Airbus beginnt mit der Aufholjagd
VDI nachrichten, Düsseldorf, 29. 6. 07, moc – Allmählich findet der lange umstrittene neue Airbus A350 XWB Anklang bei den Kunden. Bis zur Luftfahrtmesse in Le Bourget hatte Airbus das Flugzeug kaum verkaufen können und es mehrten sich die Gerüchte, dass Airbus den Flieger noch ein drittes Mal gründlich überholen würde. Doch nach den vielen Neubestellungen auf der Messe ist davon keine Rede mehr.
Noch wenige Tage vor der Luftfahrtmesse vergangene Woche in Le Bourget hatte der europäische Flugzeughersteller Airbus von seinem neuen Airbus 350 XWB (Extra Wide Body) nur genau 13 Flieger fest verkauft, und das, obwohl das Unternehmen seit Monaten versuchte, den neuen Langstreckenflieger den Fluggesellschaften dieser Welt anzudienen.
Vor der Messe sah es deshalb kurzfristig so aus, als würde Airbus das Konzept der A350 ein drittes Mal ändern. Kritik war laut geworden an der Rumpfstruktur des Flugzeugs: Während Boeing den Rumpf seiner neuen 787 aus mehreren tonnenähnlichen Rumpfsegmenten aus Kohlefaserverbundmaterialien (CFK) zusammensetzt, hat Airbus einen anderen Weg gewählt: Bei der neuen A350 sollen drei große Rumpfsegmente aus jeweils vier langen CFK-Paneelen gefertigt werden. Diese vier Paneele werden auf quer zum Rumpf liegenden Rippen aus einer Aluminium-Lithium-Legierung (Al-Li) befestigt. Al-Li soll gegenüber klassischem Flugzeugaluminium um 6 % leichter sein.
Die längs zum Rumpf laufenden Verstärkungen der Rumpfhaut (Stringer) sind dagegen wieder aus CFK.
Der Erfolg auf der Messe scheint Gallois Recht zu geben: Die Zahl der Festbestellungen für die A350 stieg auf 154, dazu kamen weitere 78 Kaufoptionen von Flugzeuggesellschaften.
Mit der neuen CFK-Konstruktion hat Airbus sich von dem Glasfaser-Aluminium-Sandwich Glare, aus dem die oberen Rumpfschalen des Mega-Airbus A380 gefertigt sind, wieder verabschiedet. Und das, obwohl Glare zumindest übergangsweise als ein neues Wundermaterial im Flugzeugbau gehandelt wurde.
Der Grund für die Wahl von CFK für den Rumpf sowohl bei Boeing wie bei Airbus ist vor allem das Gewicht. Weniger Gewicht bedeutet weniger Treibstoff, also weniger Betriebskosten. CFK korrodiert zudem nicht und ermüdet weniger – das bedeutet weniger Wartung. Gut 60 % weniger Wartungspunkte wird es bei der neuen A350 durch den Einsatz von CFK geben, um gut 25 % werden sich die Kosten über die gesamte Lebenszeit des Flugzeugs im Vergleich zur A330 reduzieren, so Colin Stuart, Vice President Marketing bei Airbus.
Die Verwendung von CFK-Paneelen bei der A350 hat den Vorteil, dass sie sich bei Beschädigung leichter ersetzen lassen als etwa ein Rumpfsegment bei der Boeing 787. Die langen Paneele werden bei der A350 mittels Überdeckungsstoß vernietet, was zur Längsstabilisierung des Rumpfes beiträgt – ein weiter Vorteil, so Stuart, gegenüber den Tonnensegmenten der 787.
Je nach Funktion können die CFK-Paneele der A350 zudem auf örtliche Lasten hin ausgelegt werden. Als Schutz gegen Blitzschlag wird in die CFK-Haut ein metallisches Gewebe eingelegt.
Überlegt wird bei Airbus derzeit auch noch, ob in bestimmte Sektionen des Rumpfes, etwa ins Heck oder im Bereich der Türen Sensoren in die CFK-Haut eingebaut werden. Diese könnten dann – etwa bei einer Bodenberührung des Hecks beim Start (tailstrike) oder einer Beschädigung der Türrahmen beim Beladen des Flugzeugs – Schäden melden. Auch Boeing hatte bei der 787 ursprünglich an solche Sensoren in der CFK-Haut gedacht, die Idee aber aufgegeben, weil Boeing-Ingenieure Delaminierungen in der CFK-Struktur befürchteten.
Heck sowie Höhen- und Seitenleitwerke der neuen A350 bestehen ebenfalls aus CFK, wie auch der Flügelmittelkasten, in dem die beiden Flügel verankert werden.
Eine komplette Neuentwicklung bei der A350 sind die Tragflächen aus Verbundwerkstoff. Hier hat Airbus Erfahrung: Die Flügel des Militärtransporters A400 M sind ebenfalls aus Verbundwerkstoff. Der A350-Flügel ist 20 % größer als der der A330. Von der A380 übernommen wurde eine Klappnase am Innenflügel, die bei niedrigeren Geschwindigkeiten für einen geringeren Widerstand sorgt und so weniger Schub nötig macht.
Neben Glare als Flugzeughaut hat sich Airbus bei der A350 auch noch von einer anderen, bei der A380 eingeführten Neuerung wieder verabschiedet: Beim Mega-Airbus A380 werden die hydraulischen Systeme mit 5000 psi Druck betrieben. Zuvor waren 3000 psi die Regel. Der Vorteil der 5000-psi-Systeme: Man kann dünnere Leitungen verwenden, spart so Gewicht. Bei der A350 ist Airbus auf 3000 psi zurückgegangen, so Stuart. Ein Grund dürfte sein, dass diese Systeme leichter zu beherrschen, Leckagen seltener sind. So könnte die Aufgabe des leichteren 5000-psi-Systems ein Abwägen von Gewichtsersparnis und Wartungsfreundlichkeit sein. Boeing allerdings verwendet bei der neuen 787 ein 5000 psi-System.
Ein weiterer Unterschied zwischen der Boeing 787 und der neuen A350 ist die Zapfluft (bleed air). Sie wird dem Triebwerk im Flug entnommen, um u. a. das Flugzeug mit Frischluft zu versorgen und die Hydraulik zu betreiben und reduziert die Leitungsfähigkeit eines Triebwerks minimal. Boeing verzichtet bei der 787 auf bleed air und nutzt elektrische Systeme an Bord. Airbus hingegen setzt auf bleed air.
Ein wesentliches Element der neuen A350 ist auch der Ansatz, die Komplexität des Fliegers so weit wie möglich zu reduzieren. So wurde auf den Trimm-Tank im Heck verzichtet, was die Wartung reduziert. Auch das Fahrwerk wurde stark vereinfacht, es soll nur noch einklappen und nicht mehr in sich eingezogen werden. Das spart Wartung und Gewicht.
Im Herbst 2008 wird das Konzept der A350 auch im letzten Detail stehen. In der ersten Hälfte 2012 soll der Flieger zum ersten Mal abheben und 2013 an die Kunden ausgeliefert werden. moc
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