US-Regierung pusht Nanotechnologie
Massiv fördert die US-Regierung Grundlagenforschung in strategischen Technologien.
Nanotech, Nano-Science oder, wichtiger für das darbende Silicon Valley, Nanoelektronik – unter diesen Schlagworten fließen derzeit in den USA immense Fördermittel. Keine Millionen, Milliarden. Da wird geklotzt, nicht gekleckert. Und wie bei früheren Hightech-Revolutionen – Halbleiter, Raumfahrt, Internet – kommt der Segen von ganz oben, aus der Regierungsschatulle von Washington.
Denn Nanotech ist vorerst und vor allem Forschung. Also eine Sache großer Firmen und Institutionen. Obwohl sich auch erste Start-ups im VC-Modell an die Frühlingsluft der nächsten Hightech-Phase wagen. Der bewährte Mix: Grundlagenforschung, Projektförderung, Partnerschaften zwischen Staat und Wirtschaft – alles beflügelt und dringlich untermauert vom gegenwärtigen Krieg gegen den weltweiten Terror. Wenn man so will, in Amerika, wie bei der Sputnik-Krise 1957, die ideale Startbedingung. Und neue Hoffnung für das rezessionäre Silicon Valley.
Folgt man nämlich den letzten Frontberichten, dann sieht es hier jetzt aus wie in Downtown Detroit: leblose Fensterhöhlen, leer gefegte Parkplätze und an jeder Ecke ein verzweifeltes, plakatwandgroßes Schild: „Zu Vermieten“. Ganz so schlimm ist es zwar nicht – trotz des Exodus des Venture-Kapitals in die Private-Equity-Fonds, ohne Aussicht auf lukrative Börsengänge als schnelle Exit-Strategie für Dotcom-Start-ups und trotz massiver Jobverluste von mehr als 100 000 seit Anfang 2001, dem offiziellen Beginn der IT-, PC- und Chiprezession, die auch im laufenden Jahr kein Ende nehmen will.
Die „Innovation“ an ihrem Geburtsort ist noch nicht am Ende. Aber der klassische Technologie-Cluster Silicon Valley wird sich, wenn er (2003?, 2004?) durch seine nächste zyklische Aufschwungphase geht (daran zweifelt dort niemand), inmitten etlicher neuer „Valleys“ wiederfinden: im asiatisch-pazifischen Raum, in Japan, China, Europa. Und, näher dran, im Hudson Valley, upstate New York, dem Nanotech-Zentrum der Universität von Albany. „Das Silicon Valley wird nie mehr sein, was es war“, sieht Oracle-Gründer Larry Ellison, einer seiner umtriebigen Propheten, düster voraus. Klingt ein bisschen wie Ruhrgebiet und Kohlenpott – aber wie wär“s mit „Carbon Valley“?
Carbon 60, Fullerene, Buckyballs, Nanotubes – damit sind wir beim Thema der meist Kohlenstoff-basierten Nanoelektronik und damit beim mittelfristig realisierbaren Aspekt der neuen Hightech-Revolution. Für die wird zurzeit überall in den USA getrommelt und gesammelt: Da ist die „National Nanotechnology Initiative“ (NNI) des Weißen Hauses, noch vom New-Economy-Gespann Clinton-Gore im Jahre 2000 aufgelegt. NNI läuft über drei Jahre. Bislang wurden 1 Mrd. Dollar an Fördermitteln vergeben.
Mitte September hat auch der US-Kongress das Thema Nano zur strategischen Förderung strukturschwacher Regionen erkannt und will für nächstes Jahr eine Erhöhung der Mittel auf 703 Mio. Dollar. Die Gesetzesvorlage des „21st Century Nanotechnology Research and Development Act“ soll die Nano-Förderung regional koordinieren. Und auch ein Forschungszentrum einrichten für die gesellschaftlichen, ethischen, bildungsmäßigen, legalen und arbeitsmarktbezogenen Konsequenzen der Nanotechnologie (deren Effekte z.?B. des „Self-assembly“-Prinzips neuer Materialien auf die Lebenswelt nicht ohne Kontroversen diskutiert werden). Sind die USA wieder mal ein Modell für den Rest der Welt?
Klar. Denn die US-Regierung sieht das alles nicht nur als gezielte Fokussierung öffentlicher Mittel für die nationale industrielle Infrastruktur. Sondern auch als clever vorweggenommene Aufholstrategie. Auf dem „2. Albany Symposium on Global Nanotechnology“ Anfang September war das klipp und klar: Alle Beiträge zeigten die US-Perspektive. Dagegen war die zeitgleiche „2002 International Commercialization of Micro and Nano Systems Conference“ (COMS) in Michigan ein richtig guter alter internationaler Informationsaustausch. Denn auch andere Länder mit hoch entwickelter akademischer und industrieller Forschung fördern die Nanotechnologie – die neben der Nanoelektronik vor allem auch die Chemie, die Materialforschung, die Medizin und die Biologie umfasst und alle in einen radikal innovativen Verwertungszusammenhang bringen will.
Da ist Eile ebenso geboten wie arbeitsteilige Übersicht, und viele internationale Teams arbeiten gemeinsam an den Grundlagen der neuen Technologie. Ein Viertel aller gegenwärtigen Investitionen kommen aus den USA, schätzt Benjamin Wu vom US-Handelsministerium. Die Japaner steuern ein Drittel bei. Und Europa, so Wu, bildet trotz massiver individueller Forschungsprojekte finanziell mal wieder das Schlusslicht, mit einem Fünftel aller Aufwendungen. Immerhin berücksichtigt die EU die Nanotechnologie in ihrem sechsten Rahmenprogramm. Die Bemühungen in Asien und China laufen erst an.
Aufregende Neuigkeiten der Nanoelektronik gibt es beinahe jeden Tag: Intel forciert die Wafer mit gestrecktem Silizium als Anlauf in die Nano-Chips. IBM arbeitet an der maskenlosen IC-Fertigung, mit „self assembly“ mit 10 nm Strukturgröße. Ebenfalls bei IBM ist es gelungen, vernetzte Nanotube-Strukturen auf Siliziumcarbid-Substraten zu züchten: als Vorstufe zu Nano-
tube-Transistoren. Und ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Metallforschung meldete vor drei Tagen das erfolgreiche „Verschweißen“ von einwandigen Nanotubes mit kaum mehr als 1 nm Durchmesser auf der Ebene einzelner Atome zu komplexen Strukturen. Carbon Valley, here we come!
WERNER SCHULZ/jdb
Ein Beitrag von: