„Quality Gates“ verhindern den Garantiefall
Garantie kann teuer werden; ab Januar 2002 gilt eine Gewährleistungsfrist von 24 Monaten. Wie sich die Produktentwicklung durch „Quality Gates“ als festgelegte Prüftermine zuverlässig steuern lässt, damit die Qualität stimmt, zeigt eine Untersuchung der Unternehmensberatung McKinsey.
Egal ob Automobil, Limonaden-Getränk oder Computer – immer wieder sehen sich Hersteller zu spektakulären Rückrufaktionen gezwungen. Der finanzielle Schaden ist meist enorm, hinzu kommt der Imageschaden. Doch auch weniger dramatische Mängel in der Produktqualität können teuer werden: In manchen Branchen summieren sich die Kulanz- und Gewährleistungskosten schon heute auf 2 bis 5 % des Umsatzes. Nicht selten entspricht dies der erzielten Umsatzrendite.
Mit Ausdehnung der Gewährleistungsfrist auf zwei Jahre dürften diese Kosten ab Januar 2002 dann noch einmal ansteigen – je nach Hersteller und bisher gewährter Kulanz um 30 bis 150 %. Außerdem wird die Beweislast umgekehrt: Tritt ein Produktmangel innerhalb der ersten sechs Monate auf, lag der Fehler laut neuem Gesetz bereits bei der Produktübergabe vor. Wenn nicht, muss das Unternehmen das Gegenteil beweisen.
Laut McKinsey liegt die Ursache für Qualitätsprobleme häufig in einem nicht systematisch genug gesteuerten Entwicklungsprozess. Die Anforderungen an die Entwicklung sind deutlich gestiegen. Produkte müssen in immer kürzerer Zeit in den Markt. So will beispielsweise die Automobilindustrie im Jahr 2005 den Kunden rund 300 verschiedene Modelle anbieten, fast doppelt so viele wie heute. Gleichzeitig sollen die Entwicklungszeiten noch einmal um rund 25 % sinken, bei gleich bleibender Mitarbeiterzahl.
„Wir erleben in Unternehmen immer wieder dasselbe Qualitätsdilemma“, erklärt Christian Malorny, Qualitätsmanagementexperte bei McKinsey in Berlin. „Da treten am Ende des Entwicklungsprozesses, meist vor Beginn der Serienfertigung, Qualitätsprobleme auf: Einzelteile passen nicht zueinander, das Produkt funktioniert nicht zuverlässig, Lieferanten können plötzlich nicht liefern. Um diese zu beseitigen, setzt das Unternehmen enorme personelle Ressourcen ein. Doch die fehlen dann in gerade neu anlaufenden Entwicklungsprojekten. Damit sind die nächsten Qualitätsdefizite vorprogrammiert – ein Teufelskreis, der auf Dauer die gesamte Produktentstehung destabilisieren kann.“
Lösung laut McKinsey: Entwicklungsprozesse über „Quality Gates“ steuern. Das sind ausgewählte Meilensteine an kritischen Stellen eines Entwicklungsprojekts, zu denen geprüft wird, ob der angestrebte Entwicklungsstand erreicht ist. „Und diese Termine haben es in sich,“ erläutert Malorny. „Denn wie der Entwicklungsstand aussehen soll, ist für alle Beteiligten unmissverständlich an qualitativen und quantitativen Messgrößen festgemacht. Denn nur was gemessen wird, wird auch verfolgt“.
Dazu ein anschauliches Beispiel: Quality Gate „Festlegung Produktkonzept“. Ein erfolgreiches Passieren dieser Qualitätsstufe setzt voraus, dass die Konzepttauglichkeit bis auf Bauteilebene nachgewiesen ist, das heißt, deren Funktionieren und Herstellbarkeit sichergestellt ist. Durch Messgrößen wie „Anzahl Bauteile ohne nachgewiesener Konzepttauglichkeit“ oder „Anzahl Bauteile ohne Herstellbarkeitsnachweis“ bringen dabei den technischen Handelsbedarf quantitativ auf den Punkt.
„Welche Arbeitsstände im Einzelnen auf dem Weg zum Gate erreicht sein müssen,“ so Malorny weiter, „klären die Beteiligten miteinander. Das ist eine Abmachung wie zwischen Lieferant und Kunde.“ Gemeinsam nach dem Vieraugen-Prinzip werde dann entschieden, ob das Arbeitsergebnis den vereinbarten Anforderungen entspricht. Reiche das Ergebnis nicht aus, müsse das Team einen zweiten Anlauf machen – mit allen Konsequenzen inklusive Verschiebung nachfolgender Termine und zusätzlicher Aufwände.
Nun sollen jedoch die Quality Gates nicht zum Offenbarungseid werden, sondern helfen, ein Projekt erfolgreich zu steuern. Gerade bei sehr komplexen Entwicklungsprogrammen liegt der Schlüssel deshalb darin, die Qualitätsmeilensteine mit Hilfe von systematischen Vorschauen sorgfältig vorzubereiten. Wolfgang Neubert, Partner bei McKinsey in Wien und Produktentwicklungsexperte: „Wir vergleichen das immer mit der Überwachung des Landeanflugs eines Jets. In den Vorbetrachtungen wird über Soll-Ist-Vergleiche der kritischen Messgrößen verfolgt, ob wichtige Zwischenetappen rechtzeitig erreicht sind.“ Die Zeit bis zum Erreichen des Ziels, der Quality Gates, lasse sich so minutiös verfolgen.
„Selbst bei komplexen Produktentwicklungen, die mehrere Jahre dauern und viele hundert Mitarbeiter einbeziehen, ist damit immer vollständige Transparenz gewährleistet – die Voraussetzung für rechtzeitiges Reagieren und Gegensteuern bei Problemen,“ betont Neubert. Kritische Projektentscheidungen, wie die Freigabe weiterer Investitionen, könne das Topmanagement auf fundierter Datenbasis treffen.
„Bei der Produktentwicklung wird häufig zu sehr allein auf die Markteinführung geschaut. Die kommt aber erst am Ende des Prozesses. Mit den Quality Gates schaffen wir viele kleine Markteinführungen, die sich über den gesamten Prozess verteilen“, fügt Malorny hinzu. Das schaffe eine hohe Aufmerksamkeit von Anfang an. Denn je früher Qualitätsprobleme erkannt würden, um so einfacher und natürlich kostengünstiger lassen sie sich beheben: „Werden am Anfang alle Termine eingehalten, bleibt zum Schluss noch genug Spielraum für mögliche Feuerwehreinsätze.“ Gerade zu Beginn des Prozesses sollten die Meilensteine in kurzen Abständen aufeinander folgen.
Für die Abnahme der Quality Gates ist der Vorstand zuständig. Das signalisiere den Mitarbeitern, wie wichtig die Methodik für das Unternehmensergebnis sei, hebt man bei McKinsey hervor. „Wird ein Meilenstein erfolgreich passiert, feiert die Entwicklungsmannschaft. Das stärkt den Zusammenhalt und spornt zu Höchstleistungen an“, schließt Malorny. Ciu/Kip
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