Video checkt die ferne Fabrik
Dank moderner Kompressionsverfahren für die Videodaten reicht ein GSM-Mobilfunknetz anstelle der sonst notwendigen Breitbandverbindung.
Besonders eigne sich VSS für Industrieanlagen in entlegenen Gegenden – von Rohstoffförderanlagen über Trafostationen bis hin zu Bergbau- und Ölbohranlagen auf hoher See. „Wenn eine Bohrplattform eine Stunde lang abgeschaltet werden muss, kann das für die Ölfirmen leicht Verluste von mehr als 100 000 Dollar bedeuten“, so Albrecht Goecke, Marketingexperte bei Siemens. Zudem befänden sich solche Betriebe oft in Gegenden, wo nur ein GSM-Mobilfunknetz zur Verfügung stehe. VSS funktioniere gerade auch dort mit der niedrigen Standarddatenrate von 9,6 kbit/s ohne die sonst notwendige Breitbandverbindung.
Aber selbst wenn eine leistungsstärkere Infrastruktur wie GPRS oder UMTS vorhanden ist, kann der Hilfesuchende nie sicher sein, welche Datenrate er über welchen Zeitraum tatsächlich nutzen kann, da die Bandbreite von der aktuellen Zahl der Netzteilnehmer abhängt. VSS komprimiert die Videodaten so, dass sie mit fünf Bildern/s über einen GSM-Kanal übertragen werden können. Das ist schnell genug, um bewegte Bilder zu erzeugen.
VSS beruht auf dem – von Siemens mitentwickelten – Videokompressionsstandard MPEG-4 AVC (Advanced Video Coding), der auch als H.264 bekannt ist, sowie einem zugehörigen Video-Codec. „Um eine Videoübertragung mit nur 9,6 kbit/s zu erreichen, eliminieren wir alle Redundanzen zwischen den Einzelbildern. Wir tun dies mithilfe eines schnellen und effizienten Algorithmus zur Abschätzung von Bewegungen“, erklärte Norbert Oertel, der die Entwicklung des Codec bei Siemens leitete.
VSS wurde von Siemens aber auch für Umbauten der Produktionsanlagen konzipiert: Viele Maschinenparks müssen nach einer gewissen Betriebszeit umgebaut werden. Doch nach etlichen Jahren sieht eine Fabrikhalle oftmals anders aus als auf den Plänen zu Produktionsbeginn: Kabel wurden neu verlegt oder Maschinen umgestellt. Für die Planer eines Umbaus ist es deshalb immer aufwändig, sich ohne Videounterstützung erneut einen Überblick zu verschaffen. Auch technische Zeichnungen vor Ort können dabei eingescannt werden.
„Dank VSS lassen sich von einem Experten gleichzeitig bis zu drei Baustellen rund um die Erde betreuen“, schätzte Häberlein, was gerade im Öl- und Gassektor mit seinen abgelegenen Anlagen wichtig ist. VSS löst nach Häberleins Einschätzung aber auch das Problem einer oft vorhandenen psychologischen Hemmschwelle: Servicekräfte in der Zentrale trauen sich zuweilen nicht, den Fachleuten vor Ort scheinbar banale Fragen zu stellen. Da ist schon mal ein versehentlich gezogener Stecker eine einfache Fehlerursache, was mit VSS aus der Ferne auf einen Blick erkennbar wäre.
Per Video Einblick in die Fabrik zu nehmen, das ermöglichen auch Systeme anderer Anbieter, wie Festo aus Esslingen mit seinem Tool für Diagnose und Condition Monitoring. Das Gesamtpaket, das Sensorik, Ventilinseln, Visualisierung, Front-End-Controller und Dienstleistungen umfasst, beinhaltet auch das kompakte Kamerasystem SBOX-M, mit dem Vorgänge an der Maschine überwacht werden können. Mit einer Abtastrate von 185 bis 2000 Bilder/s lassen sich nach Angaben von Festo mit dem Kamerasystem einzelne oder periodisch schnelle Bewegungsabläufe genau analysieren und optimal einstellen. Treten beispielsweise schon während der Inbetriebnahme einer Maschine Fehler bzw. Probleme auf, hilft die Kamera, die Ursache schneller zu ermitteln oder Störungen vornherein zu vermeiden.
Auch Rittal aus Herborn präsentiert eine Augmented-Reality-Lösung: Das videogestützte System soll Anlagenentwicklern speziell die Auswahl der zur Maschine passenden Mensch-Maschine-Schnittstelle (HMI) erleichtern. Auf einem Comfort Panel wird die betreffende Anlage dazu in 3-D dargestellt und über eine Livekamera gleichzeitig der Bediener der Maschine eingeblendet. E. LANGE/KIP
Viele Servicereisen könnten bald überflüssig werden
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