„Wer zu uns kommt, riecht förmlich, dass die Chemie stimmt“
VDI nachrichten, Limbach-Oberfrohna, 11. 5. 07, ps – Mit ehrgeizigen Plänen für eine Firma für Montage- und Prüftechnik-Anlagen klapperte vor Jahren ein sächsischer Ingenieur die Banken ab. Vergeblich. Stets scheiterte er an dem, was er seine „ostdeutsche Armut“ nennt. Nur der schwäbische Unternehmer Karl Utz, den er zufällig kennenlernte, half. Zunächst finanziell, dann mit Aufträgen. Heute hat die Firma 230 Mitarbeiter und Kunden in aller Welt.
Walther: Sondermaschinen sind in der Regel Unikate. Das bedeutet schon eine besondere Herausforderung. Aber darin liegt auch ein Reiz. Ich habe seit meinem Maschinenbaustudium nie etwas anderes gemacht, als Montage-, Handhabungs- und Prüftechnik zu konstruieren und zu bauen.
VDI nachrichten: In welchen Branchen?
Walther: Heute vor allem in der Automobilindustrie und deren Zulieferern sowie der Elektronik und Elektrotechnik, aber auch in der Hausgerätetechnik, der Photovoltaik und im Textilmaschinenbau. Wo unsere Kunden einen Problemfall haben, bei klassischen Montageprozessen, beim Handling, bei Verkettungen oder auch bei Prüfungen, werden wir aktiv. Und nur selten hat man das Glück, eine Anlage entwickeln zu können, die man zuvor schon einmal für einen anderen Hersteller konstruiert und gefertigt hat.
VDI nachrichten: Einzel- und Sonderanfertigungen sind aufwändig. Fallen Ihre Honorare entsprechend hoch aus?
Walther: Im Gegenteil, die größte Herausforderung für uns besteht meist nicht in der technischen Umsetzung, sondern darin, im verfügbaren Budgetrahmen zu bleiben. Der Kostendruck ist überall groß. Der Kunde ist fast nie bereit, für eine wirklich exzellente Leistung, mehr zu zahlen als für schlechtere Lösungen.
VDI nachrichten: Empfinden Sie das als Geringschätzung Ihrer Arbeit?
Walther: Ja, das kann man so stehen lassen! Als Automatisierungstechniker haben wir wenig Verständnis dafür, dass Finalproduzenten sehr viel Geld für die Produktentwicklung ausgeben, bei Produktionstechnik aber spürbar kneifen. Bei Automobilbauern wird das besonders deutlich. Die Ingenieure in der innovativen Fahrzeugentwicklung – auch sie sind oft externe Subunternehmer – können recht gute Preise generieren. Wir dagegen werden ausgedrückt wie eine Zitrone.
VDI nachrichten: Gibt es andere Branchen, in denen Sie sich wohler fühlen?
Walther: Die Photovoltaik ist im Moment ein Eldorado für die Automatisierung. Wer hier richtig gute Lösungen zum Termin bereitstellt, kann schon bessere Preise erzielen. Auch die Konkurrenz ist noch nicht so stark.
VDI nachrichten: Sie zahlen noch Ostlöhne – ein großer Wettbewerbsvorteil?
Walther: Offen gestanden, muss man jeden Vorteil nutzen. Aber wir zahlen keine Dumpinglöhne, sondern ortsübliche. Das sieht man daran, dass die Fluktuation bei uns annähernd Null ist. Doch die Löhne sind nicht unser größter Vorteil, sondern es sind die Mitarbeiter selbst. Das merken auch die Kunden. Viele sagen mir, wenn man zu uns ins Haus kommt, rieche man förmlich, dass die Chemie stimmt. Dass die Leute noch heiß sind, noch wirklich wollen, hoch engagiert und flexibel sind. Wir haben Mitarbeiter, die deutlich sagen, das Lob von einem renommierten Kunden wiege für sie schwerer als ein Euro mehr. Und wer solch einen Eindruck von USK mitnimmt, kommt gern wieder.
VDI nachrichten: Kann man nicht auch im exklusiven Sondermaschinenbau bestimmte Module oder Baugruppen immer wieder nutzen, statt stets bei Null anzufangen?
Walther: Ja, das tun wir auch. Bereits 1999 entwickelten wir eine erste Art Grundbaukasten, auf den wir bei vielen Aufträgen zurückgreifen konnten. Wir nannten ihn System 21. Es hat sich gut bewährt, wir konnten es mehrfach einsetzen und damit auch bei bestimmten Produkten preislich deutlich besser mitgehen. Nun haben wir schon die zweite Baukastengeneration, ein Modulares Montagesystem, kurz: MoMoSys. Andere Wettbewerber gehen übrigens auch diesen Weg.
