Nano-Gold im Kirchenfenster
Nanopartikel erobern mehr und mehr den Alltag. Sie machen Badewannen schmutzabweisend und desinfizieren Türklinken. Sie veredeln Cremes und Zahnpasta. Ein breiter Markt lockt die Nano-Forscher.
Bereits seit dem Mittelalter gibt es Nanotechnologie – zumindest in ersten technischen Anwendungen. In manchen Kirchenfenstern zum Beispiel. Ihre rubinrote Farbe verdanken sie nanometergroßen Goldpartikeln. Die Glashersteller ahnten damals nicht, dass sie mit den winzigen Goldmengen, die sie mit dem Glas einschmolzen, Cluster von Nanopartikeln erzeugten. Der Effekt: Statt goldgelb leuchteten die Fenster strahlend rot. „Der Farbwechsel beruht auf den veränderten elektronischen Eigenschaften solch kleiner Teilchen“, erklärt Stefan Lach, Chemiker und Nanoforscher von der Universität Kaiserslautern. Bei ihrer Größe – sie bestehen aus rund 100 Atomen – ändert sich die Wellenlänge des Lichtes: Statt goldenem fällt rotes Licht in die Kirche.
In der Nanowelt gelten andere Gesetze als im Makrobereich. Bereits heute nutzen die Forscher das sehr geschickt – für Desinfektionsmittel zum Beispiel. So regt das UV-Licht der Sonne die Elektronen von Titandioxid an. Diese bilden in Gegenwart von Wasser und Sauerstoff Wasserstoffperoxid. Das Oxidationsmittel zerstört unliebsame Mikroorganismen wie Bakterien oder Schimmelpilze. Das Saarbrücker Unternehmen itN-Nanovation beschichtet Fliesen oder Türgriffe mit Titandioxid, das in öffentlichen Gebäuden oder Krankenhäusern Keimen schützen und herkömmliche Desinfektionsmittel ersetzen kann.
Nanopartikel sind so klein, dass sie zwar UV-Licht absorbieren, sichtbares Licht aber nicht beeinflussen. Daher erscheinen sie transparent und eignen sich für viele Arten von Beschichtungen, bei denen „Durchblick“ erforderlich ist. Brillengläsern, Lupen oder optischen Linsen aus Kunststoff zum Beispiel verleihen die winzigen Partikel eine kratzfeste Oberfläche.
Sie schützen Teppich und Kleidungstücke vor Flecken. Waschbecken, Fliesen und Duschkabinen machen sie vor kalk- und schmutzbeständig.
Wurden früher solche Beläge in Badewanne und Waschbecken eingebrannt, so kann man heute sein Badezimmer selbst mit „Nano“ ausstatten – durch Auftragen einer Partikelflüssigkeit mit einem Tuch, dem „Wonder Gliss Fluid“ des Wiesbadener Unternehmens Nanogate zum Beispiel. Die Wirkung bleibt mehrere Monate erhalten und macht tägliches Reinigen überflüssig.
Genauso einfach können Sportler Skier und Snowboards mit einem ebenfalls von Nanogate entwickelten Cerax-Tuch wachsen.
Das Geheimnis solcher Beschichtungen sind Moleküle, die sich „selbst organisieren“. Sie bestehen aus einer „Ankergruppe“ – die an die Oberfläche von Badewanne, Waschbecken oder Skiern andockt. Die Kopfgruppe hingegen lässt Wasser und Schmutz abperlen oder den Ski gleiten. Im Idealfall besteht die Beschichtung aus nur einer Moleküllage – vorausgesetzt die Moleküle organisieren sich wie gewünscht.
Mit glatten Oberflächen beschäftigen sich auch Forscher von Sustech in Darmstadt, einer Ausgründung von Henkel. Sie wollen glatte Zähne erzeugen. Durchs Rasterkraft-Mikroskop betrachtet, ist ihre raue Oberfläche deutlich zu sehen – ein Angriffspunkt für Bakterien und Karies. Das Henkel-Team mischt Nanopartikel aus mit Fluor angereichertem Hydroxylapatit – dem Hauptbestandteil der Zähne – in Zahnputzmittel. Erste Tests an Rinderzähnen zeigten „ein frappierendes Ergebnis“, sagt Projektleiter Prof. Rüdiger Kniep. Der raue Zahnschmelz glättet sich und der Nanoapatit haftet selbst nach vielen Spülungen noch.
Die Forscher erwarten, dass Nanopartikel aus Calciumphosphaten sogar den natürlichen Wiederaufbau geschädigter Zahnoberflächen begünstigen können.
Auch in die Kosmetik hält die Nanotechnologie Einzug. „Wenn die Wassertröpfchen in einer Emulsion von Wasser in Öl so klein werden, dass keine Mikroorganismen darin wachsen können, sind Konservierungsstoffe nicht mehr notwendig“, erläutert Dr. Roger Wepf aus der Forschungsabteilung von Beiersdorf.
In Sonnencremes schützen Nanopartikel aus Titandioxid. Die Teilchen reflektieren die besonders schädliche UVB-Strahlung und schützen so die Haut vor Sonnenbrand. „Die winzigen Kügelchen von 20 nm bis 100 nm können sich viel dichter zusammenlagern, als dies mit größeren Teilchen möglich wäre“, erläutert Wepf das Prinzip. „So entsteht ein dichter Schutzfilm.“
Die Forscher arbeiten mit unterschiedlichen Partikelgrößen und beschichten diese zusätzlich. So können sie verhindern, dass die winzigen Teilchen in die Haut eindringen. Sie bleiben auf den oberen abgestorbenen Zellen der Haut.
Die Beiersdorf-Forscher wollen künftig die molekularen Funktionen der Haut besser verstehen. Auch dazu nutzen sie Nanotechnologie – in Form von Rasterkraftmikroskopen. „Wenn wir so weit sind“, so die Vision von Wepf, „brauchen wir eines Tages vielleicht keine Spritzen mehr, weil Wirkstoffe einfach über Cremes durch die Haut in die Blutgefäße gelangen könnten.“
URSULA SCHIELE-TRAUTH
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