Die Luftfahrt im Zentrum einer neuen Innovationskultur
VDI nachrichten, Wien, 30. 6. 06, moc – Die Luftfahrt gilt in der EU-Kommission als „strategische Industrie“. Dementsprechend will sie diese Industrie auch systematisch fördern. Vermutlich über 1 Mrd. € werden im 7. Forschungsrahmenprogramm der EU für die Förderung der Luftfahrt bereitstehen
Wir haben noch einiges an Anstrengungen vor uns, um im Wettbewerb bestehen zu können“, so EU- Forschungskommissar Janez Potocnik angesichts der derzeitigen Probleme bei Airbus.
Doch die Europäische Kommission hat offenbar vor, ihren Beitrag zu diesen Anstrengungen zu leisten. Im 7. Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union (EU), das im Jahr 2007 anlaufen soll, sind für die Zeit bis 2013 gut 4,2 Mrd. € für die Förderung der Transporttechnologien eingesetzt, mindestens 1 Mrd. €, so derzeitige Schätzungen, dürfte davon auf die Förderung der Luftfahrt entfallen.
Die EU-Kommission, so Potocnik, sieht in der Luftfahrt mittlerweile eine „strategische Industrie“: Die Wertschöpfung der gesamten europäischen Luftfahrt beträgt gut 220 Mrd. €, sie hat damit nach Angaben der EU-Kommission einen Anteil von 2,6 % am europäischen Bruttoinlandsprodukt (BIP). Gut 130 Airlines befördern mit über 12 Mio. Flugbewegungen von 450 Flughäfen aus 1 Mrd. Passagiere im Jahr.
Seit Beginn der 90er Jahre fördert die EU die Luftfahrt – ungefähr seit der Zeit, als auch die Idee des Riesen-Airbus A380 erste Formen annahm.
Im Jahr 2001 schlossen sich die Spitzen der europäischen Luftfahrtbranche dann auf Initiative der EU zum Advisory Council for Aeronautics Research in Europe (Acare) zusammen, mit dem Ziel, die EU bei der Formulierung ihrer Förderpolitik zu unterstützen.
Über 400 europäische Forschungsprojekte zur Luftfahrt sind bisher von der EU unterstützt worden. Wie groß das Spektrum dieser Projekte ist, war auf dem Aeronautics Day der EU im Juni in Wien zu erkennen.
Das Spektrum reicht von der Förderung umweltfreundlicher Triebwerke und der optimierten Verkehrsführung in der Luft und am Boden über neue Flugzeugtypen wie Nurflügler bis hin zur besseren Integration der noch immer stark zersplitterten Luftraumüberwachung in der EU.
Gerade von der Luftraumüberwachung geht eine zunehmende Gefahr für das Wachstum der Luftfahrt in Europa aus. An einem guten Tag werden am Himmel über Europa 30 000 Flüge von bis zu 4500 Flugzeugen abgewickelt. Die Überwachung dieser Flüge geschieht mit drei Dutzend unterschiedlichen Luftüberwachungssystemen, deren Kommunikation selten völlig reibungslos verläuft. Heute, so der Generaldirektor von Eurocontrol, Victor Aguado in Wien, kosten diese zersplitterten Überwachungssysteme die Luftaufsicht gut 1 Mrd. € im Jahr, die Fluglinien kostet die wenig effiziente Routenführung noch einmal das gleiche.
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Der europäische Luftraum, so Aguado, wird 2010 an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit stoßen, einige Knotenpunkte schon früher. Die europäische Flugsicherungsbehörde Eurocontrol hat deshalb zusammen mit der EU das Programm Sesar (Single European Sky Advanced Research) aufgelegt. Dieses soll mindestens mit 300 Mio. € bis 2013 ausgestattet werden.
Ziel von Sesar ist die Vereinheitlichung der europäischen Luftraumkontrollsysteme und die Ablösung der Routenführung von bodengestützten Systemen. Für die Luftraumüberwachung der Zukunft, so Aguado, „brauchen wir satellitengestützte Systeme“. Grundlage von Sesar wird deshalb das europäische Satelliten-Navigationssystem Galileo sein.
Die weiteren Ziele von Sesar: Ab 2015 mit einem verdreifachten Luftverkehrsaufkommen über Europa fertig werden, die Kosten für das Luftverkehrsmanagement halbieren, die Sicherheit um den Faktor 10 erhöhen und die Umweltbelastung pro Flug um 10 % reduzieren.
Ähnlich ambitioniert sind die Umweltziele der EU in Sachen Luftverkehr: So sollen Kohlendioxid-Ausstoß und Lärm um die Hälfte reduziert werden, die Stickoxide um 80 %. Gleichzeitig soll das Fliegen sicherer, kostengünstiger und bequemer werden.
Für die Europäer steht eine Menge auf dem Spiel, insbesondere auch deshalb, weil die Luftfahrt schneller wächst als die europäische Wirtschaft im Durchschnitt: Während heute die Luftfahrt nur 2,6 % vom BIP ausmacht, könnte sie, schätzt Aguado, bis 2020 ihren Anteil am BIP auf 13 % in die Höhe schrauben.
„Wir stehen“, hofft deshalb Joachim Szodruch, Vorstandsmitglied der Acare-Initiative und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, „am Beginn einer neuen Innovationskultur, in deren Zentrum die Luftfahrt steht.“
W. MOCK
Die europäische Luftraum- Überwachung ist heillos zersplittert