Tüfteln an der Steuerung der Zukunft
VDI nachrichten, Stuttgart, 2. 9. 05 – Vernetzt und leicht bedienbar sollen Maschinensteuerungen künftig für höhere Produktivität von Werkzeugmaschinen sorgen. Auf dem Aachener Werkzeugmaschinen Kolloquium (AWK) wurden dazu kürzlich Erfolgstrategien und mögliche Hürden identifiziert. In Hannover präsentieren nun Hersteller, anlässlich der Fachmesse EMO, die aktuellen technischen Entwicklungstrends.
Konzepte für die Maschinensteuerung der Zukunft werden unterstützt durch Computertechnologien sowie die immer höhere Leistungsfähigkeit von Steuerungen und Antrieben. Dennoch stehen sie für Professor Günter Pritschow, Leiter des Institutes für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW) an der Universität Stuttgart, weiterhin vor eher klassischen Herausforderungen. „Auch wenn sich Computertechnologie, Steuerungen und Antriebe weiterentwickelt haben, basiert die Vorgehensweise zur Fertigungsplanung immer noch auf der herkömmlichen CAD-CAM-NC-Verfahrenskette, die durch Datenkonvertierung und Datenverluste gekennzeichnet ist“, erklärte er kürzlich als Vertreter der Arbeitsgruppe Steuerungstechnik auf dem Aachener Werkzeugmaschinen Kolloquium (AWK) an der RWTH Aachen.
Obwohl sich die Anforderungen an die Maschinensteuerungen in Branchen wie der Automobilindustrie, der Luft- und Raumfahrt oder der Blechverarbeitung deutlich unterscheiden können, hat Pritschow zusammen mit anderen Experten gemeinsame Defizite bei der Offenheit und Durchgängigkeit der Daten festgestellt. Daraus ergibt sich für die Wissenschaftler folgender Anspruch: „Neben der Optimierung der CAD-CAM-NC-Kette, mit der umfassenden Simulation des Fertigungsprozesses, sind die bessere Integration von NC und SPS sowie Lösungsansätze zur Prozess-und Maschinenüberwachung von wesentlicher Bedeutung.“ Ein weiteres wichtiges Ziel sei dabei die verbesserte Nutzerunterstützung.
Gefragt ist nach Einschätzung der Fachleute eine „wirtschaftliche Steuerungsentwicklung für zunehmend branchenspezifische Anforderungen.“ So gelte es, Einzelfertigung oder Massenfertigung ebenso zu meistern wie hohe Zerspanleistung bzw. hohe Genauigkeit. Drei maßgebliche Innovationsfelder haben die Produktionstechnikspezialisten dafür identifiziert. Stellvertretend für das Team zählt Prof. Pritschow diese Punkte auf: “ Wir verfolgen dazu erstens die Auflösung der klassischen CAD-CAM-NC-Kette in eine integrierte Systemumgebung, zweitens die Verbesserung der Prozessbeherrschung mittels neuer Methoden und Technologien zur Prozessüberwachung und drittens die Neugestaltung der Benutzungskonzepte hin zu einer ganzheitlichen Nutzerunterstützung.“
Die Prozesskette müsse dabei die verschiedenen Ansätze unterstützen. So müsse bei kleinen Losgrößen das Produkt direkt fehlerfrei produziert werden, wogegen bei der Massenfertigung eine kontinuierliche Optimierung möglich sei, heißt es in einem Bericht der Experten. Dies könne mit einer durchgängigen, konsistenten Datenhaltung für alle an der Prozesskette beteiligten Systeme erreicht werden, erfordere aber die Auflösung von Hierarchien. Neue Strukturen erlaubten schließlich umfassende Simulationen. Die durchgängige Vernetzung lasse eine gemeinsame Datenhaltung und somit einen unmittelbaren Zugriff auf die jeweils aktuellen Daten zu. Durch die Berücksichtigung des Maschinenverhaltens könne so z. B. Bahnplanung und Führungsgrößenerzeugung im CAM-System optimiert werden.
Der ISW-Leiter bremst jedoch allzu hohe Erwartungen: „Die durchgängige Datenhaltung ist ein langfristiges Ziel, welches unter den aktuell gegebenen Voraussetzungen nicht zu erreichen ist.“ Dennoch sieht er gute Chancen für einzelne Teilbereiche, wie z. B. die künftige Integration von NC-Steuerung und SPS unter Vermeidung von Zeitverlusten zur Synchronisation. So konnte der Lasermaschinenhersteller Trumpf durch die Laserzuschaltung in der NC anstelle der SPS die erforderliche Synchronisationsgeschwindigkeit beim Ausschneiden von Blechquadraten erreichen. Ohne diese Maßnahme hätte die mechanisch erreichbare Verfahrgeschwindigkeit nicht ausgenutzt werden können. Allerdings steigt unter heutigen Bedingungen dafür laut Einschätzung der Fachleute auch der Projektierungsaufwand, der mit einer taktgleichen NC/SPS-Lösung vermeidbar wäre.
Auch Zuverlässigkeit der Maschinen steht im Fokus der Steuerungsentwicklung. Dabei wirken eine Vielzahl an Einflüssen auf die Prozesssignale und erschweren die Überwachungsaufgabe. „Systeme, die nur eine Prozessgröße überwachen, sind anfällig für Fehlalarme, die zu erheblichen Kosten führen“, mahnt Prof. Pritschow. Daraus resultiere eine geringe Akzeptanz bei Benutzern und Anlagenbetreibern, was letztendlich zur Abschaltung vorhandener Überwachungssysteme führe.
Um dies zu vermeiden, muss die Maschinen- und Prozessüberwachung nach Experteneinschätzung künftig verstärkt auf die durchgehende Datenhaltung setzen. Bei dezentralen Überwachungsfunktionen können damit zum Teil auch deutlich höhere Abtastraten von Sensorsignalen erreicht werden. Ein Beispiel dafür liefert das BMBF-Projekt „ISPI – Intelligente Spindel“, bei dem ein miniaturisierter Datenlogger in der Spindel den Datenaustausch mit der Maschinensteuerung ermöglicht.
Integrierte Überwachungsfunktionen dienen dabei zunehmend auch zur Nutzerunterstützung. Sie liefern beispielsweise Daten für Diagnose und Instandhaltung. Aber auch in anderen Bereichen wird zunehmend Wert auf Benutzerfreundlichkeit gelegt. „Sie bestimmt wesentlich, wie sicher und effizient die Bedienung erfolgen kann“, stellt dazu Prof. Pritschow fest. Prozessgeschehen und Betriebskosten würden davon unmittelbar beeinflusst.
In der zunehmenden Offenheit heutiger NC-Systeme sehen der ISW-Leiter und seine Kollegen Chancen. „Sie hat viele Möglichkeiten zur Realisierung anwendungs- und kundenspezifischer Lösungen im Bereich der Nutzungsunterstützung geschaffen.“ Gleichzeitig erfordere dieser Wandel aber auch ein zunehmendes Software-Know-how der Steuerungstechniker im Maschinenbau, so die Experten. M. CIUPEK
Ein Beitrag von: