Produktion 23.01.2004, 18:28 Uhr

Rückrufaktionen setzen Produktentwickler unter Druck

VDI nachrichten, Düsseldorf, 23. 1. 04 -In Zeiten knapper Kassen haben Unternehmen kaum etwas zu verschenken, dennoch leisten sie sich teure Rückrufaktionen – wie z. B. DaimlerChrysler vergangene Woche. Laut den Managementberatern Reinhard Meinders (Foto) und Thomas Gutberlet könnten diese Probleme jedoch durch eine verbesserte Kommunikation im Engineering gelöst werden.

Obwohl sich kaum ein Hersteller Produktmängel leisten kann, bleibt keiner davon verschont: So rief DaimlerChrysler vergangene Woche 2,7 Mio. Chrysler-Fahrzeuge wegen Problemen an der Handschaltung zurück. Reinhard Meinders und Thomas Gutberlet, beide seit Jahren als Managementberater bei Business Network Solutions in Hofheim am Taunus tätig, führen dies auf falsche Entwicklungsstrategien zurück. „Die Dynamik und Komplexität, die den Verantwortlichen in der Entwicklung heute so großes Kopfzerbrechen bereiten, und die als wesentliche Ursachen für die zunehmende Häufung von Qualitätsmängeln anzusehen sind, ließen sich durchaus beherrschen“, so Reinhard Meinders.
Weitere prominente Beispiele für fehlerhafte Produkte sind die Mauterfassungsgeräte (on board units), die von Toll Collect mit Software-Fehlern ausgeliefert wurden, sowie Pkw von Nissan Motor, Yokohama. So musste der Automobilhersteller Ende vergangenen Jahres weltweit 2,56 Mio. Fahrzeuge wegen Motorproblemen in die Werkstätten zurückrufen – die Kosten werden auf 15 bis 16 Mrd. Yen bzw. 120 bis 128 Mio. € €
Als Grund haben Branchenexperten längst den extremem Kostendruck und immer ambitioniertere Vorgaben für die Entwicklungszeiten ausgemacht, die die Unternehmen zu einer verstärkten Parallelisierung ihrer Aktivitäten zwingen. Ein höherer Parallelisierungsgrad bedeutet, dass auch neue Erkenntnisse im Entwicklungsprozess in immer kürzeren Zyklen zu aktualisieren und zu verteilen sind.
Herkömmliche, zentral gesteuerte Vorgehensweisen, so Mainders, stießen angesichts des exponentiellen Anwachsens solcher Verteilungserfordernisse inzwischen an ihre Grenzen. Für eine verstärkte Dezentralisierung mangele es den Verantwortlichen aber zumeist an Mut sowie an den geeigneten Instrumenten.
Dies wird sich nach Ansicht der Hofheimer Branchenkenner schon bald ändern. Thomas Gutberlet schränkt jedoch ein: „Voraussetzung hierzu wäre allerdings, dass sich das Management endlich dazu durchringt, die alten Zöpfe hierarchischer Steuerung, Bevormundung und Kontrolle über Bord zu werfen, und sich neuer Methoden, Instrumente und Erkenntnisse im Entwicklungsmanagement zu bedienen.“
Beide Experten plädieren hier für einen „Dreiklang“ aus automatisierter Erkenntnisverteilung, geändertem Umgang in der Bewertung und Behandlung von Fehlern sowie einem „Schräglagen-Controlling“, bei dem das Management Verantwortung delegieren kann und trotzdem jederzeit den Gesamtüberblick behält.
Reinhard Meinders weiß, wo es in der Praxis oft hakt: „Heute ist es doch meist so, dass die Null-Fehler-Philosophie das Tun dominiert und Projektmitarbeiter daher in vielen Fällen so lange mit Zahlen tricksen und Mängel unter den Teppich kehren, bis es irgendwann zum großen Knall kommt, und das Management mangels ausreichender Vorwarnung aus allen Wolken fällt.“ Als Konsequenz der oft hohen Nacharbeits- und Gewährleistungskosten könnten so selbst attraktive Vorhaben binnen kurzer Zeit zu einem wirtschaftlichen Desaster geraten.