VDI nachrichten: Lassen sich solche Baukästen branchenübergreifend nutzen?
Walther: Durchaus, auch wenn dem von den Abmessungen und Gewichten her zuweilen Grenzen gesetzt sind. Ein Pkw ist halt kein Handy. Abhängig ist der Einsatz aber auch von speziellen Kundenwünschen.
VDI nachrichten: Inwiefern?
Walther: Ginge es nach uns, könnten wir MoMoSys bei etwa 60 % aller Projekte einsetzen. Doch es gibt Kunden, die dies ablehnen, selbst wenn es technisch machbar wäre. Sie haben einfach eine andere Denkweise. Manche bestehen auch auf einer bestimmten Exklusivität oder auch Uniformität. Das muss man akzeptieren. So verwenden wir das Modulsystem nur in etwa 40 % aller Fälle.
VDI nachrichten: Sie planen, projektieren, konstruieren, fertigen, sie entwickeln selbst die Software und besorgen auch Montage und Inbetriebnahme. Überhebt man sich da nicht als Mittelständler?
Walther: Nein, es war von Beginn an mein Ziel, alle Kernkompetenzen eines Sondermaschinenbauers im eigenen Haus abzubilden. Dass das richtig war, hat sich nach 17 Jahren mehr als bestätigt. Ich sehe es als einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil. Lediglich bei der Teilefertigung kooperieren wir heute häufig mit Firmen der Region. Wir haben im Erzgebirge viele kleine Metallhandwerksbetriebe, wo der Chef noch an der Maschine steht und kostengünstig fräsen kann.
VDI nachrichten: In der Automobilindustrie, aber auch in anderen Branchen kommen immer schneller neue Produkte auf den Markt. Zieht dies nicht eine gewaltige Nachfrage nach Automatisierungstechnik nach sich?
Walther: Jein. Denn dieser schnelle Produktwechsel hat eine Kehrseite: Die Hersteller müssen auch darüber nachdenken, wie hoch sie das Investment fahren, damit es sich noch amortisiert So kommen nun hybride Montagesysteme in Mode. Es wird nicht auf Biegen und Brechen komplex automatisiert, sondern wir erleben Kombinationen aus Automatisierungs- und Handlösungen. Der Mensch spielt wieder eine Rolle, und das nicht nur im Billiglohnland, auch in Westeuropa. Denn so kann man bestimmte Produktionsprozesse schnell nachautomatisieren, anpassen, ersetzen. In Low-Cost-Ländern, wo die Arbeitskraft viel billiger ist als eine Automatisierung, gibt es sogar Ansätze zur Re-Automatisierung.
VDI nachrichten: Wie hoch ist Ihr Exportanteil?
Walther: Das ist nicht leicht zu sagen, da es große Konzerne gibt, die zwar im Ausland produzieren, aber zentral in Deutschland beschaffen. Aufträge für global tätige deutsche Unternehmen sind eigentlich kein Export, auch wenn die Maschine dann in China steht. Und jener indirekte Export liegt schon lange deutlich über 50 %.
VDI nachrichten: Mittlerweile gehen Sie aber auch direkt ins Ausland…
Walther: Ja, aber das war ein Lernprozess. Anfangs dachte ich, für die kleine USK sind Exportaktivitäten zu groß. Aber in der globalisierten Welt muss sich auch ein Mittelständler diesen Märkten stellen. Heute haben wir drei große Zielgebiete: Nordamerika mit Mexiko, Osteuropa sowie Asien mit Schwerpunkt China.
Wir nahmen zum Beispiel einiges Geld in die Hand, um in China vor Ort zu recherchieren. Heute führen wir in den USA eine eigene Dependance für Service und Support. Osteuropa machen wir von hier aus, stehen aber Kooperationen für die örtlichen Märkte aufgeschlossen gegenüber. Und in Asien tut sich besonders viel. So produzierten wir hier schon 2006 zwei Maschinen mit chinesischem Personal, wenn auch noch mit deutschem Engineering. Und wir werden diese Produktionsstätte weiter ausbauen.
VDI nachrichten: Sie springen noch gerade rechtzeitig auf den fahrenden Zug?
