Nanoteilchen bekämpfen Krebs
VDI nachrichten, Düsseldorf, 7. 4. 06, ber – Manchmal ist ein Tumor nur walnussgroß. Und doch erfasst eine Chemotherapie den ganzen Körper. Zum Leidwesen der Patienten attackieren herkömmliche Medikamente selten nur die kranken Zellen. Nun aber rückt die gezielte Therapie mit einer neuen Forschungsdisziplin, der Nanomedizin, in greifbare Nähe.
Gut die Hälfte der Unternehmen beschäftigt sich mit nanoskaligen Wirkstofftransportsystemen, um Arzneimittel im Körper gezielt am Krankheitsherd freizusetzen. „Hier gibt es im Moment den größten Bedarf und auch die größten Anwendungspotenziale der Nanotechnologie. Zudem geht es um einen Markt von etwa 400 Mio. € weltweit“, erklärt Volker Wagner vom VDI-Technologiezentrum.
Erste Transportsysteme für Medikamente gibt es bereits in verschiedenen Präparaten im Handel. So verkauft das Schweizer Pharma-Unternehmen Novartis ein Arzneimittel für Großwüchsige, das den Wirkstoff aus kugelförmigen Mikroschwämmen abgibt. Die Mikrocontainer werden fein verteilt in einem Serum ins Gewebe gespritzt und bleiben passiv am Einstichort liegen. In den haarfeinen Poren der Schwämme sitzt der Arzneistoff Sandostatin. Daraus kriecht er allmählich hervor und wird an die umliegenden Zellen ins Blut abgegeben.
So setzen die Mikroschwämme das Arzneimittel einen Monat lang frei. Die Depotfunktion ist lebensnotwendig, denn Sandostatin wirkt nur in eng begrenzten Dosen. Ist die freigesetzte Menge zu groß, kann es zu Nebenwirkungen kommen. Liegt sie zu niedrig, so hilft sie nicht. Die Mikroschwämme sorgen für eine optimale Versorgung.
In solchen Mikrocontainern gehen bereits Hormonpräparate, Krebswirkstoffe und Psychopharmaka über den Ladentisch. „Wir forschen mit Nachdruck an Depot-Medikamenten und haben mehrere in der Pipeline“, sagt David Bodmer, Abteilungsleiter der Pharmazeutischen und Analytischen Entwicklung bei Novartis in Basel.
Auf winzige Eisenoxid-Nanopartikel setzt indes die Firma Mag Force Nanotechnologies AG in Berlin. Das Unternehmen wurde vor acht Jahren aus Forschungsprojekten der Charité von Andreas Jordan gegründet. Sein Team hat herausgefunden, dass sich winzige nanometergroße Eisenoxidteilchen in Krebszellen anreichern und dann mithilfe eines Magnetfeldes aufheizen lassen. Mit diesem Trick kann Tumorgewebe gezielt bekämpft werden.
Seit 2003 werden die gerade mal 15 µm großen Teilchen in klinischen Studien an Krebspatienten erprobt. Zurzeit konzentriert man sich u. a. auf Hirntumore und Prostatakrebs. „Die Eisenoxidpartikel wirken nur lokal und können das Tumorwachstum stoppen. In einzelnen Fällen bildet sich der Tumor auch komplett zurück. Nebenwirkungen wie bei einer Chemo- oder Strahlentherapie haben wir bislang nicht beobachtet“, erklärt Jordan.
Die Eisenoxidteilchen tragen eine eiweißähnliche Schutzhülle, die sich an die Tumorzellen heftet und ermöglicht, dass die Teilchen zu Tausenden ins Innere dringen können. „Wir wissen noch nicht genau, wie das abläuft. Aber wir können sehen, dass es nur bei Krebszellen geschieht, nicht aber bei gesunden Zellen“, schildert Jordan.
Ob sich die Arzneimittel aber nicht auch an unerwünschten Orten etwa im Gehirn ablagern, müssen die Nanomediziner mit gänzlich neuen Techniken überprüfen. Jordan glückte das mit einem Bildgebungsverfahren, einer speziellen Form der Magnetresonanztomographie. Die große Herausforderung der Nanomedizin bleibt es, die Nanopartikel auf ihrem Weg und bei ihrer Wirkung in den Zellen zu verfolgen, wie eine Studie der European Science Foundation feststellt. S. DONNER/ber
Deutschland ist weltweit Nr. 3 bei der Nanomedizin
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