Umweltfreundliche Leiterplatte kommt
Die grüne Welle ereicht nun auch die Hersteller von Leiterplatten, denn europäische Regelungen begrenzen Schadstoffe wie Blei oder Halogene.
Ab 2005 können Verbraucher ihre ausgemusterten, alten Elektrogeräte kostenlos zurückgeben. Finanzieren müssen dies Hersteller und Importeure, die dann auch für die umweltgerechte Entsorgung zuständig sind. Derzeit fallen nach ZVEI-Schätzungen in Deutschland im Durchschnitt rund 1 Mio. t Elektronikschrott pro Jahr an. Einschließlich der Abholung der Geräte bei den Kommunen schätzt der ZVEI die Gesamtkosten für ein bundesweites Entsorgungssystem in der Anfangsphase bei 3 bis 4 Mrd. DM pro Jahr. „Die EU-Kommission geht jedoch von sehr viel niedrigeren Kosten aus, so dass auf unsere Industrie unzumutbare Belastungen zukommen“, so ZVEI-Umweltexperte Otmar Frey.
In erster Lesung wurden dennoch die entsprechenden Entwürfe der Richtlinien über Elektro- und Elektronik-Altgeräte vom Europäischen Parlament und vom EU- Umweltministerrat angenommen. Gegenstand der Richtlinie sind auch ab 2007 Beschränkungen bzw. Verbote in der Verwendung von Inhaltsstoffen wie Blei, Quecksilber, Cadmium, Chrom-6 und einigen Flammschutzmitteln. Auch gegen das von der EU-Kommission vorgeschlagene unspezifische Verbot bestimmter Inhaltsstoffe wendet sich der ZVEI. „Solange Blei zum Beispiel bei Lötverbindungen in Leistungshalbleitern, in Elektrokeramiken, Dickschichtfilmen oder für Hochzuverlässigkeitsverbindungen nicht ersetzt werden kann, darf seine Verwendung nicht generell verboten werden. Auch eine detaillierte Auflistung von Ausnahmen hilft wegen heute noch nicht absehbarer Innovationen, die oftmals auch mit konkreten Umweltvorteilen verbunden sind, nicht weiter“, stellt Frey fest.
Übliches Lötzinn enthält 38 % des starken Umweltgifts Blei. Pro Leiterplatte eines PCs beispielsweise kommen so bis zu 10 g des Schwermetalls zusammen. Selbst bei sachgemäßer Entsorgung gelangen rund 20 % davon in die Umwelt. Bleifreie Alternativen wie Zinn-Zink-Wismut (SnZnBi), Zinn-Silber (SnAg) und Zinn-Kupfer (SnCu) senken nach einer Studie des Berliner Fraunhofer-Institutes für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) die Umweltbelastung von Elektronikschrott deutlich ab.
Seit April 2001 sind in Japan eine Elektronikschrott-Verordnung und eine neue Abfallverordnung in Kraft getreten. Das bedeutet, dass einige japanische Elektronikproduzenten in Zukunft nur noch bleifreie Elektronikprodukte auf den Markt bringen wollen. Dort muss sich jeder Hersteller eigenverantwortlich um die fachgerechte Entsorgung der bleihaltigen Abfälle kümmern, und das Attribut „Bleifrei“ ist letztlich auch ein Werbeargument. So sind Mini-Disc-Player von Panasonic mit Zinn-Silber-Wismut gelötet und NEC setzt bei einigen Notebooks auf Zinn-Zink-Wismut-Verbindungstechnik. In den USA hat der Technologieverband IPC ein Zeichen für die beschleunigte Einführung der Bleifrei-Technologien auch in den USA gesetzt
„In Japan und Nordamerika wird intensiv an der Entwicklung von bleifreien Verbindungstechniken gearbeitet“, beschreibt Hansjörg Griese vom IZM die Situation. Er rät auch deutschen Herstellern, bleifreie Alternativen zu entwickeln. „Denn wer frühzeitig umstellt, kann Wettbewerbsvorteile erzielen oder Nachteile vermeiden.“ Fujitsu-Siemens-Computer plant im ersten Quartal 2002 eine limitierte Auflage eines umweltfreundlichen Mainboards. Neben halogenhaltigen Flammschutzmitteln wie Brom und Chlor wird auch auf Blei verzichtet. Durch eine Prozessumstellung auf Zinn-Silber-Lot sinkt die Bleimenge auf unter 1 g. Das noch enthaltene Blei stammt von bereits fertig verzinnten Bauelementen, die bleifrei nicht erhältlich sind. Geplant ist, ein umweltfreundliches Board auf Basis des Pentium 4 mit DDR-Speicher in die Retailkanäle zu liefern.
Neben den Bleiloten sind halogenierte Flammhemmer ein weiterer ökologischer Schwachpunkt. Leiterplatten enthalten davon zwischen 8 % und 12 %. Doch auch sie lassen sich durch umweltfreundliche Materialien ersetzen. Unternehmen wie Isola, Siemens oder Sony verwenden als Flammschutzmittel in Leiterplatten zum Beispiel Phosphor oder Phosphor-Stickstoff. Noch umweltfreundlicher sind laut IZM Folienleiterplatten auf Polyimid-Basis, denn das Material ist schwer entflammbar (Flammpunkt 250 °C) und selbstverlöschend, so dass keine zusätzlichen Flammhemmer benötigt werden.
Im Verbundprojekt „Entwicklung von thermoplastischen Leiterplatten als Beitrag zur Kreislaufwirtschaft“ sollen neue kostengünstige Leiterplattenmateralien auf der Basis von geschäumten Hochtemperatur-Thermoplasten entwickelt werden. Sie kommen ohne toxische Additive wie Flammschutzmittel aus und können werkstofflich wiederverwertet werden.
ACHIM SCHARF
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