Neue Richtlinie für das Inverkehrbringen von Maschinen tritt im Dezember in Kraft
Der Countdown für Maschinenhersteller läuft. Noch gut drei Monate, dann müssen alle neu in den Verkehr gebrachten Maschinen und unfertigen Maschinen die Bestimmungen der Neuen Maschinenrichtlinie (NMR) erfüllen. Die Richtlinie gilt für die gesamte Europäische Union. Sie trifft dabei auch auf Maschinen und Anlagen zu, die schon fertiggestellt sind, aber wegen der Wirtschaftskrise erst im nächsten Jahr oder später ausgeliefert werden. Wer noch nach der bisherigen Richtlinie geplant hat, sollte bis dahin nachbessern. VDI nachrichten, Düsseldorf, 4. 9 .09, ciu
Aber auch hier liegt der Teufel im Detail. Die Neue Maschinenrichtlinie (NMR) der Europäischen Union ist 63 DIN-A4-Seiten stark und soll für mehr Rechtssicherheit im Binnenmarkthandel sorgen. Das erschwert die Umsetzung: „Die Richtlinie ist schwer zu lesen“, bestätigte Ulrich Kessels, Fachmann für CE-Zertifizierung. Deshalb arbeitet nach Aussage von Ostermann eine Arbeitsgruppe bei der EU-Kommission derzeit mit Hochdruck daran, einen leichter verständlichen Leitfaden zu verfassen. Das Dokument sollte schon Ende des vergangenen Jahres erscheinen. Doch die Vereinfachung ist anspruchsvoll: Man kann mit 350 bis 400 Seiten Erläuterungen rechnen und mit der Fertigstellung wohl frühestens erst in 2010.
So lange können die Unternehmen nicht warten. Während Konzerne in der Regel eigene Arbeitsgruppen gebildet haben, die sich mit der NMR beschäftigen, fehlt kleineren Unternehmen das Personal dazu. Sie holen externe Berater ins Haus und informieren sich auf Seminaren, wie zum Beispiel Mosca, ein Maschinenbauer aus dem badischen Waldbrunn mit rund 600 Mitarbeitern. Produktsicherheitsbeauftragter Thomas Scheuermann und seine Kollegen lasen zunächst Bücher und besuchten Seminare. Dann ließ sich der Mittelständler vom TÜV und von der Berufsgenossenschaft bei der Umsetzung der neuen Richtlinie beraten.
Auch für Anbieter von Sicherheitstechnik ist ein Markt entstanden. Pilz, ein Unternehmen für Automatisierungstechnik mit 1200 Mitarbeitern aus Ostfildern bei Stuttgart, hat aus diesem Beratungsbedarf ein neues Geschäftsmodell entwickelt. „Wir bieten seit einigen Jahren Sicherheitsberatung als Dienstleistung an, also einen Komplett-Service“, sagte Pilz-Consultant Matthias Wimmer. Denn auch die neuen Sicherheitsnormen EN 13849 und EN 62061 stellen höhere Anforderungen an die Unternehmen. „Bisher konnte man mit Datenblättern standardisierte Unterlagen zur Fehlersicherheit einkaufen“, erläutert Wimmer. Jetzt dagegen müsse man für selbst hergestellte Maschinen eigene Berechnungen vorweisen.
Bei Nichtbeachtung drohen fünfstellige Geldbußen oder europaweites Vertriebsverbot
Das Geld für die Beratung scheint gut angelegt zu sein, denn Fehler bei der Umsetzung der NMR können sehr teuer werden. Wer nach dem 29. Dezember Maschinen verkauft, die der NMR nicht entsprechen, dem drohen empfindliche Strafen auf Basis des nationalen Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes (GPSG): Geldbußen in fünfstelliger Höhe oder gar ein Vertriebsverbot bis hin zum Rückruf – ganz zu schweigen von dem Imageverlust, den das Unternehmen erleidet, wenn die Missachtung des Gesetzes durch Internetveröffentlichungen europaweit bekannt wird.
Besonders die Risikobeurteilung in der NMR hat es in sich. Die alte Maschinenrichtlinie spricht von Gefahrenanalyse, was auf einem Übersetzungsfehler beruht. Im Arbeitsschutz spricht man dagegen von Gefährdungsbeurteilung. Während bei der Gefährdungsbeurteilung Gefährdungen betrachtet werden, die im Einsatz vor Ort, das heißt beim Maschinenbetreiber, auftreten, versteht man unter Gefahrenanalysen das Analysieren von Gefährdungen, die von der Maschine selbst ausgehen können. In der neuen Richtlinie wird die bisherige Gefahrenanalyse durch den richtigen Begriff „Risikobeurteilung“ ersetzt und das Vorgehen des Konstrukteurs festgelegt. Künftig muss der Hersteller bereits vor dem Bau einer Maschine, das heißt in der Planungs- und Konstruktionsphase, deren Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen ermitteln. Erst dann darf gefertigt werden.
In der Praxis steckt hierbei der Teufel oft im Detail. Das musste auch Hubert Brormann von Haver & Boecker, einem Hersteller von Sondermaschinen aus Oelde, feststellen. Nach der NMR müssen diese Maschinen in Teilbereichen über „unverlierbare Schrauben“ verfügen. Jede Schraube wird deshalb mit einem Sicherungsring versehen. Anlagen, die im Freien stehen, müssen über einen Blitzschutz verfügen. „Alles in allem hat uns die Umstellung auf die Neue Maschinenrichtlinie bisher rund 200 000 € gekostet, am Ende werden es etwa 250 000 € sein“, sagt Brormann. „Aber das ist es uns wert. Denn da geht es um Menschenleben.“ M. BERNHARD
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