Walther: Das kann man so sehen. Die Signale hierfür haben wir gestellt. Nun wollen wir – wenn schon nicht auf der Lokomotive – so im zweiten oder dritten Wagen mitrollen. Doch in zwei Märkten peilen wir schon den Leitstand an: Indien und Russland. In Indien haben wir ja gerade einen richtigen Hauptgewinn gezogen…
VDI nachrichten: …in welcher Tombola?
Walther: Sehen Sie, wir haben in Ostdeutschland eine Reihe Cluster, Netzwerke und Kompetenzzentren geschaffen, mit denen wir die Aktivitäten von Maschinenbauern und Automobilzulieferern verknüpfen. Hierzu gehört auch Vemas, die Verbundinitiative Maschinenbau Sachsen in Chemnitz. Sie war unser Türöffner nach Indien. Denn auf ihre Einladung besuchten uns indische Unternehmer.
Danach verging kein Jahr, und wir hatten den ersten Auftrag über 1,5 Mio. € in der Tasche. Er geht ins südindische Coimbatore, zum weltweit zweitgrößten Textilmaschinenhersteller Lakshmi Machine Work. Die USK-Anlage, die wir im August liefern, montiert in einer Taktzeit von 6,5 sec Anpress- und Umlenkrollensysteme für Spinnereimaschinen. Es freut mich übrigens, dass unser Debüt in Indien nicht in der Automobilindustrie erfolgt.
VDI nachrichten: Weshalb? Wollen Sie dem Preisdruck ausweichen?
Walther: Andere Branchen sind fraglos lukrativer. Wir haben im indischen Bangalore eine Messe besucht. Da waren alle indischen Unternehmen da, die einen großen Bedarf in Vorfertigungsbereichen haben, etwa Hersteller von Werkzeugmaschinen, Werkzeugen, Bohrmaschinen. All das ist dort jetzt gefragt – und wir sind ganz vorn mit dabei.
VDI nachrichten: Wie sichern Sie sich guten Ingenieurnachwuchs?
Walther: Um ehrlich zu sein: Wir leiden an akutem Ingenieurmangel. Zwar bilden wir gute Leute an der TU Chemnitz aus, aber ich kann sie nicht zwingen, in der Region zu bleiben. Teils gehen wir nun schon sehr langfristige Wege: Wir bieten Abiturienten, die Maschinenbau studieren wollen, über das gesamte Studium ein Stipendium an, wenn sie anschließend wenigstens drei Jahre bei uns in der Konstruktion arbeiten. Das ist uns schon etwas Wert!
Zur Person
Frank Walther
ist Chemnitzer von Geburt und Geblüt. In Sachsens Südwestmetropole, die damals Karl-Marx-Stadt hieß, machte er das Abitur, studierte an der TU Chemnitz Maschinenbau mit Spezialisierung Konstruktion von Werkzeugmaschinen, schrieb hierüber auch seine Diplomarbeit und arbeitete dann in jenem Metier in einem Rationalisierungsmittelbetrieb. Sein gesamtes Berufsleben ist mit dem Bau von Sondermaschinen verbunden. Seit Gründung der Firma USK ist er ihr Geschäftsführer, mittlerweile auch einer der drei Gesellschafter. In seiner Freizeit spielt er zusammen mit Gattin Roswitha sowie der jüngeren seiner beiden erwachsenen Töchter leidenschaftlich gern Golf. Privat lebt er in Chemnitz. lac
USK: Schwäbisch-sächsische Verbindung
- Die Firma wurde im Oktober 1990 durch den Schwaben Karl Utz und den Sachsen Frank Walther gegründet. Der eine brachte unternehmerische Erfahrung und Geld ein, der andere Konzept und Unternehmungslust. Firmensitz ist Limbach-Oberfrohna bei Chemnitz.
- USK gehört zur UTZ Gruppe in Korb, die fünf Sondermaschinenbau-Unternehmen vereint, agiert aber weitgehend selbstständig.
- Bis Ende 1993 waren die Sachsen vor allem verlängerte „Werkbank“, seither akquirieren sie sämtliche Aufträge selbst. Das Firmenprofil umfasst die Projektierung, Konstruktion und Fertigung von Sondermaschinen und Industrieanlagen der Montage-, Handhabungs- und Prüftechnik, vor allem für die Branchen Automobil, Elektronik und Elektrotechnik.
- Die Firma wächst kontinuierlich. Sie hat heute 230 – weitgehend selbst ausgebildete – Mitarbeiter und erlöst durchschnittlich 55 Mio. € im Jahr. Das Gros der Anlagen geht ins Ausland. lac
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