„Wir sollten nicht so tun, als gingen die Lichter aus“
Frank Ferchau, seit 2001 in der Geschäftsführung der gleichnamigen Firma tätig, spricht trotz der schwierigen konjunkturellen Lage nicht von Krise, sondern von Chancen, die es zu nutzen gäbe. Mit mehr als 4200 Mitarbeitern gehört Ferchau zu den großen Engineering-Dienstleistern in Deutschland. Das Unternehmen übernimmt Entwicklungsaufträge oder stellt im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung Personal vor Ort. VDI nachrichten, Gummersbach, 16.4. 09, rus
Ferchau: Wenn ich durch Gummersbach, dem Stammsitz unseres Unternehmens, gehe, dann klopfen mir die Freunde mitleidig auf die Schulter und sagen: „Dir muss es ja jetzt schlecht gehen.“ Das kann ich nicht bestätigen. Wir sehen uns einer anderen Konjunktursituation gegenüber als vor zwölf Monaten, aber das ist nicht so dramatisch, wie man das bei typischen Personaldienstleistern vermuten könnte.
Sie sprechen nicht von Krise?
Ich möchte nicht den Eindruck vermitteln, dass in Deutschland Mitte des Jahres die Lichter ausgemacht werden, sondern ich meine, dass die wesentlichen Trends nach wie vor Gültigkeit haben. Da können wir wieder anschließen.
Woher Ihr Optimismus?
Wir werden in Deutschland nicht ein paar Wochen Kurzarbeit machen und knüpfen dann übergangslos an die positive konjunkturelle Ausnahmesituation des ersten Halbjahres 2008 an. Wir sollten uns darauf vorbereiten, dass es zu strukturellen Veränderungen kommen wird und dass es darum geht, jetzt schnellstmöglich die notwendigen Anpassungsprozesse zu vollziehen. Dann kommen wir als Volkswirtschaft relativ gut aus der Situation heraus.
Deutschland ist nach meinen Beobachtungen gut aufgestellt, auch oder weil wir stark exportabhängig sind. Das kann man noch weiter ausbauen.
Ihr Unternehmen wächst weiter?
Wir wachsen in einigen Bereichen, das gilt aber nicht für das gesamte Unternehmen. Ich sehe da jedoch nicht schwarz.
Eine Vielzahl unserer Kunden fährt „auf Sicht“, macht Kurzarbeit, von daher ist es intern immer schwer zu argumentieren, warum man noch Projekte mit Externen ausführt.
Wie wirkt sich der Konjunkturabschwung auf den Engineering-Bereich ihrer Kunden aus?
Die Auswirkungen sind insgesamt sehr heterogen, da in den verschiedenen Branchen sehr unterschiedlich und sogar innerhalb der Unternehmen selbst.
Zum Beispiel im Bereich der Automobilindustrie…
…die zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung stark unter den konjunkturellen Verwerfungen zu leiden hat. Man kann aber feststellen, dass es auch hier immer noch Bereiche gibt, die weiterhin entwicklungsintensiv bearbeitet werden und in denen wir eine entscheidende Rolle mitspielen dürfen. Im Automobilbau gibt es strategische, langfristige Projekte, die derzeit beschleunigt werden, etwa die Themen anderer Energiequellen, leichterer Werkstoffe oder Downsizing.
…und im Maschinenbau?
Die Lage ist extrem unterschiedlich. Sämtliche Themen, die mit Energiegewinnung und Übertragung zu tun haben, sind interessant, aber auch die der Ökologie, der Mobilität, insbesondere des schienengebundenen Verkehrs, sowie Themen im Bereich der Informationsdistribution, der Verteidigung und Luftfahrt laufen noch recht gut. Programme wie die Entwicklung des A400M, A350 oder die Weiterentwicklung des A380 werden durch Airbus nicht kurzfristig gestoppt. Gleiches gilt für großvolumige Projekte der Schienenfahrzeugtechnik.
Werden derzeit eher kurzfristige Verbesserungen oder langfristige Entwicklungen als Aufträge vergeben?
Dass man kurzfristig zu schnell verwertbaren Erfolgen kommen muss, ist zwar nachvollziehbar, merken wir aber bei den Aufträgen im Generellen nicht.
Sind Firmen derzeit zurückhaltend bei Einstellungen, etwa von Ingenieuren?
Das kann man so sagen, aber das entspricht derzeit keineswegs dem, was wir 1992/94 gesehen haben. Von zurückhaltend kann man im Vergleich zur Situation von 2004 bis 2008 aber durchaus sprechen.
Auf der anderen Seite sind Firmen extrem langfristig fokussiert und sehen, dass sie einen ausgewogenen Personalmix mit heterogener Altersstruktur benötigen.
Wagen Sie eine Prognose, welche Branchen gerupft und welche erstarkt aus der Wirtschaftsflaute hervorgehen werden?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die bereits im Vorfeld der „Krise“ genannten Megatrends, etwa die Nachfrage nach neuen Entwicklungen in den Bereichen Energie, Ökologie, Informationstechnik und Mobilität oder Verkehrsverdichtung in Ballungsräumen sowie Ausweitung des Weltwirtschaftshandels – um nur einige Punkte zu nennen – jetzt nicht mehr gelten sollen. Daraus muss jeder selbst schließen, was sich für ihn ergeben wird.
Sind Sie Nutznießer der Krise, weil Unternehmen Bereiche outsourcen, sich auf Kernkompetenzen oder Teile davon konzentrieren?
So sehe ich das momentan nicht.
Zurzeit werden in Unternehmen aufgrund des Auftragsrückgangs Kosten durchforstet. Aufgrund der steilen Flanken der konjunkturellen Entwicklung, sowohl in der Abwärts- als auch in der Aufwärtsbewegung, wird das Thema Flexibilität jedoch weiter an Bedeutung gewinnen.
Das kann Wasser auf die Mühlen der Dienstleister bedeuten.
R. SCHULZE
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