Recycling im Karton
In einer neuen Anlage des zweitgrößten Papierherstellers der Welt werden die Verbundkartons fein säuberlich zerlegt.
Gebrauchte Verbundkartons sind eine willkommene Rohstoffquelle – obwohl sie aus bis zu fünf Schichten Polyethylen (PE), Aluminium und Karton bestehen. Denn die Kartons für Trinkbecher und Getränkeverbundverpackungen enthalten hochwertige lange Zellulosefasern. 2,8 Mio. t Kartonmaterial wurden laut Verband der Finnischen Forstindustrie im Jahr 2000 hergestellt davon wurden 82 % exportiert – das meiste nach Deutschland.
Der größte europäische Papierhersteller mit einem Jahresumsatz von 13 Mrd. Euro und einer Jahresproduktion von 15,2 Mio. t Papier und Karton ist die finnische Stora Enso. Zusammen mit dem Unternehmen UPM-Kymmene wurde im südfinnischen Varkaus die Corenso United Oy Ltd. gegründet, die sich sowohl auf die Produktion als auch auf das Recycling von Verbundverpackungen spezialisiert hat. Im Jahr 2000 wurden in Varkaus rund 120 000 t Recyclingfasern verwertet knapp die Hälfte davon waren Getränke-Verbundverpackungen, von denen rund 50 000 t aus Deutschland kamen.
„Inzwischen sind wir auf diese Mengen aus den Sammlungen des Dualen Systems angewiesen“, betont Jorma
K. O. Ignatius, Marketing Manager bei Stora Enso, „um unser neues Werk in Varkaus auszulasten.“ Aus den hochwertigen, langen Papierfasern werden dort vorwiegend Hülsenkartons hergestellt: Dieses Material wird als Trägerrolle sowohl in dünnen Faxrollen eingesetzt als auch in tonnenschweren Papier- und Textilrollen der Industrie. Bei den hohen Rotationsgeschwindigkeiten sind besondere Stabilitäts- und auch Elastizitätseigenschaften gefragt, die nur Hülsenkarton erbringen kann.
Der jüngste Erweiterungsschritt ist die weltweit erste Aufbereitungsanlage für Verbundkartons, bei der auch die PE-Alu-Bestandteile separiert werden können. Die sogenannte Ecogas-Anlage kostete rund 20 Mio. Euro.
Die ersten Aufbereitungsschritte für Getränkekartons sind in allen Papierfabriken ähnlich: Nach dem Aufreißen der angelieferten Ballen aus den Sortieranlagen des Dualen Systems (DSD) werden die Eisenbänder entfernt und das Material geschreddert. Dann gelangen die handtellergroßen Fetzen in eine Rotationstrommel, die einer überdimensionalen Waschmaschine gleicht. Dort wird Wasser eingespritzt. Das Material quillt auf und löst sich von der PE- und der Alu-Schicht. Im zweiten Teil der Trommel wird der Faserbrei durch 4 mm große Löcher abgezogen und nach weiteren Reinigungsschritten der Hülsenkarton-Produktion zugeführt. Das in der Trommel verbleibende PE/Alu-Gemisch wird in der Zementindustrie als heizwertreiches Material verwendet, das gleichzeitig auch Aluminium als Zuschlagstoff ersetzt.
Die Ecogas-Anlage kann noch mehr. Hier werden stündlich 5 t PE/Alu-Gemisch auf 600 °C bis 700 °C erhitzt, um die PE-Bestandteile zu vergasen. Dieses hoch brennbare Gas wird im Kraftwerk direkt verstromt und ersetzt dort jährlich 27 000 t Heizöl, während das anfallende Aluminium – rund 3000 t pro Jahr – granuliert und zum Teil nach Deutschland exportiert wird.
Für die Investition gab es mehrere Gründe. „Wenn wir Aluminium zurückgewinnen, braucht man dafür nur 5 % der Energie, die bei der Aluminiumherstellung notwendig ist“, betont Ignatius. Außerdem wollte man für eine Verwertung der Alu/PE-Reste in Zementwerken keine Zuzahlungen leisten. Und drittens habe man ohnehin einen weiteren Dampfkessel für die Stromerzeugung benötigt.
Die Recycling-Anlage verarbeitet 125 000 t pro Jahr, doch mangels Nachfrage nach Hülsenkarton muss man derzeit einen Teil der Produktion auf Lager nehmen. Grundsätzlich würde die Corenso gerne noch mehr verarbeiten, „aber der Markt ist begrenzt“, meint Michael Kleene, Sprecher des „Fachverbandes Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel“ (FKN). Von den in Deutschland verkauften 200 000 t Verbundkarton seien 2001 rund 130 000 t über die DSD-Sammlungen wieder zurückgekommen. Und diesen Kuchen teilen sich zu etwa gleichen Teilen zwei deutsche und die finnische Papierfabrik. M. BOECKH
Sortierqualität sinkt
Verschmutzung gefährdet das Recycling
Finnen sammeln diszipliniert: Sowohl bei Getränke-Verbundverpackungen als auch beim Altpapier ist eine Vorsortierung vor dem Recycling überflüssig. Anders die Deutschen. Ein Drittel des Inhalts im Gelben Sack, der bei den Sortieranlagen eintrifft, ist keine Verpackungsabfall. Nach der Sortierung liegt die Sortenreinheit derzeit bei rund 93 % – Tendenz weiter fallend, wie der Fachverband Kartonverpackungen bedauert. Dies läge an der zunehmenden Automatisierung der Sortieranlagen. Schon heute müssen in der finnischen Recyclinganlage Varkaus die gröbsten Störstoffe in der Verbundfraktion aus Deutschland erst manuell und nach der Faserabscheidung automatisch entfernt werden. boe
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