Forschung 17.10.2003, 18:27 Uhr

Unterhosen für die Ewigkeit

Von funktionellen Textilien verspricht sich die europäische Textilindustrie ein gutes Geschäft. Manche vermeintliche Sensation entpuppt sich als PR-Gag, doch einige Patente haben es in die Verkaufsregale geschafft. Dort liegen bereits Kleidungsstücke, die gegen unangenehme Gerüche und Schmutz gefeit sein sollen.

Textilien nie mehr waschen? Antibakteriell ausgerüstete Fasern verhindern Gerüche.

Textilien nie mehr waschen? Antibakteriell ausgerüstete Fasern verhindern Gerüche.

Foto: Lexmark

Waschmaschinen hatten viel zu tun in diesem Sommer: Kaum angezogen, war die Kleidung auch schon durchgeschwitzt. Viel Arbeit auch für Bakterien: Die Mikroorganismen zerschneiden die Kettenmoleküle im Schweiß, so dass stinkende Buttersäure entsteht. Dieses Problem wollen einige Textilproduzenten mit antibakteriell ausgerüsteten Fasern in den Griff bekommen haben: „Der Sinn dieser Ausrüstungen besteht darin, das Bakterienwachstum zu hemmen und damit zum Beispiel die Geruchsbildung während starker körperlicher Tätigkeit zu minimieren“, sagt Maximilian Swerev vom Textilforschungsinstitut Hohenstein.
Immer mehr Unternehmen forschen an Textilien, die gegen Bakterien, Schweiß und schlechte Gerüche gefeit sind. Die Industrie preist das gar als Gesundheitsvorsorge: „Steigt der Bakteriengehalt auf der Haut über ein gewisses Maß – etwa bei körperlicher Anstrengung“, argumentiert der Industrieverband Chemiefaser, „können unangenehme Gerüche oder sogar Krankheiten wie Allergien entstehen.“
Der Markt ist unübersichtlich, denn Textilien und ihre Ausrüstungen sind Produkte im Sinne des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes. Für sie gibt es keine Zulassungspflicht. Zwar stehen auf vielen Wäscheverpackungen Formulierungen wie „keine Geruchsbildung“ oder „geruchsneutralisierend“. Doch selten ist klar, was sich dahinter verbirgt: So stattet die Schweizer Firma Schöller Teile ihrer Kollektion antibakteriell mit „Freshplus“ aus.
Welcher Wirkstoff dabei zum Einsatz kommt, will Dagmar Signer von Schöller auf Nachfrage nicht verraten. Andere Hersteller machen daraus keinen Hehl: Die Amicor-Faser einer englischen Firma enthält die Organochlorverbindung Triclosan. In Deutschland wird die antimikrobielle Faser vor allem in Bettwäsche, Matratzen und Socken eingesetzt.
Armin Schuster vom Institut für Krankenhaushygiene und Umweltmedizin am Universitätsklinikum Freiburg hält das für fragwürdig: „Es gibt Allergien und sogar Resistenzen gegen Triclosan. Es kann also passieren, dass Keime sowohl gegen Triclosan resistent werden als auch gegen Antibiotika.“ Der Wirkstoff habe in Textilien nichts zu suchen.
Um sich solcher Kritik zu entziehen, verzichten andere Hersteller auf Chemikalien und setzen statt dessen auf die keimtötende Wirkung von Silber. Auch Silberionen hemmen das Bakterienwachstum. Die italienische Firma Nylstar webt feine Silberfäden in Polyamid ein und nennt das Produkt „Meryl Skinlife“. Verwendet wird es zum Beispiel von Kunert oder in der neuen Wäschekollektion von Calida. Die Trevira GmbH hat eine Polyesterfaser namens „Bioactive“ mit Silberanteil auf den Markt gebracht.
Die Petermann Hemdenfabrik in Großostheim verwendet den Stoff für Berufskleidung, etwa für Mitarbeiter der Deutschen Bahn und großer technischer Kaufhäuser. Die Wirksamkeit der Silberfasern gegen Bakterienwachstum auf Textilien hat das Hohenstein-Institut in Laborversuchen bestätigt.
Doch an der Aussagekraft der Versuche zweifelt Armin Schuster: „Diese Tests erlauben keine Rückschlüsse auf die Wirklichkeit. Da wird ein Textil nass gehalten, 18 Stunden lang im Brutschrank bei 36 °C bebrütet und anschließend die Bakterien gezählt. Rückschlüsse auf Praxiswirkungen sind unmöglich.“
Würde man im Umkehrschluss annehmen, dass die Silbertextilien tatsächlich wirksam wären, dann würden diese auch auf die nützliche Hautflora einwirken. Die Hersteller versichern jedoch, die natürliche Flora der Haut bleibe intakt und verweisen auf Tierversuche sowie Zytotoxizitätstests an Zellkulturen. Deren Aussagekraft bezweifelt Schuster. Gewissheit könnten nur langfristige Trageversuche am Menschen mit begleitender Untersuchung der Hautflora schaffen.
In Sachen Langzeit-Trageversuche sind die Franzosen schon weiter. So hat der Textilfabrikant Francital Unterwäsche entwickelt, die nicht mehr gewaschen werden muss: Chemikalien in den Fasern neutralisieren Schweiß und Duftstoffe. Den Beweis haben zwei Abenteurer angetreten, die vom Nordpol zur kanadischen Resolute-Bucht gezogen sind. Ein jeder bekam drei Unterhosen mit, die er 30 Tage lang ununterbrochen tragen musste.
In Deutschland findet sich für solche Trage-Marathons bisher kein Sponsor. „Wir versuchen schon lange, so eine Studie zu machen, denn die Frage der Unbedenklichkeit für den Verbraucher ist ein ganz wichtiger Punkt“, sagt Maximilian Swerev vom Hohenstein-Institut.
„Der Verbraucher wird mit Produkten konfrontiert, die nach den Kriterien eines vorsorgenden Verbraucherschutzes nicht hinreichend geprüft sind“, kritisiert Wolfgang Lingk, Abteilungsleiter Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel im Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).
Besonders ärgerlich sei, dass noch nicht mal bekannt ist, welche bakteriziden Ausrüstungen überhaupt auf dem Markt sind. Armin Schuster hält antibakterielle Fasern in Alltagstextilien für unsinnig, da Bakterien in der Kleidung völlig normal seien. „Wenn zu viele Bakterien im Textil sind, heißt das einfach, dass es schmutzig ist. Dann müssen sie es waschen“, sagt Schuster. „Die Hersteller nutzen das als Marketingmasche“, meint der Biologe, „und schüren dafür eine gänzlich unbegründete Angst vor Keimen“.
Um müffelnder Kleidung vorzubeugen, ging man am Deutschen Textilforschungsinstitut (DTNW) in Krefeld einen anderen Weg. „Warum die Mikroorganismen umbringen“, sagt Hans-Jürgen Buschmann vom DTNW, „wenn man sie auch verhungern lassen kann?“ Möglich machen es so genannte Cyclodextrine in den Fasern. Diese ringförmigen Zuckermoleküle haben einen Hohlraum, der Geruchsmoleküle aufnehmen und so von der Nase fern halten kann.
Cyclodextrine werden von Wacker Chemie seit 1990 biotechnologisch hergestellt. Doch erst vor einigen Jahren gelang es Forschern am DTNW, die Ringmoleküle fest in den Fasern zu verankern, so dass sie ihre Wirkung dauerhaft entfalten können. „Das ist wie beim Färben“, erläutert Hans-Jürgen Buschmann, „wir ändern die Cyclodextrine in ihrer chemischen Struktur, so dass sie sich wie ein Farbstoff verhalten“.
Früher oder später sind die Ringe voll, die Aufnahmekapazität erschöpft. Dann muss auch ein Antismell-Hemd in die Waschmaschine. Bei der Wäsche geben die Cyclodextrin-Ringe die Muff-Moleküle ans Wasser ab und sind damit wieder aufnahmebereit.
Die Herforder Firma Bugatti präsentierte bereits vor zwei Jahren einen „Fresh-Concept“-Anzug mit diesem Prinzip. Kürzlich zogen auch große Hersteller bügelfreier Hemden nach: Eterna nennt es „Antismell“, bei Seidensticker spricht man von „Splendesto Fresh“. Die Werbung verspricht, dass auch Essensdunst und Zigarettenrauch neutralisiert werden. Ein Selbstversuch ergab, dass Hemden und Anzug tatsächlich länger frisch riechen. Auch eine Beeinflussung der Haut sei ausgeschlossen, versichert Buschmann. Mit den neuen Hemden lassen sich heiße Tage oder Kettenraucher im Büro eher ertragen.  GÜVEN PURTUL/eb