Manager in der Entwicklung seien daher gut beraten, ihren Mitarbeitern mehr Verantwortung und Kompetenz zu übertragen, ihre Teilleistungen selbständig zu planen, deren Leistungs-, Qualitäts-, Termin- und Budgeteinhaltung zu überwachen sowie bei Bedarf selbst steuernd einzugreifen.
Auch sollte das Management endlich akzeptieren, dass Fehler im Entwicklungsprozess etwas ganz Normales seien: „Dann erst“, ist Meinders überzeugt, „werden sich die Mitarbeiter auch trauen, Fehler einzugestehen und Mängel zu dokumentieren.
Weiterentwicklungen in der Informationstechnologie erlaubten es, solche Mängel im Rahmen der Erkenntnis- bzw. Änderungskommunikation mit geringem Aufwand autorisiert und automatisiert nur den Mitarbeitern zukommen zu lassen, die diese Informationen als Voraussetzung für Nacharbeiten oder ihre eigene Weiterarbeit benötigen.
Mit der Verantwortungsdezentralisierung müsse in jedem Fall eine Anpassung des Controllings einhergehen. Statt sich in einem Entwicklungsprojekt vornehmlich auf die großen Ausreißer zu konzentrieren, muss das Management laut Meinders sein Augenmerk viel stärker auf die Häufung der kleinen Störungen richten.
Zahlreiche Entwicklungsprojekte zeigten, dass für den einzelnen Zeit- oder Budgetüberzieher kein Anlass zur Besorgnis bestehe, solange der Schwellwert zur Alarmierung nicht erreicht werde: „Da in den Unternehmen Schräglagen-Controlling bislang noch ein Fremdwort ist, erkennt das Management regelmäßig viel zu spät, dass zahlreiche kleine Überziehungen das Projekt in Summe bereits in eine gefährliche Schieflage gebracht haben.“
„Häufig“, ergänzt Thomas Gutberlet“, „sind Projekte in ein so enges Raster gezwängt, dass die Summierung kleinster Planabweichungen bereits ausreicht, um Kettenreaktionen hervorzurufen, die zu ernsten Projektkrisen und erheblichen Folgeschäden führen. Die einzelne Planabweichungen stellt für sich betrachtet kein Problem dar. Der kritische Zustand wird jeweils erst sichtbar, wenn man die Einzelabweichungen aufsummiert.“
Ein professionelles „Schräglagen-Controlling“ sei daher unverzichtbar, um im Zusammenspiel mit der automatisierten Erkenntnisverteilung die Vielzahl kleinster Zeit- oder Budgetüberziehungen von Beginn an zu erfassen, transparent zu machen und deren Auswirkungen auf das gesamte Projekt jederzeit unter Kontrolle zu behalten. Meinders und Gutberlet sehen für die Vorreiter hier eine gute Chance, sich vom Wettbewerb abzusetzen. Das Fazit der Experten lautet deshalb: „Die Technologie hierzu gibt es. Jetzt ist das Management gefordert, den Mut und den Willen aufzubringen, sich von tradierten Ansichten zu lösen und sich einer neuen Verantwortungs- und Fehlerkultur nicht länger zu verschließen.“ Am Ende werde dieser Mut nicht nur über einen Rückgang der Fehlerquote belohnt, sondern sich auch in einem erkennbar verbesserten Ergebnis niederschlagen.V. LINDEMANN/CIU

 

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Ein Beitrag von:

  • Martin Ciupek

    Redakteur VDI nachrichten
    Fachthemen: Maschinen- und Anlagenbau, Produktion, Automation, Antriebstechnik, Landtechnik

  • V. Lindemann

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