Über den Profit entscheidet die Werkzeugschneide
Die Hersteller von Schneidwerkzeugen müssen sich ständig steigenden Anforderungen stellen. Jetzt antwortet die Branche mit einer Hightech-Offensive auf die Wünsche ihrer Kundschaft.
Dieter Kress gibt sich optimistisch: „Die deutsche Präzisionswerkzeugindustrie sieht sich mit ihrer Strategie in Richtung innovative Technik, beste Qualität und umfangreicher Service bestätigt.“ Die Branche sei überzeugt, dass sie ihre internationale Spitzenstellung weiter ausbauen kann. „Schon heute ist Deutschland mit einem Welthandelsanteil von von 21 % führend vor Japan, USA und Italien, so der Vorsitzende des VDMA-Fachverbandes Präzisionswerkzeuge in Frankfurt. „Hightech-Werkzeuge tragen maßgeblich zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Kunden bei. Denn sie sind dem Druck immer kürzerer Entwicklungs- und Produktionszeiten direkt ausgesetzt“, betont Dieter Kress, Geschäftsführer des Werkzeugherstellers Mapal in Aalen.
Gleichzeitig kommen auf die Anbieter von Zerspanungswerkzeugen neue Herausforderungen zu. „Der Anteil der Aluminiumanwendungen in der Automobilindustrie liegt heute bei 200 000 t. Er wird bis zum bis zum Jahr 2005 auf etwa 700 000 t steigen“, prognostiziert Thilo Krieg, Manager Solid Carbide Tools bei Kennametal Hertel in Fürth. Dieser Verschiebung der Volumengeschäfte hätten sich die Werkzeughersteller zu stellen. Zudem sei Leichtmetallzerspanung nicht unproblematisch: „Aluminium mit einem Siliziumanteil über 12 % zeigt ein stark abrasives Verhalten. Magnesium und Aluminium-Knetlegierungen haben eine starke Klebeneigung.“
Ein möglicher Lösungsansatz sind hier innengekühlte Werkzeuge, die in der Trockenbearbeitung eingesetzt werden – für Kenner kein Widerspruch. Denn Minimalmengen-Schmierung (MMS) mit ihrem verschwindend geringen Schmierölanteil wird von vielen Experten als Trockenbearbeitung angesehen. „Dabei sind die Leistungen von Nassbearbeitung und MMS-Bearbeitung in puncto Vorschubkraft, Drehmomentverlauf und Standweg fast identisch“, betont Thilo Krieg. Zudem habe das MMS-Verfahren in Versuchen einen fünfmal längeren Standweg im Vergleich zur völlig trockenen Bearbeitung erbracht.
Und geht es um das drastische Senken von Bearbeitungszeiten, erschließt High Speed Cutting (HSC) neue Leistungsdimensionen. So sollen mit Hilfe von HSC-Geometrien und -Schneidstoffen hohe Zeitspanvolumina erzielt werden. Hier sind Schneidstoff, Geometrie und Oberfläche den geänderten Anforderungen anzupassen: Schneidstoffe aus Ultrafeinstkorn-Hartmetall mit hoher Warmhärte, steigender Zähigkeit und großem Verschleisswiderstand sind gefragt. Zudem sollen mit Multiprozess- und Multioperationswerkzeugen die Nebenzeiten reduziert werden. Zirkularprozesse und komplexe Sonderwerkzeuge sehen die Entwickler als Lösungswege, um die Zerspanzeiten mehr als zu halbieren.
Auf Highspeed setzt auch Sandvik Coromant mit seinem auf der EMO 2003 präsentierten Eckfräser Coromill 790. „Die neuen 16 mm-Wendeplatten öffnen neue Anwendungsbereiche für Aluminiumfräser“, so Ralf Geil, Bereich Anwendungstechnik Rotierende Werkzeuge. Besonders eigne sich diese Ausführung für Maschinen mit hohen Spindeldrehzahlen und biete gleichzeitig außergewöhnlich gute Schrägeintauch-Eigenschaften.
Allerdings: „Der Kauf einer Hochfrequenzspindel oder von HSC-Werkzeugen allein führt meistens nicht zum gewünschten Erfolg“, warnt Prof. Eberhard Abele, Leiter des Darmstädter Instituts für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW). HSC ist für ihn mehr als das Bearbeiten mit hohen Schnittgeschwindigkeiten und Vorschüben. „Wesentlich für den erfolgreichen Einsatz von HSC ist, dass die gesamte Prozessskette vom CAD/CAM-System über NC-Programmierung, Spindelwerkzeuge und Spannmittel auf die HSC-spezifischen Einsatzbedingungen ausgelegt sind. Dass sei jedoch noch nicht alles: „Sind alle technischen Voraussetzungen geschaffen, kann HSC immer noch an der nicht ausreichenden Qualifizierung des Arbeitsvorbereiters oder Maschinenbedieners scheitern.“
Zudem müssen künftig immer mehr gehärtete Werkstücke bearbeitet werden. Deshalb gilt Hartbearbeitung für viele Experten als derzeit bedeutendster Trend in der Fertigungstechnik. Hier können die Werkzeughersteller eine Vielzahl von Entwicklungen vorweisen, die Hartmetall, Schneidkeramiken und CBN-Schneidstoffe betreffen. Dabei konzentrieren sich die Aktivitäten neben den Schneidstoffen auch auf die Optimierung der Geometrien.
Ein weiterer wichtiger Baustein für die Gestaltung optimaler Werkzeuge ist deren Beschichtung. Sie hat, obwohl nur wenige mm dünn, einen erheblichen Einfluss auf das Leistungsvermögen der Werkzeuge. Auch hier steht die Ausrichtung auf spezielle Anwendungsfälle im Vordergrund. So ist es nicht verwunderlich, wenn man von Schichtsystemen spricht, die sich individuell zusammenstellen lassen.
Um stets die richtige Beschichtung für den jeweiligen Bedarfsfall zu liefern, hat Cemecon aus Würselen ein Baukastensystem entwickelt. „Aus dem Baukasten wählen wir zusammen mit dem Werkzeughersteller und dem Endanwender die optimale Kombination für den jeweiligen Einsatzfall des Werkzeugs“, erläutert Dirk Breidt, Leiter Cemecon-Business-Lines Diamond Coatings. Mit den so hergestellten Beschichtungen seien Zerspaner in der Lage, auch schwierigste moderne Werkstoffe wirtschaftlich zu bearbeiten. Für ihn ist das beste Werkzeug immer auf den Anwendungsfall angepasst und setzt sich auch deshalb am Markt durch, weil es sich im Wettbewerb zu den Standardwerkzeugen durch seine optimale Leistung differenziert.
Doch auch bei den Beschichtungswerkstoffen bleibt die Entwicklung nicht stehen. So hat Balzers, Liechtenstein, eine neue Schichtgeneration entwickelt und auf der EMO 2003 präsentiert, die Werkzeugen zur Metallbearbeitung bislang nicht erreichte Leistungsbereiche eröffnen soll. „Möglich wird dieser Leistungsschub durch AlCrN-basierte Schichten, die das
Potenzial von titanbasierten Schichten deutlich übertreffen“, betont Wolfgang Kalss, Entwicklungsleiter bei Balzers. Diese neue Generation zeichne sich auch durch einen markant besseren Verschleißwiderstand aus und erreiche im Vergleich zu marktgängigen Schichten erheblich bessere Standzeiten. „Sie sind zudem oxidationsbeständiger und haben darüber hinaus eine wesentlich höhere Warmhärte als herkömmliche Produkte“, freut sich Entwicklungschef Kalss. N. SCHMIDT/ D. KIPPELS
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