Die Herren der Satelliten wollen an die Börse
Europas größten Satelliten-Betreiber SES kennt kaum jemand. Ein Jahr nach dem Börsengang in Luxemburg will der global tätige Spezialist aus dem Herzogtum nun an die Frankfurter Börse gehen – um endlich bekannter zu werden.
Die häßlichen Schüsseln auf Dächern und Balkons kennt jeder. Wer sie hat, verfügt über bis zu 64 TV-Programme – auch, wenn kein Kabel vorhanden ist. Die Gesellschaft, die Fernseh- und Radiosendern in ganz Europa einen Platz auf einem Satelliten vermietet, damit sie ihr Programm senden können, ist dagegen meist nur Fachleuten bekannt.
Dabei ist die Société Européenne des Satellites (SES) die Betreibergesellschaft von Astra, dem führenden europäischen Satellitensystem für die Direktübertragung von Programmen in ganz Europa. 74,54 Mio. Europäer können ihre Programme empfangen Tendenz steigend. Schließlich werden mehr als 500 TV- und 380 Radioprogramme von zur Zeit acht Satelliten übertragen, die rund 36000 km über der Erde schweben. Seit 1989 überträgt Astra analoge, seit 1996 digitale Programme und seit zwei Jahren auch Multimedia-Dienste wie Internet via Satellit. In Deutschland senden alle öffentlich-rechtlichen Sender, aber auch Sat 1, Kabel 1, Pro 7, RTL, Vox und neuerdings sogar der Finanzdienst Bloomberg über Astra. Hinzu kommen gebührenpflichtige Dienste wie DF 1 oder Premiere.
Seit dem 6. Juli vergangenen Jahres ist die SES in Luxemburg notiert, wo sie 1985 gegründet wurde. Im Herzogtum ist die Gesellschaft, die auf den Hügeln nahe Luxemburgs im verträumten Betzdorf Signale von den Satelliten auf mehr als 20 Parabolspiegeln empfängt, ein Begriff. Nun wollen die Luxemburger am 25. Juni an die Frankfurter Börse. Finanzvorstand Jürgen Schulte gibt als Grund für die Zweitnotierung an: „Wir möchten die herausragende Marktstellung von Astra in Deutschland nutzen. Überdies ist Frankfurt eine der führenden Börsen Europas.“
Doch so ganz leicht wird der Börsengang nicht werden. Denn SES ist relativ unbekannt und hat sich aus einem Sicherheitsbedürfnis heraus erst einmal an den heimischen Markt gewandt. Doch nach der Ausgabe zu einem Kurs von 148,5 Euro sackte das Papier auf ein Tief von 111 Euro. Am 1. Juni 1999 hatte sich die Aktie auf 137 Euro erholt.
Interessanter Wert für institutionelle Anleger
„Das war nur Nervosität, weil sich einer unserer institutionellen Anleger verabschiedet hat“, wiegelt Schulte ab. Doch er weiß selbst am besten, daß der Markt so reagierte, weil nur 21,9 % der Aktien für den freien Handel zugelassen sind. 61,4 % der Aktien werden von institutionellen und privaten Aktionären wie Banken oder der Deutschen Telekom gehalten.
Weitere 16,7% werden von der Banque et Caisse D´Epargne de l´Etat (BCEE) und der Société Nationale de Crédit et d´Investissement (SNCI) gehalten, die als Treuhänder fungieren.
Doch mit 21,9 % Treuhandzertifikaten – noch dazu an der kleinen Luxemburger Börse – kam kein rechter Handel auf. Aktionäre waren verunsichert oder frustriert, weil sie mangels Markt und Masse nicht kaufen oder verkaufen konnten.
Schulte erhofft sich von der Notierung in Frankfurt neben mehr Handel auch eine erhöhte Publizität und ein besseres Profil. „Als luxemburger Gesellschaft und Spezialist auf unserem Gebiet sind wir interessant als Wert für Institutionelle“, glaubt auch Unternehmenssprecher Yves Feltes. Die SES als „sexy Papier“ für den TV-Zuschauer hat er nicht im Visier.
Dabei könnte das funktionieren, denn Zahlen und Strategie des Unternehmens können sich durchaus sehen lassen. Im vergangenen Jahr erzielte die SES einen Rekordumsatz, der um 15 % auf 517 Mio.Euro stieg. Auch der Nettogewinn stieg kräftig um 11% und das Ergebnis pro Aktie verbesserte sich auf 4,73 Euro (4,26 Euro). Gerade erst sind die Luxemburger erfolgreich in den asiatischen Markt eingestiegen, den sie dank AsiaSat – der führenden asiatischen Satellitenbetreibergesellschaft, deren Anteile sie vom US-Konzern Cable & Wireless übernommen haben – von Kasachstan bis Japan bedienen. In diesem Jahr starten noch zwei weitere Satelliten.
Auch Amerika hat SES bereits fest im Visier
Und was ist mit Amerika? „Die Zweitnotierung in Frankfurt optimiert unsere Ausgangsposition für eventuelle Kapitalerhöhungen zur Finanzierung des strategischen Entwicklungsplanes von SES“, orakelt Generaldirektor Romain Bausch. Der SES-Chef weiß nur zu gut, daß er auf Dauer den amerikanischen Kontinent als Markt gewinnen muß. Das wird teuer, ebenso wie die Investition in ein weltweites Breitbandnetz und diversifierte Dienste. So führen SES-Mitarbeiter die Übertragung eines 95-minütigen Videos in rund 5 Minuten vor. Seit Anfang 1989 läuft das Astra-Net, eine DVB-Multimedia-Plattform für Übertragung an PCs. 2001 sollen sich die Konsumenten zu ihrer Schüssel dann auch ein interaktives Satelliten-Empfangsgerät (SIT) kaufen können. „Der Preis wird bei rund 1000 DM liegen“, schätzt SES-Chef Bausch. Der praktische Nutzen: Wenn bei der Fußballmeisterschaft ein Anruf kommt, kann man den Fernseher ausschalten und sich die Übertragung hinterher dort anschauen, wo man zuletzt aufgehört hat – auch, wenn die Meisterschaft noch läuft. Überdies setzt SES auf die Ausbreitung des digitalen Standards, der mit einem entsprechenden Gerät recht preiswert werden kann.
In Polen und Großbritannien haben sich Sender wie Wijza TV oder BskyB gleich für die digitale Sendeform entschieden, letzterer verschenkt den zum Empfang notwendigen „Volksempfänger“ sogar.
So viele Pläne kosten natürlich Geld. Damit liegt ein Börsengang in New York nahe, denn schließlich gibt es an der Wall Street den einzigen weltweiten Index für Satellitenunternehmen. Die Entscheidung darüber soll am Jahresende fallen. „Wir gehen dann, wenn wir einen Kooperationspartner in den USA haben“, gibt Bausch die Marschrichtung vor.
CORDELIA BECKER
SES ist die Betreibergesellschaft der Astra-Satelliten, über die die meisten deutschen TV-Programme ausgestrahlt werden.
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