Hightech-Textilien
Schweißtreibende Klimaanlage
Viele der vermeintlichen Hightech-Textilien, die derzeit aus den Nähfabriken kommen, entpuppen sich bei näherem Hinsehen als PR-Gag. So werden zahlreiche Textilien gegen Elektrosmog angeboten, wie etwa Waveprotect, e-Care, Silvertex, MH Rayline oder SwissShield. Eine Jacke mit Innenfutter aus Waveprotect etwa soll 90 % der Strahlung im Frequenzbereich von 800 MHz bis 3000 MHz abschirmen. Laut Werbeflyer wird diese Wirkung sogar von der renommierten Fachhochschule Aachen bestätigt. Professor Dr. Thomas Mühl vom Fachbereich Elektrotechnik und
Informationstechnik hat Waveprotect tatsächlich getestet, allerdings nur den Stoff in einem absolut geschlossenen System. Ein Endprodukt hat er nie zu Gesicht bekommen. Da Jacken zahlreiche Öffnungen haben, kann er aber keine Wirkung belegen, denn die Strahlung dringt natürlich am Hals, am Bund und an den Ärmeln ein. Realitätsnahe Testverfahren sind noch in der Entwicklung. Hochfrequenztechniker, die an laufenden Sendemasten arbeiten, schützen sich übrigens mit Ganzkörperanzügen ohne Öffnung und sehen aus wie Imker.
So genannte „Phase Change Materials“ (PCM), wie etwa Outlast, sollen
Temperaturunterschiede ausgleichen und so um den Körper ein „Wohlfühlklima“ schaffen. Die Theorie: Wird es draußen kalt, wärmt der Stoff wird es zu heiß, kühlt er. Mit dem Slogan „Der Anzug mit eingebauter Klimaanlage“ bewirbt etwa Benvenuto seine Anzüge mit Outlast. Und die Bettwäsche von Centa Star betreibt angeblich „aktive Temperaturregulierung“. PCM bestehen aus verkapselten Parafinpartikeln, die ihren Aggregatzustand je nach „Energiezufuhr“ zwischen fest und flüssig wechseln. Dabei nehmen sie Wärme auf, speichern sie und geben sie später wieder ab. Der Effekt ist zwar physikalisch messbar aber in einer Studie des Textilforschungsinstitut Hohenheim konnte auf die Träger „kein Effekt nachgewiesen werden.“ Statt dessen scheint die Klimaanlage schweißtreibende Nebenwirkungen zu haben. Zitat: „Offenbar behindern die Mikrokapseln den Wasserdampftransport.“   pur

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