Wasserstrahl schneidet gut ab in der Mikroproduktion
Wasserstrahlschneiden bietet attraktive Bearbeitungsvorteile etwa bei hochlegierten oder temperaturempfindlichen Werkstoffen. Für viele Einsatzfälle reichte jedoch die Genauigkeit der Systeme bislang nicht aus. Mit einem neuen Präzisionsschneidkopf sind jetzt Genauigkeiten von ± 5 µm möglich. Dies eröffnet neue Fertigungsperspektiven speziell in Feinmechanik und Medizintechnik.
Doch beim Fertigen dieser Spitzenprodukte stoßen herkömmliche Produktionsverfahren oft an ihre Grenzen. „Viele hochwertige Werkstoffe reagieren empfindlich auf die Hitzeeinwirkung thermischer Verfahren wie der Laserbearbeitung. Auch andere Methoden wie Mikrofräsen oder Stanzen bieten bezüglich der Machbarkeit oder Produktivität häufig nicht die optimale Lösung“, betonte der Firmenchef. So gebe es zwar miniaturisierte Fräser, doch seien den Zerspanungsleistungen hier enge Grenzen gesetzt. Außerdem könnte sich das Restmaterial beim Freischneiden von Aussparungen verklemmen.
„Vom Prinzip eignet sich das Wasserstrahlschneiden für viele derartige Anwendungsfälle geradezu ideal“, ergänzte Maurer, der vor fast 20 Jahren ein Spezialunternehmen für Dienstleistungen im Bereich des Wasserstrahlschneidens gründete.
So tritt beim Schneiden mit dem „kalten“ Wasserstrahl praktisch keine Erwärmung auf. Die Nachteile thermischer Verfahren – Verfärbungen oder Gefügeumwandlungen mit der Folge von Aufhärtungen und Rissbildung – werden daher vermieden. Auch kommt es nicht zur Bildung von Schmelzgraten, die hinterher in einem zusätzlichen Prozessschritt entfernt werden müssen.
Allerdings: Das „Werkzeug“ Wasserstrahl ist nicht ideal rund, zudem verändert es sich durch Düsenverschleiß und verformt sich im Schnittspalt. In der Praxis liegt die erreichbare Genauigkeit daher bei etwa ± 0,1 mm – 0,2 mm. Für feinmechanische Komponenten reicht das in der Regel nicht aus. Weitere Defizite ergeben sich, wenn es um die Wiederholgenauigkeit der Positionierung des Arbeitskopfs geht und beim präzisen Ausrichten bereits mit anderen Verfahren bearbeiteter Werkstücke.
„Allzu oft konnte ich deshalb die Wünsche meiner Kunden, zu denen viele Hersteller hochwertiger Präzisionsprodukte gehören, nicht erfüllen“, erinnerte sich Maurer. Deshalb entschloss er sich, selbst eine neue, hochpräzise Wasserstrahlschneidtechnologie zu entwickeln.
Als Ideenquelle diente ihm ein Ordner mit bisher unerfüllbaren Kundenanfragen. Ziel war eine Steigerung der Genauigkeit um den Faktor 10. Zusammen mit einem Hochschulinstitut wurden im Rahmen eines zweijährigen Forschungsprojekts alle wesentlichen Komponenten wie Druckerzeugung, Ventil, Leitungssystem, Schneidkopf und Abrasivsystem untersucht. Auf dieser Grundlage wurde ein Mikro-Präzisionsschneidkopf mit einem Strahldurchmesser von lediglich 200 µm entwickelt, dessen Schneidstrahlgeometrie maximale Abweichungen von nur noch ± 3 µm aufweist.
Weitere Besonderheit ist ein Steuerungsalgorithmus, der auf einer mathematischen Modellierung der Vorgänge im Schnittspalt beruht und verschleißbedingte Geometrieabweichungen des Schneidstrahls ebenso berücksichtigt wie Materialparameter. Auch die übrige Maschine ist mit Achsgenauigkeiten von 0,5 µm, einer präzisen Werkstückfixierung über Spannrahmen sowie einem hochwertigen Temperaturmanagement entsprechend abgestimmt. Nach umfassender Erprobung und Optimierung lässt sich laut Micromachining eine Lagetoleranz der Schnittkante von ± 5 µm prozesssicher einhalten.
„Für viele unserer Kunden eröffneten sich durch diese Bearbeitungstechnologie ganz neue Möglichkeiten“, ergänzte der Firmenchef. Ganz vorne stände naturgemäß die Werkstofffrage: „Konstrukteure müssen keine Kompromisse wegen Empfindlichkeiten gegenüber thermischen Einwirkungen mehr eingehen.“
Zusätzliche Vorteile ergäben sich durch die genaue Positionierung der Schnitte in Bezug auf vorgegebene Referenzpunkte. Dies ermögliche die Einbindung in Gesamtprozessketten, beispielsweise das Herausschneiden von Restmaterial aus Uhrenplatinen, die bereits mit Rubinen bestückt wurden. In einem anderen Bearbeitungsfall werden Grundplatten für Fahrradschaltungen erst dann aus der Platine geschnitten, nachdem diese bereits mit den entsprechenden Gewindebohrungen versehen wurde.
„Ein weiteres Beispiel sind Aussparungen, die nachträglich in die metallkeramischen Trägerplatten für elektronische Schaltungen eingebracht werden müssen“, ergänzte Maurer. Besonders wichtig hierbei seien Spannrahmen, mit deren Hilfe die Werkstücke auf wenige µm genau positioniert werden können.
Zu den vielversprechenden Einsatzgebieten gehört für den Fertigungsexperten auch die Herstellung von Prototypen, etwa für Umformprozesse: „Gerade bei exotischeren Werkstoffen ist das Umformverhalten im Computer oft nicht mit ausreichender Sicherheit vorherzuberechnen.“ Vor der Herstellung komplexer Folgeverbundwerkzeuge für Stanz- und Umformteile benötige man daher oft eine begrenzte Zahl von Prototypen. Hier sei das neue Verfahren oft wirtschaftlicher als das Fräsen „aus dem Vollen“.
„Um dabei den optimalen Nutzen herauszuholen, ist es vielfach sinnvoll, mit unseren Kunden schon bei der Produktkonzeption zusammenzuarbeiten“, betonte Maurer. Hierzu gehöre Beratung durch qualifizierte Mitarbeiter ebenso wie die Durchführung praktischer Versuche. Dafür verfüge man über ein eigenes Technikum, in dem eine der insgesamt vier derzeit verfügbaren Anlagen stehe. Ziel sei dabei die optimale Verfahrenskombination, um das vom Kunden gewünschte Teil zu günstigsten Kosten hinzubekommen. KLAUS VOLLRATH/KIP
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