geschäftsführer der Brunel Dynamics GmbH.
Die Nachfrage nach Ingenieurdienstleistungen dürfte weiter rasant steigen: Unabhängig von der künftigen Struktur von Airbus benötigt der europäische Flugzeugkonzern am Standort Hamburg in nächster Zeit mehr als 1000 neue Mitarbeiter – mindestens 750 von ihnen sollen ihren Arbeitsplatz aber nicht mehr bei Airbus, sondern bei einem Dienstleister haben.
„Bereits in den vergangenen drei bis vier Jahren ist die Nachfrage aus dem Bereich Luftfahrt rasant gewachsen“, hat Harald Felten, beim Ingenieurdienstleister Ferchau für den Geschäftsbereich Aviation verantwortlich, beobachtet. Insbesondere die Airbus-Großprojekte A380 und 400M sowie seit Jüngstem die A350 haben den Dienstleistungsbedarf stark angeheizt.
Das wird wohl auch so bleiben. Brunel und Ferchau, aber auch internationale Beratungsdienstleister wie Altran rechnen mit zusätzlichen Aufträgen. „Die Entwicklungen gehen ja weiter. Passagierkomfort, Leichtbau und Umweltfreundlichkeit werden immer wichtiger“, so Joachim Lau, Managing Director einer Altran-Tochterfirma, deren Schwerpunkt im Luft- und Raumfahrt-Geschäft liegt.
Gleichzeitig, so André Menagé, „ziehen sich die großen Hersteller zunehmend auf ihre Kernkompetenzen zurück“. Also sind die Ingenieurdienstleiter gefragt – und mit ihnen kompetente Ingenieure.
Pro Jahr, so schätzt Lau, stellt Altran gut 150 Ingenieure für den Bereich Luft- und Raumfahrt ein.
Außerdem ist Airbus ja nicht das einzige Unternehmen, das Ingenieurdienstleistungen nachfragt. „Bei Luft- und Raumfahrt denkt zwar jeder zunächst an Airbus und den Mutterkonzern EADS“, sagt die Leiterin der Hamburger Brunel-Niederlassung Evelyn Sellin, „aber es gibt ja noch zahlreiche andere Firmen, die sich in Deutschland mit dem Flugzeugbau beschäftigen.“
Ohne Ingenieurdienstleister, so scheint es, hebt inzwischen kein Flugzeug mehr ab, springt keine Turbine mehr an und bleibt selbst das Kabinenlicht dunkel. „Wir decken praktisch alle Bereiche ab“, erläutert Felten.
Jobsuche für Ingenieure
Bis zu 60 % einzelner Arbeitspakete bei den großen Flugzeugherstellern gehen heute an unternehmensfremde Ingenieurdienstleister und Zulieferer, schätzt Menagé. Und von der Konzeptphase bis zur Fertigung sind die Dienstleister mit an Bord.
Dabei sind die beiden Großen der deutschen Dienstleistungsbranche und international aufgestellte technologische Beratungsfirmen wie Altran nur die Spitze des Eisberges: Dutzende kleiner und mittelgroßer Ingenieurbüros führen Unternehmen und Aufgaben aus den Bereichen Luft- und Raumfahrt auf ihrer Referenzliste.
Die kleineren Dienstleister aber scheinen die Delle, die durch den Produktionseinbruch beim Airbus A380 entstand, etwas deutlicher zu spüren. „Manche unserer Unternehmen hatten schon Schwierigkeiten, ihre Mitarbeiter unterzubringen“, so Jörg Manthey von der Hamburg Engineering Consulting Association (HECAS), einem Zusammenschluss von derzeit 19 Ingenieurdienstleistern mit insgesamt 4000 Beschäftigten. Aber auch er ist zuversichtlich, dass sich die Lage im kommenden Jahr wieder bessert.
Grundsätzlich arbeiten Unternehmen wie Brunel oder Ferchau auf zwei Ebenen für die Luftfahrtbranche: „Wir entsenden Personal in die Konstruktionsabteilungen oder übernehmen in unseren Kompetenzzentren ganze Entwicklungsaufgaben“, erläutert Menagé. Anders als in anderen Branchen dauert die projektbezogene Zusammenarbeit mit den Kunden aus der Luftfahrt zum Teil sehr lange: „Ein Jahr ist Minimum, häufig sind es aber sogar mehrere Jahre“, sagt Evelyn Sellin. Der Hintergrund: Entwicklungsprojekte in der Luftfahrt ziehen sich – anders als beispielsweise in der Automobilindustrie – häufig über Jahre hin.
Wer als Ingenieur an solchen Mammutprojekten mitwirken will, muss mehr mitbringen als hochfliegende Karrierepläne. „Für den Flugzeugbau gelten besondere Anforderungen beispielsweise muss jede Schraube oder jedes Bauteil zertifiziert werden“, erläutert Sellin. Entsprechend umfassend müssen die luftfahrtspezifischen Kenntnisse der Konstrukteure sein. Weil derartiges Fachwissen nicht „einfach so“ zu erlernen ist, sorgen zumindest die größeren Dienstleister für eine entsprechende Qualifizierung ihrer Mitarbeiter.
Obwohl für viele Luftfahrtunternehmen häufig Kostengründe hinter der Fremdvergabe von Ingenieuraufgaben stecken, liegt das Gehaltsniveau der Dienstleister nach Angaben von Brunel und Ferchau oder Altran auf vergleichbarem Niveau wie beim Kunden. Für kleinere Dienstleister gilt oftmals das Motto „equal pay“, wenn ihre Mitarbeiter länger in einem Fremdunternehmen arbeiten. Dazu kommt: „Wir unternehmen jede Menge zur Mitarbeitermotivation und -bindung“, versichert Evelyn Sellin. In erster Linie wollen die Ingenieurbüros eines damit verhindern: Dass ihre besten Leute zum Kunden abwandern.
WOLFGANG HEUMER/moc
Die Nachfrage nach Know-how wächst rasant