Mikrosysteme im Einsatz
VDI nachrichten, Düsseldorf, 13. 4. 07, jdb – Mikrosystemtechnik hat längst ihren festen Platz in der industriellen Produktion erobert. Der Ausstellungsschwerpunkt Micro Technology präsentiert junge und etablierte Unternehmen, die im Bereich Mikro- und Nanotechnologie aktiv sind. Gerade in der Kombination mit Mikroelektronik entstehen interessante Lösungen.
Mikrosystemtechnik hat den Sprung aus den Forschungslabors in die industrielle Fertigung geschafft,“ davon ist Henning Wicht überzeugt: „Sie hat z. B. gegenüber der Nanotechnologie bei der Industrialisierung einen Vorsprung von gut zehn Jahren.“ Wicht ist mit seiner Technologieberatung Wicht Technologie Consulting Mitautor der vielzitierten Nexus-Studie, die Anfang 2006 bereits zum dritten Mal die Marktchancen für Mikrosystemtechnik (MST) und so genannte Microelectronic Mechanical Systems (MEMS) unter die Lupe nahm.
Demnach soll sich der Weltmarkt für MST/MEMS von rund 12 Mrd. $ in 2004 auf knapp über 25 Mrd. $ in 2009 mehr als verdoppeln. Produkte mit den größten Marktanteilen sind dabei Komponenten, die bereits so fest in das alltägliche Leben integriert sind, dass sie kaum noch als Mikro-Hightech wahrgenommen werden: Druckköpfe für Tintenstrahldrucker, Mikrodisplays für Videoprojektoren sowie Schreib-Leseköpfe für Festplatten.
Ein weiterer Tummelplatz für Mikrosysteme aller Art – vor allem auch moderne Sensoren und Sensorsysteme – ist das Automobil. Druck- und Durchflusssensoren, aber auch Beschleunigungs- und Drehratenmesser liegen nach der Nexus-Studie schon heute auf den Plätzen vier bis sieben der erfolgreichsten MST/MEMS-Produkte.
Auch junge Unternehmen haben in diesem Feld Chancen. „Allerdings“, so Earl Benser, Direktor für MEMS-Technologie bei Honeywell, „sind die relativ hohen Entwicklungskosten für MEMS-Produkte und vor allem die erforderlichen Investitionen in Fertigungstechnologien eine große Hürde beim Eintritt in den Markt.“ Wohl dem also, der als Spin-off einer Hochschule oder mit einem starken Partner im Rücken den Start wagen kann.
Ein Beispiel dafür ist das US-Start-up SiTime. Das Unternehmen wurde Ende 2004 gegründet und hat sich zum Ziel gesetzt, Resonatoren auf Siliziumbasis zu kommerzialisieren, die in vielen Applikationen als Ersatz für Schwingquarze dienen können. „Wir können dabei Prozessinnovationen der Firmen MEMS First und EpiSeal nutzen, die uns exklusiv von Bosch, einem der weltweit führenden Unternehmen in diesem Feld, lizenziert wurden“, stellte Marketing-Chef John McDonald auf dem Globalpress Electronic Summit vor einigen Wochen das Unternehmen vor. CEO und Gründer von SiTime ist übrigens der MEMS-Pionier Kurt Petersen.
Doch welche Vorteile hat ein Resonator aus Silizium in MEMS-Technologie gegenüber dem guten alten Schwingquarz? McDonald: „Wir können sehr kleine Oszillatoren und Timing-Lösungen ohne Quarze bauen, die in Standard-IC-Gehäusen geliefert werden oder sich problemlos in andere Chipsysteme integrieren lassen. Außerdem können wir durch einheitliche Technologiebasis höhere Zuverlässigkeit und auch niedrigere Kosten realisieren.“
Herz des Produktes von SiTime ist ein mikromechanischer Resonator, der ein Bauteil ermöglicht, das gerade einmal 456 µm2 misst. „Ein typischer Schwingquarz hat im Vergleich dazu einen Durchmesser von 2 mm bis 5 mm“, benannte McDonald den Platzvorteil. Er ist überzeugt, über kurz oder lang einen Teil des rund 3,6 Mrd. $ umfassenden Marktes für Quarz-Resonatoren abdecken zu können.
Das ruft natürlich Wettbewerber auf den Plan: Mit SiliconClocks präsentierte sich auf dem Summit gleich ein zweites Start-up, das diesen Markt adressiert. Mitgründer Andrew McCraith wies dabei noch auf einen anderen Aspekt hin, der den Übergang von Quarz auf Silizium beschleunigen könnte: „Mit unseren Produkten sind Applikationen möglich – z. B. wegen der geringen Größe – die mit herkömmlichen Schwingquarzen gar nicht denkbar wären.“ Da müsse dann der Preis des Bauelements gar nicht einmal notwendigerweise niedriger sein, um am Markt Erfolg zu haben.
Es gibt aber einen fundamentalen Unterschied zwischen MEMS-Komponenten und „normalen“ Chips: „Die Wiederverwendung einmal entwickelter Komponenten in neuen Designs ist sehr schwierig“, erläuterte SiliconClocks-Gründer McCraith. Genau dies ist aber das Geheimnis der stetig sinkenden Chippreise.
„Wir brauchen vernünftige Entwurfswerkzeuge für MEMS“, forderte denn auch Mary Ann Maher, Gründerin des Unternehmens SoftMEMS. „Denn wir müssen stetig neue Technologie verfügbar machen, die Ausbeute optimieren und die Erfahrungen von Elektronikern, Physikern und anderen Disziplinen bündeln.“ Da sei noch viel zu tun, denn anders als in der Chiptechnologie gebe es noch keine universell verwendbaren Bausteine, die der MEMS-Designer zu neuen Produkten zusammenfügen könne.
Auf der Hannover Messe, die kommenden Montag ihre Pforten öffnet, widmet sich das Forum Micro Technology in Halle 15 dem weiten Feld der MST/MEMS, aber auch der Nanotechnologie. Neben zahlreichen Unternehmen, großen wie kleineren, sind es vor allem zahlreiche Vorträge und Fertigungsdemonstrationen, die den Messebesuchern die große Welt der kleinsten Systeme nahebringen sollen. jdb
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