Schlanke Produktion stärkt die Fertigung in der Wirtschaftskrise
Verschwendung vermeiden, kontinuierliche Verbesserung, minimale Materialvorräte: Die Strategien der „Lean Production“ helfen Unternehmen in der Absatzkrise, ihre Fertigung flexibel auf weltweit schwierige Märkte einzustellen, meint Christian Greiser, Geschäftsführer der Unternehmensberatung „The Boston Consulting Group (BCG)“. VDI nachrichten, München, 10. 7. 09, kip
Greiser: Die gegenwärtige Finanzkrise führt auch bei Fertigungsunternehmen verstärkt zu Liquiditätsproblemen. Indem sie ihre Fertigung gezielt optimieren, können die Firmen jedoch Kapital freisetzen. Dazu müssen sie die Flexibilität wie auch das Reaktionstempo erhöhen und gleichzeitig ihre Bestände an Rohstoffen und Halbzeugen reduzieren. Insofern kommt den Prinzipien der schlanken Produktion gegenwärtig höchste Bedeutung zu.
Wie sieht das Verbesserungspotenzial konkret aus?
Maßnahmen zur schlanken Fertigung waren in der Vergangenheit aber nicht immer von Erfolg gekrönt.
Das stimmt. Etliche Firmen haben schon vor einiger Zeit Lean-Strategien aufgesetzt – ohne dass diese bisher einen signifikanten Beitrag zur Verbesserung des Unternehmensergebnisses oder der Liquidität geleistet hätten. Der Grund für das Scheitern dieser Strategien war häufig, dass die Unternehmen zu viele Maßnahmen gleichzeitig ergriffen haben.
Was bedeutet das in der gegenwärtig schwierigen Situation?
Jetzt sollten Lean-Initiativen auf die wirklich kritischen Fertigungsbereiche zugeschnitten werden. Überdurchschnittlich hohe Ausschussraten, Engpässe oder signifikanter Mehrarbeitsbedarf sind beispielsweise gute Indikatoren für einen dringenden Optimierungsbedarf. Es kommt darauf an, diese „Ausreißer“ systematisch zu identifizieren. Auch könnte die Produktion samt entsprechenden Optimierungsmaßnahmen auf ausgewählte Produktionslinien konzentriert werden.
Sind optimierte Produktionsstrategien für Sie derzeit wichtiger als die Investitionen in moderne Fertigungsmaschinen und -anlagen?
Am besten wäre natürlich eine Kombination beider Faktoren. Aber dies ist in einer solchen Krise einfach unrealistisch. Anstehende Investitionsentscheidungen, die noch in der Boomphase getroffen wurden, sollten deshalb hinterfragt werden. Vor allem die Steigerung der Verfügbarkeit durch verbesserte Instandhaltungsmodelle, Stichwort „Total Productive Maintenance“, spielt hier eine weitere, entscheidende Rolle.
Hat auch die Produktpalette Einfluss auf schlanke Fertigungsstrategien?
Tatsächlich finden sich viele wichtige Ansatzpunkte zur Rationalisierung nicht in der Fertigung. Das Produktportfolio zu analysieren und Produkte mit geringen Margen beziehungsweise Umsatz zu hinterfragen und dann möglicherweise zu eliminieren, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Wettbewerbsfähigkeit. Eine Bereinigung der Produktpalette um unnötige Varianten hat in der Regel kaum einen Einfluss auf den Umsatz, erhöht jedoch die Ergebnisqualität und reduziert die Komplexität in der Produktion.
Welche Rolle spielen vor- und nachgelagerte Abteilungen rund um die Fertigungsbereiche?
Vor allem in der Lagerhaltung gibt es oft Verbesserungsbedarf. Denn erhöhte Bestände werden häufig durch Schwächen in der Versorgungskette verursacht. Kommunikationsprobleme zwischen Vertrieb und Produktion wiederum führen zum sogenannten „Peitscheneffekt“, das heißt, auf jeder Stufe der Wertschöpfung werden zusätzliche Reserven in Form von Zeit und Material in die Planung eingebaut, um mögliche Schwächen der vorhergehenden Stufen auszugleichen. Dadurch aber wird erhebliches Kapital gebunden, das die Unternehmen dringend zur Finanzierung des Geschäfts benötigen. Hier könnten funktionsübergreifende Optimierungen und ein gezieltes Hinterfragen der Sicherheitsbestände für kurzfristige Verbesserungen sorgen. D. KIPPELS
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