Viel Mathe, viel büffeln und viele Partys
VDI nachrichten, Aachen, 4. 11. 05 – Wer permanent an sich zweifelt und das Einzelkämpfertum dem Team vorzieht, hat beim aufwändigen Maschinenbaustudium schlechte Karten, sagt Philipp Görtz. Der Student der RWTH Aachen muss es nach neun Semestern wissen.
Philipp Görtz ist ein völlig normaler Maschinenbaustudent. Kein Überflieger, keiner, der am unteren Ende der Leistungsskala rangiert und keiner, dessen Gedankenwelt einzig um Mechanik, Strömungslehre und Messtechnik kreist. Vielleicht ist der 25-Jährige gerade deshalb bestens geeignet, Studierwilligen einige brauchbare Tipps mit auf den Weg zu geben.
Dass er sich bereits als Schüler in Waldniel, nahe der niederländischen Grenze, zum Maschinenbaustudium berufen gefühlt hätte, kann Görtz nicht gerade behaupten. Im Gegenteil: „Mein Vater ist Maschinenbauingenieur. Ich wollte zunächst nicht den selben, sondern einen eigenen beruflichen Weg gehen.“ Dass schließlich doch alles anders kam, lag an Technikneigungen, die erst wachgekitzelt werden mussten.
Ein Informationstag an der Rheinisch-Westfälisch Technischen Hochschule (RWTH) Aachen stellte den Zweifelnden vor die Wahl: Elektrotechnik oder Maschinenbau? „Warum ich mich damals für den Maschinenbau entschied, kann ich heute nicht mehr mit Gewissheit sagen. Vermutlich hat mich der handfestere Bereich mehr angesprochen, die Auseinandersetzung mit Werkstoffen und Mechanik.“
Statt Antriebswellen und Zylindern sah sich Görtz an der RWTH aber zunächst Zahlen und Formeln gegenüber. Theorie pauken war angesagt. „Da wurde nicht lange diskutiert, da ging es knallhart zur Sache. Bei uns in der Schule war die fünfte Mathe-Aufgabe diejenige, mit der die Einserkandidaten getestet wurden. Hier fängt man mit der fünften Aufgabe an.“
Für diese Art des theorielastigen Hardcore-Einstiegs hat Görtz mit Blick aus dem neunten Semester größtes Verständnis: „Mit Mathematik legt man nun einmal die Grundlage.“ Mit bewusstem Aussieben in den ersten Semestern, wie es Kritiker der RWTH Aachen vorwerfen, habe diese Vorgehensweise nichts zu tun. „Der Anspruch unserer Universität ist nun mal ein hoher. Daran muss man sich nicht nur als Dozent, sondern auch als Student messen lassen. Außerdem kann man doch an einer großen Universität wie der Aachener nicht mit knapp 700 Studenten im Grundstudium ins Werkzeuglabor gehen. Das bringt nichts.“
Praxiserfahrung sammelten die Studenten vor allem in den Praktika, die im Grundstudium handwerkliche Techniken wie Fräsen und Drehen vorsehen. Von der Pike auf lernen also. „Das sind wichtige Erfahrungen, die keiner unterschätzen und für die sich keiner zu schade sein sollte.“
War der Umstieg vom Gymnasium auf die Hochschule auch mit einem Bildungsschock verbunden, den es zu verdauen galt, nahm sich Görtz dennoch die Zeit, andere studienrelevante Inhalte nicht zu vernachlässigen. Kontakte knüpfen zum Beispiel. Auf Partys war dann nicht nur der seltsame „Prof“ und die letzte Klausur ein Thema, sondern auch die geliebte Mönchengladbacher Borussia und andere Themen mit weniger karriereträchtigem Tiefgang. „Wer über dem Studium den Spaß vergisst, vergeudet vielleicht die schönste Zeit des Lebens. Nebenbei lernt man immer wieder neue Kommilitonen kennen.“ Einzelgänger hätten schlechte Karten. „Es ist verdammt wichtig, ein Team zu bilden. Es gibt immer wieder Vorlesungen und Übungen, die man nicht besucht hat. Da helfen dann die anderen aus und informieren einen.“
Zudem lassen sich im Team Niederlagen besser verkraften. „Ich habe mehrmals im Semester Tiefs gehabt und bin auch schon durch Prüfungen gerasselt. Bei dem Gedanken, der letzten Prüfungsmöglichkeit einen Schritt näher zu sein, liegen die Nerven schon mal blank. Dann schwirrt einem durch den Kopf: ,Das schaffe ich nie.“ Ich war auch schon auf den Internetseiten von Fachhochschulen, um für den Fall der Fälle eine Alternative auszuloten.“
Nicht locker lassen, nicht nachgeben, sagte sich Görtz. „Leute, die dauernd zweifeln und schon in der Schule einen hohen Arbeitsaufwand hatten, um letztlich mit Mühe und Not zu bestehen, werden es im Maschinenbaustudium sehr schwer haben.“ Mit viel Fleiß zur richtigen Zeit, Standhaftigkeit, der Hilfe von Freunden und Eltern sowie mit ein bisschen Glück umschiffte der Waldnieler die ersten Hürden. „Die heftigsten Fächer im Hauptstudium wie Mess- und Regelungstechnik sowie Strömungslehre habe ich hinter mir.“ Als sinnvoll stellten sich im Vordiplom externe Veranstaltungen zur Klausurvorbereitung heraus, etwa in Thermodynamik, dem Fach, bei dem viele erschaudern. „Die Vorbereitung bringt nicht nur fachlich etwas, es gibt einem auch das Gefühl, alles Menschenmögliche unternommen und nichts unterlassen zu haben.“
Jetzt liegen noch gut zwei Studienjahre vor Philipp Görtz. „Ich werde mich bald um eine Hiwi-Stelle bemühen. Die werden an der RWTH reichlich angeboten. Vielleicht klappt es ja mit einer Anstellung in meinem Stamminstitut, dem Werkzeugmaschinenlabor.“ Als technische Fachkraft fühlt er sich exzellent ausgebildet, in nichttechnischen Bereichen gebe es Nachholbedarf. Mit dem Wahlfach „Kostenmanagement in Produktionsbetrieben“ glaubt der 1,95 m-Hüne, sich für ein betriebswirtschaftlich orientiertes Fach entschieden zu haben, das dennoch Bezug zum Maschinenbau hat.
Und bevor sich Görtz ins Berufsleben aufmacht, soll Auslandserfahrung gesammelt werden. „Am liebsten in ein englischsprachiges Land, die USA oder Australien.“ Dann heißt es Abschied nehmen von Waldniel, Mönchengladbach und der RWTH Aachen. WOLFGANG SCHMITZ
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