Regionale Zulieferer entwickeln eine starke Gemeinschaft
VDI nachrichten, Berlin, 25. 8. 06, ciu – Zwei Drittel aller Fahrzeugteile kommen heute weltweit von Zulieferern. Bis 2015 sollen es vier Fünftel sein. Mit der Vernetzung in Clustern und modernen Maschinenparks bringen sich ostdeutsche Betriebe für diese Entwicklung in Stellung.
Aufbruchstimmung: „Wir erleben gerade einen Paradigmenwechsel im Aufbau Ost“, sagt Dr. Hartmann Kleiner. Während Investoren in den ostdeutschen Ländern bisher auf ihre angestammten Lieferketten aus dem Westen gesetzt hätten, kämen inzwischen immer häufiger lokale Betriebe zum Zuge, so der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg (VME).
Großen Anteil daran haben das „Automotive Cluster Ostdeutschland“ und kleinere Cluster. Dem Cluster in Berlin Brandenburg (AC-BB) haben sich z. B. binnen zwei Jahren 160 der 200 regionalen Betriebe angeschlossen. Harald Bleimeister, Netzwerkmanager des AC-BB, macht deutlich: „Regelmäßig wenden sich OEM und Systemlieferanten an uns, die lokale Zulieferer suchen.“ So setze DaimlerChrysler bei seiner Sprinter-Fertigung in Ludwigsfelde bei Berlin verstärkt auf lokale Betriebe, um Logistikkosten zu optimieren. Durch lange Lieferwege waren sie um 400 € pro Fahrzeug höher als in Düsseldorf, wo der Transporter auch gefertigt wird.
So wie für DaimlerChrysler haben die Netzwerker um Bleimeister auch schon für das BMW-Werk in Leipzig und das Motorradwerk in Berlin und für ZF in Friedrichsfelde Zulieferer aus der Region vermittelt. Gleichzeitig werden die Zulieferer untereinander eng vernetzt, um der zunehmenden Verantwortung in Fertigung sowie Forschung und Entwicklung gerecht werden zu können.
Wie es gehen kann, als vergleichsweise kleine Betriebe im globalen Automobilgeschäft mitzuhalten, machen in Eberswalde die 1999 gegründete Finow Automotive GmbH und die Hanke GGK mbH vor. Beide sind mit modernsten Maschinen ausgerüstet, beide entwickeln ihre Technologien permanent weiter, sie agieren aus festen Netzen heraus – und vor allem: Sie haben enormen unternehmerischen Mut.
So hat die Finow Automotive seit Gründung 1999 rund 35 Mio. € in einen hochmodernen Maschinenpark investiert. Von den Nachbarn bezieht die Firma auch den größten Teil der Stahlrohre, die 83 Mitarbeiter in automatisierten Arbeitsschritten vom CNC-Biegen über das Innenhochdruck-Umformen (Hydroforming) und Laserschneiden zu Längsträgern, A-Säulen-Verstärkern oder Windläufen für Jaguar, Ford, BMW und Land Rover veredeln.
Werksleiter Hagen Hänelt denkt bereits weiter: „Wir streben an, künftig Trägermodule und tailored tubes zu fertigen.“ Dafür baue man gerade ein schlagfkräftiges Ingenieurteam auf. Doch er weiß, dass der Schritt zum Modullieferanten mehr voraussetzt als guten Willen. Darum bemühe sich Finow Automotive mit Hilfe des AC-BB um Kooperationspartner aus der Region.
Den Schritt in ein solches Entwicklungsnetz hat Siegfried Hanke, Geschäftsführer einer Aluminiumgießerei mit 40 Mitarbeitern im Brandenburgischen Eberswalde, schon getan. Für ihn liegt in solchen Verbünden kleiner, technologiegetriebener Unternehmen die Zukunft der Autoindustrie. Trotz verhältnismäßig geringer Kapazität beliefert seine Gießerei Toyota, Ford, Opel oder DaimlerChrysler – und übernimmt für alle gefertigten Teile als Alleinlieferant zudem die volle Verantwortung.
Das geht nur, weil hinter dem automatisierten Produktionsprozess ein lockerer, aber seit zehn Jahren verbindlicher Zusammenschluss von 15 europäischen Unternehmen steht. „Uns verbindet inzwischen so viel Vertrauen, dass unsere Partner die Maschinen oder Gussformen schon fertigen, bevor wir einen offiziellen Auftrag bekommen,“ erklärt Hanke.
Er lobt die örtlichen Behörden. Baugenehmigungen seien schnell erteilt, das Finanzamt bemühe sich um schnelle Bearbeitung aller Vorgänge und die Investitionsbank des Landes sei ebenfalls eine große Hilfe. Auch deshalb ist ihm um die Zukunft des Autostandorts Ost nicht bange. „Wir leben im Automotive Silicon Valley“, sagt er. Zwischen Berlin und Eisenach gebe es acht neue Autowerke, fünf davon seien die modernsten der Welt. Wer hier jetzt funktionierende Strukturen schaffe, habe beste Aussichten. P. TRECHOW
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