Produzieren direkt auf Kundenwunsch
König Kunde will Druckluft-Werkzeuge, die auf seine individuellen Bedürfnisse optimal abgestimmt sind. Deshalb werden bei Atlas-Copco in Tierp, Schweden, immer wieder spezielle Einzelteile hergestellt – flexibel ohne große Automation.
Markku Pärssinen, Chef des Atlas-Copco-Werkes in Tierp, gibt einen Einblick in die Organisationsstruktur des Unternehmens: „In unserer Montage läuft nichts automatisch ab, weil wir kleine Losgrößen fahren und auf Kundenwünsche sehr flexibel reagieren wollen.“ Und das geht nun mal am besten mit Menschen. Deshalb sind von den insgesamt 370 Mitarbeitern, die im Werk Tierp beschäftigt sind, auch rund 330 in Produktion und Montage zu finden. Lediglich 40 widmen sich Engineering- und Führungs-Aufgaben. Die Werker sind hochmotiviert, weil sie sich ihre Arbeit selbst einteilen dürfen. Und sie tragen stets saubere Arbeitskleidung. Denn zumindest der Kleiderwechsel in den Werkhallen ist rationalisiert. Atlas Copco hat einen Kleider-Automat im Werk aufgestellt, der jedem Werker aufgrund eines eingetippten Codes frische Kleidung herausgibt. Das Unternehmen war vor zwei Jahren mit dieser Einrichtung eines der ersten Unternehmen in Schweden. Der Werker gibt seine schmutzige Wäsche in einen Sammelbehälter, den eine Wäscherei abholt und die saubere Kleidung auf einem Bügel wieder einhängt.
„Wir haben 10 Montagegruppen gebildet“, beschreibt Pärssinen die Freiheit der Werker, „die völlig autark ihre Arbeit einteilen.“ Sie schauen jeden Morgen, welche Anforderungen – die sich aus den Kundenaufträgen ableiten – im Computer stehen und bestimmen dann die Arbeitsabläufe selbst. Das Atlas-Copco-Management ist sich sicher, dass dadurch optimale Abläufe garantiert und kürzere Fertigungs-Zeiten realisierbar sind. Natürlich hat der Liefertermin auch für die Werker höchste Priorität. Und weil nur sie den besten Überblick und die aktuellen Detailkenntnisse über die Auslastung von Betriebsmitteln und die Verfügbarkeit von Bauteilen und Komponenten haben, können sie auch optimale Entscheidungen treffen.
Darum ist die Fertigungstiefe bei den eigengefertigten Teilen – das sind die wichtigen, die Know-how erfordern – recht hoch. Von den 11 000 verschiedenen Komponenten werden 8500 von Zulieferern beigestellt. Organisation und Konstruktion sind so ausgelegt, dass mit den 2500 eigengefertigten Teilen auch sämtliche kundenspezifischen Änderungen im Hause bleiben.
Bearbeitungszentrum sorgt für die notwendige Flexibilität
Deshalb leistet sich Atlas Copco in Tierp eine eigene Härterei, um auch kundenspezifisch modifizierte Teile optimal behandeln zu können. Dazu kommt noch eine firmeneigene Lackiererei, die neben den klassischen Atlas-Copco-Farben Gelb und Schwarz jeden Kundenwunsch sofort realisieren kann. In Tierp wird nämlich mit Pulverlack und Einbrenn-Ofen gearbeitet, was beim Farbwechsel kaum einen Mehraufwand erfordert und somit eine kostengünstige Fertigung bedeutet.
Aber auch in der mechanischen Fertigung steht Flexibilität hoch im Kurs. Das fängt bereits im Rohmaterial-Lager an, das das Rundmaterial in speziellen Behältern aufnimmt. Die sind so konzipiert, dass sie auf einfachen Rollwagen von Hand an die Maschinen gebracht werden können.
Auf diese Weise wird nicht nur einiges an Wartezeit auf einen Gabelstapler eingespart, es werden auch weniger Stapler im Fuhrpark gebraucht. Des weiteren wird das Wieder-Einlagern erleichtert, denn die Lagersoftware erlaubt sogar das Rückliefern eines „angebrochenen“ Behälters.
Mit Hilfe von CNC-gesteuerten Dreh-Automaten – im Werk Tierp stehen allein 20 Traub DNS in Reih und Glied – lassen sich auch kleine Losgrößen wirtschaftlich herstellen. Für die Herstellung der vorwiegend rotationssymmetrischen Teile steht Markku Pärssinen ein Tsugami FMA 5-Bearbeitungszentrum (BAZ) zur Verfügung. Die Maschine ist mit einem Werkzeug-Magazin für 180 Werkzeuge ausgerüstet und damit in der Lage, sämtliche erforderlichen Bearbeitungen in einer Aufspannung auszuführen und montagefertige Teile abzuliefern. Der Palettenwechsler mit seinem Pool von 21 Paletten sorgt bei dem BAZ für die notwendige Flexibilität und das hauptzeitparallele Einrüsten der benötigten Teile.
Der „Star“ im Werk Tierp ist die neue, kleine Druckluft-Turbine, die mit der von Atlas Copco entwickelten Turbo-Technologie trotz ihrer geringen Baugröße und ihres geringen Gewichtes eine Leistung von 2 kW abgibt. Diese, nach Firmen–Angaben einmalige Leistung liege an der Nutzung des Prinzips der Axial-Turbine, wie sie sonst nur bei Düsentriebwerken eingesetzt wird. Das Faszinierende daran sei, dass diese Turbine Reynoldszahlen von über 100 000 erreiche und dennoch so klein gebaut sei, dass sie in ein Handwerkszeug passt. Und das wiederum gefalle dem Markt, der die als „Turbo-Banane“ apostrophierte Schleifmaschine gern ordere, hebt man in Tierp hervor. Schließlich sei das Gerät nicht nur schnell, es brauche auch wenig Luft – nur 15 l pro s. Und die ergonomisch optimierte Form – eben der Knick im Griff nach unten, der einer Banane ähnelt – habe in der Praxis eine deutliche Produktivitäts-Steigerung gebracht. NORBERT SCHMIDT
Kleine Lose wirtschaftlich fertigen: In der Montage des AtlasCopco-Werkes Tierp dominiert Handarbeit, um möglichst schnell und flexibel auf die unterschiedlichsten Kundenwünsche reagieren zu können.
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