Nanotechnologie hält Einzug ins Automobil
VDI nachrichten, Berlin, 10. 9. 04 -Viele Autoteile enthalten schon Nano-Materialien. Mit dem Programm „Nanomobil“ will das Bundesforschungsministerium neue Anwendungen fördern, um der Zukunftstechnologie den Marktzugang zu erleichtern. Die Resonanz der Autobranche ist groß.
Prof. François Diederich, Leiter des Fachbereichs Chemie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, ist voll des Lobes: „An Nachwuchswissenschaftlern im Bereich Nanotechnologie fällt mir immer wieder eine besondere naturwissenschaftliche Neugier und ein besonders ausgeprägter Entrepreneur-Geist auf.“ Viele der Besten würden zur Doktorarbeit oder zum Postdoktorat in diese Richtung wechseln.
Nanowissenschaften gelten nicht nur unter Studierenden als spannend und zukunftsweisend. Auch die Autobranche setzt auf das innovative Potenzial dieser Querschnittstechnologie – wobei es gleichermaßen um Ökologie, Sicherheit, und Komfort geht. Ob in Katalysatoren oder im Lack, ob als Beschichtung von Scheinwerfern oder hoch belasteten Diesel-Einspritzsystemen, in Umfeldsensoren oder in Leichtbaukomponenten: Produkte aus der Nanowelt halten an vielen Fronten Einzug ins Auto. Die Forschungsabteilung von DaimlerChrysler erwägt sogar photovoltaische „Solarlacke“, um mit der daraus gewonnenen Energie stehende Autos zu klimatisieren. Das ist aber Zukunftsmusik.
Doch der Sindelfinger Konzern lackiert schon viele Modelle mit einem extrem kratzfesten Lack, der seine Oberflächenhärte nanometerkleinen Silikatverbindungen verdankt. Und es zeichnet sich ab, dass bald noch weit mehr Nanoteilchen die Autobranche beflügeln werden: Ein auf Autohersteller und ihre Zulieferer zugeschnittenes Förderprogramm des Bundesforschungsministeriums stößt auf enorme Resonanz. „Wir sind mehrfach überbucht und können keine weiteren Anträge mehr entgegennehmen“, erklärt Dr. Jochen Dreßen, der das Programm „Nanomobil“ auf Seiten des VDI Technologiezentrums Düsseldorf begleitet. Über 50 Mio. € stellt der Bund in den vier nächsten Jahren bereit, um Nanomaterialien im Automobilbereich zum Durchbruch zu verhelfen.
Schon heute lässt Volkswagen (ebenso wie Volvo und Jaguar) Scheinwerfer von Oberklassemodellen mit so genannten Anti-Fog Beschichtungen versehen, damit sie bei feuchtem Wetter nicht von innen beschlagen. Sven Probst ist ein Nano-Schichten-Entwickler. Der Forschungsleiter der Genthe-X-Coatings (GXC) GmbH aus Goslar und passt perfekt ins Bild des Nano-Nachwuchsforschers, wie es der Schweizer Professor Diederich zeichnet. Nach seinem Chemiestudium wechselte er ans Fraunhofer Institut für Schicht- und Oberflächentechnik in Braunschweig, um über Nano-Beschichtungen zu promovieren. Doch bevor er seine Promotion zu Ende bringen konnte, trug ihm das Start-up GXC den Posten als Forschungsleiter an – da schlug sein Entrepreneurgeist durch …
GXC ist ein typischer Nano-Zulieferer im Automobilbereich. Ein Start-up, eng vernetzt mit anderen Zulieferern, Autokonzernen und Forschungsinstituten, das seine Nische gefunden hat. Inzwischen ist das Unternehmen zum anerkannten Spezialisten für Beschichtungsverfahren auf Glas und Kunststoffen gereift. Die fürs menschliche Auge unsichtbaren Schutzfilme sorgen nicht nur für dauerhaft klare Scheinwerfergläser, auch Helmvisiere, Sport- und Schutzbrillen oder optische Sensoren beschlagen damit nicht mehr. Zudem bieten sie Schutz vor Schmutz und Kratzern. Aktuell forscht man mit Hochdruck an Beschichtungen für Autoscheiben, damit diese nicht mehr beschlagen. Das funktioniert zwar schon, doch noch sind die Materialien zu empfindlich gegen Abrieb und gegen Putzmittel, mit denen Autobesitzer die Scheiben von Zeit zu Zeit reinigen.
GXC ist ein Technologieanbieter, der über eine eigene Anlage und das nötige Know-how verfügt, um Nanoschichten aufzutragen. Gerade hier tut sich laut Stefan Sepeur, Geschäftsführer der Nano-X GmbH in Saarbrücken, derzeit ein Mangel auf. Während man anderswo noch in der Materialforschung stecke, gebe es hierzulande ausgereifte Nanomaterialien, für die man erst noch Verarbeitungsverfahren entwickeln müsse. „Ein gutes Zeichen“, findet Sepeur, „denn es zeigt, wie weit wir in Deutschland mit der Nanotechnologie sind“.
Neben Verarbeitungs-Know-how fehlt vielen Unternehmen, die sich Impulse von Nanowerkstoffen erhoffen, die nötige Analytik. Hier setzt das Zentrum für Nanotechnologie (CeNTech) in Münster an, das Unternehmen mit einem Gerätepool und qualifizierten Mitarbeitern Hilfestellung bietet und sich als Weiterbildungs- und Gründerzentrum versteht. „Wir sehen uns als Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und Anwendern“, erklärt der wissenschaftliche Leiter des CeNTech, Prof. Harald Fuchs, der am Physikalischen Institut der Uni Münster lehrt.
Sven Probst begrüßt solche Bildungsangebote und die vielerorts angebotenen Vertiefungsstudiengänge in Nanowissenschaften. „Es ist heute fast leichter, Nanomaterialien zu entwickeln als gute Mitarbeiter zu finden.“ Studierenden, die in die Nanotechnik streben, rät er zunächst zu einem Chemie-, Physik- oder Maschinenbaustudium. Interdisziplinär werde es noch früh genug. Diesen Eindruck bestätigt Diederich: „Ob in der Hochschule oder Industrie – an der Interdisziplinarität kommt man nicht vorbei. Sie liegt in der Natur nanotechnologischer Forschung“. Er rät zum Grundlagenstudium in einer Naturwissenschaft – obwohl viele Unis und Fachhochschulen Bachelor- und Masterstudiengänge in Nanowissenschaften anbieten. Er befürchtet, dass solche Studiengänge zu viele Themen mit ungenügendem Tiefgang behandeln. Auch bei Susanne Hüntemann, in der Personalabteilung der BASF Coatings AG Ansprechpartnerin für naturwissenschaftliche und technische Hochschulabsolventen, überwiegt die Skepsis gegenüber der reinen Nano-Ausbildung. Nanotechnologie sei ein zu umfassendes Feld, um für ihr Unternehmen per se von Interesse zu sein. Bei Einstellungen achte man eher auf oberflächenspezifische Vorkenntnisse. P. TRECHOW
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