Mehr Markterfolge mit weniger Funktion erreichen
VDI nachrichten, Düsseldorf, 26. 10. 07, ciu – Die gezielte Konzentration auf die nützlichsten Produkteigenschaften hilft Unternehmen im globalen Wettbewerb bei der Entwicklung neuer Erfolgsprodukte. Zu der Einschätzung kommt Christian Zeller, Maschinenbauexperte von der Unternehmensberatung Droege und Comp., Düsseldorf.
Zeller: Premiumprodukte sind sicher eine klassische Stärke in vielen Branchen deutscher Unternehmen herausragende Bedeutung haben sie nach wie vor in der Automobilindustrie und dem Maschinen-/Anlagenbau. Die Differenzierung erfolgt primär über Innovationen, Qualität und Image. Wachstumsmärkte sind jedoch häufig weniger die reifen Märkte in Europa und Nordamerika, sondern die aufstrebenden ostasiatischen Märkte sowie die in Osteuropa, Russland und Indien. Deutsche Unternehmen können durchaus auch in diesen Märkten erfolgreich sein und dabei ihre Erfahrungen aus dem Premiumsegment nutzen.
VDI nachrichten: Warum tun sich international agierende deutsche Unternehmen dann aber damit so schwer, auch Produkte im mittleren Segment anzubieten?
Zeller: In vielen Fällen handelt es sich dabei um ein strategisch-kulturelles Problem. In der Automobilindustrie z. B. werden klassischerweise neue Premium-Funktionen und Features zuerst für Oberklasse-Fahrzeuge entwickelt und dort eingesetzt. Mit zunehmender Produktreife werden diese dann auch in Mittelklasse- und Kompaktklasse-Fahrzeugen eingesetzt. Es findet dann ein gezieltes „Down-Grading“ insbesondere in Bezug auf die Kosten statt. Derartig „verbilligte“ Produkte konkurrieren mit spezifischen Low-end-Produkten, die von vornherein unter Kostengesichtspunkten entwickelt wurden.
Die Unternehmen befinden sich in einer Art Sandwich-Position. Einerseits sind sie durch Anbieter aus dem Low-End-Segment gefährdet, deren Produkte zunehmend Merkmale aus dem mittleren Segment besitzen. Andererseits wird der technologische Abstand zu den Produkten im Premiumbereich zunehmend geringer.
Die Unternehmen müssen daher den Kundennutzen gegenüber Low-End-Produkten steigern und gleichzeitig die Stückkosten reduzieren.
VDI nachrichten: Sehen Sie Ansätze, dass hiesige Unternehmen sich künftig auch in diesem Segment stärker engagieren werden?
Zeller: Um in Wachstumsmärkten erfolgreich zu sein, müssen sich Unternehmen den jeweiligen Marktanforderungen stellen. Die Kunden vor Ort erwarten preisadäquate, auf ihre Belange zugeschnittene Produkte. Die Kunden sind schlichtweg nicht mehr bereit, für „übererfüllte“ Anforderungen zu bezahlen. Dies spüren derzeit z. B. die Maschinen- und Anlagenbauer, aber auch die Automobilhersteller und ihre Zulieferer deutlich.
Das gilt nicht nur die „emerging markets“, sondern auch für den deutschen Heimatmarkt.
VDI nachrichten: Das erfordert in der Produktentwicklung vermutlich eine andere Herangehensweise als bei einer Premiumstrategie?
Zeller: Es ist nicht neu, dass „over engineering“ für deutsche Unternehmen ein Thema ist. Die Herausforderung besteht in der Entwicklung von kostenoptimalen Produkten für preissensible Märkte. Dabei können und müssen die hiesigen Unternehmen ihren Wissensvorsprung, den sie sich im Premiumsegment erarbeitet haben, für das Volumensegment nutzen.
Im Rahmen unserer Projekte hinterlegen wir dafür die Produktbenchmarking-Methodik mit einem ganzheitlichen Ansatz. Von dem Günstigsten das Beste, so ließe sich die Methodik in Kürze am treffendsten beschreiben. Dafür werden verschiedene, in ihre Einzelteile zerlegte Wettbewerbsprodukte in Bezug auf das jeweilige Produktkonzept, die Fertigungs- und Prüfverfahren, Materialkosten sowie Standortfaktoren und Gemeinkosten sowie nach ihren Leistungsdifferenzen analysiert. Ziel ist es, das „Best of Best“-Produkt zu kreieren. So entsteht ein Modell, woraus sich wesentliche Entwicklungsrichtungen in Hinblick auf Technologie und Kosteneffizienz ableiten lassen.
VDI nachrichten: Märkte verändern sich aber. Wie lange kann sich ein Unternehmen da auf seine Benchmarking-Zahlen stützen?
Zeller: Einmalig eingesetztes Benchmarking ist sicher eine Momentaufnahme – allerdings ohne dauerhafte Wirkung. Nachhaltigen Erfolg verspricht nur die feste Verankerung einer solchen Methodik im Unternehmen. Dabei geht es nicht einfach um den klassischen Vergleich von Kennzahlen. Der „Best of Best“- Benchmarking-Ansatz zielt vielmehr auf eine direkte Steuerungswirkung und eine dauerhafte Anpassung von Produkten, Prozessen und Verfahren.
VDI nachrichten: Welche Kernfaktoren gilt es da zu verfolgen, um die Mitarbeiter nicht mit zu vielen Aufgaben zu überfrachten?
Zeller: Im Rahmen der praktischen Anwendungen in einer Vielzahl von Projekten haben sich branchenübergreifend vier wesentliche Erfolgsfaktoren herauskristallisiert:
1. Die klare Festlegung des Benchmarking-Fokus und der Produktauswahl.
2. Die Absicherung der teilweise bereichsübergreifend benötigten Ressourcen.
3. Eine klare und einfache Vorgehensweise, die für alle Beteiligten transparent ist. Und zu guter Letzt:
4. Die Validierung der Ergebnisse zum Zweck der Plausibilitätsprüfung.
MARTIN CIUPEK
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