Mit kleinen Teilen groß im Geschäft
Die Mikrosystemtechnik wird Verfahren und Produkte besser, sicherer und billiger machen. Innovationen müssen aber erst aus der Forschung zur Serienreife gebracht werden. Hier setzt die Steag microParts aus Dortmund an, die Produkte der Mikrostrukturtechnologie entwickelt, fertigt und vertreibt – weltweit.
Wie kommt ausgerechnet die „Power Company“ Steag, deren Kerngeschäft doch der Bau und Betrieb großer Kohlekraftwerke ist, zur Mikrosystemtechnik? Zusammen mit dem Forschungszentrum Karlsruhe hatte die Steag die „Liga-Technik“ (Lithografie-Galvanoformung-Abformung) für den Einsatz im Kernkraftwerksbereich entwickelt, die es erstmals erlaubte, Strukturen von einigen tausendstel Millimetern Größe in die Tiefe des Materials zu projizieren und nahezu identisch zu reproduzieren. Doch damit nicht genug: Über diese Anwendung hinaus erkannten die Forscher zahlreiche Einsatzmöglichkeiten der neuen Technologie. „Wir mussten aber noch einige Jahre Entwicklungsarbeit leisten, um sie zur Serienreife zu bringen – und das war eine Aufgabe für Ingenieure“, berichtet Reiner Wechsung, Vorsitzender der Geschäftsführung, über die Anfänge des immer noch jungen Unternehmens.
Auch wenn die Steag-Verantwortlichen grundsätzlich entschieden hatten, in neue Zukunftsfelder jenseits der Steinkohle zu investieren, war ihnen die ganze Sache noch nicht ganz geheuer – also suchten sie sich fünf weitere Ruhrgebietskonzerne als Partner, um das Risiko zu minimieren. Als dann mit Hilfe öffentlicher Fördermittel in einer Gesamthöhe von 15 Mio. ` in der Nähe zum Uni-Campus das Dortmunder Zentrum für Mikrostrukturtechnik entstand, gab es 1994 auch für microParts den offiziellen Startschuss.
„Unser entscheidender Vorteil ist, dass wir wie ein echtes mittelständisches Unternehmen mit der notwendigen Selbstständigkeit und Flexibilität an Innovationen arbeiten können, aber einen großen finanzstarken Konzern im Rücken haben. Denn es braucht einen langen Atem, um langfristig erfolgreich zu sein. Dies zeigen auch die hohen Investitionskosten von rund 50 Mio. `, die bisher in unser Unternehmen flossen“, erläutert Wechsung.
Doch die Rechnung scheint aufzugehen: Von anfangs 40 wuchs microParts auf inzwischen rund 220 Beschäftigte, die das Unternehmen mit mechanischen, optischen und fluidischen Bauteilen zu einem international führenden Zulieferer für die biomedizinische Industrie machten. Wichtige eigene Entwicklungen sind mikrostrukturierte Kanalplatten für die medizinische Diagnose und Mikrospektrometer für die berührungslose Gelbsuchtfrüherkennung bei Babys. Besonders viel versprechen sich die Dortmunder Spezialisten von ihrem Aerosolzerstäuber zur Asthmabehandlung, der im Auftrag von Boehringer Ingelheim entwickelt wurde. Eine Mikrodüse in Kombination mit einer Mikropumpe sorgt für das sparsame Vernebeln flüssiger Medikamente – ohne den Einsatz umweltschädlicher Treibgase.
Auf Routine können die Ingenieure bei microParts kaum zurückgreifen, wenn sie für jedes neue Produkt, das in großen Stückzahlen gefertigt werden soll, eine eigene Produktions- und Montagelinie entwickeln und konstruieren müssen. Und bevor ein Pharmaprodukt wie der Aerosolzerstäuber in den Handel kommt, sind während und vor Beginn der Produktion feste Spielregeln einzuhalten. So gibt es DIN-Normen und die „Good Manufacturing Practices“ (GMP) – Richtlinien, die z. B. Schutzanzüge und Körperdesinfektion vorschreiben. „Die Auftraggeber aus der Pharmaindustrie wissen, dass dieser Aufwand einfach nötig und mit besonderen Kosten verbunden ist, denn so ein Zerstäuber kann lebenswichtig sein für die Patienten und muss in allen Lebenslagen, ob in der Wüste oder auf hoher See, und für sehr lange Zeit funktionieren“, erläutert Marketing- und Sales-Manager Stefan Kreuzberger.
Thomas Becker ist gerade damit beschäftigt, die Inspektionsanlage zu validieren. „Bevor wir eine Anlage in der Produktion einsetzen, zeichnen wir ihren kompletten Lebenszyklus auf, von der Planung über die Installation bis zum Probebetrieb. Zahlreiche Versuchsreihen stellen sicher, dass die Anlage genau das tut, was sie kann und soll“, erklärt der 36-jährige Ingenieur.
Der gelernte Schlosser hat erst spät studiert, weil seine erste Liebe, die Musik, zu stark war. Becker war Bassist einer Speed-Metal-Band. Seit drei Jahren arbeitet der Absolvent des Studiengangs Physikalische Technik , Fachrichtung Mikrosystemtechnik an der FH Gelsenkirchen, bei microParts, zuvor hatte er drei Jahre als Student seinen späteren Arbeitgeber kennen gelernt: Eine übliche und forcierte Form der Mitarbeiterauswahl, betont Stefan Kreuzberger.
Becker hat Spaß an seinem Job: „Ich kann relativ selbstständig arbeiten, und es ist interessant, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass Prozesse optimiert und Produkte besser hergestellt werden können“, beschreibt er seine Gefühlslage – auch wenn manchmal noch der Bass im Proberaum lockt. M. BURAZEROVIC
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