Meerwasserentsalzung bietet Chance für deutschen Anlagenbau
VDI nachrichten, Duisburg, 10. 6. 05 – Bei Meerwasserentsalzungsanlagen sind deutsche Forscher weltweit spitze, die Industrie aber muss sich meist mit Zulieferdiensten begnügen. Dabei sind deutsche Anlagen durchaus gefragt. Die Position der hiesigen Wirtschaft will der Verband Deutsche Meerwasserentsalzung stärken. Wie dies gelingen könnte, diskutieren Experten auf einem Kongress Ende Juni in Berlin.
Weltweit wird mit einer Anlagenkapazität von ca. 36 Mio. m3/Tag derzeit gut doppelt so viel Meerwasser entsalzt, wie alle Privathaushalte in Deutschland zusammen täglich verbrauchen. Das ist auch dringend notwendig, denn ca. 1,2 Mrd. Menschen auf der Welt haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.
„Der Markt für Großprojekte befindet sich derzeit in einem grundlegenden Wandel“, erklärt Dr. Olaf Goebel vom Verband Deutsche Meerwasserentsalzung (DME) in Duisburg. Der Trend gehe zu privat finanzierten und betriebenen Anlagen. „Damit ist der Wasserversorger nicht mehr Besitzer und Betreiber der Anlage er kauft vielmehr das entsalzte Wasser von einem privatwirtschaftlich organisierten Anlagenbesitzer“, so Goebel.
Diese Entwicklung verändert das Geschäft der Anlagenbauer grundlegend. Es reiche nun nicht mehr, einfach nur gute Technik anzubieten, so der DME-Experte. Man müsse nun auch immer gleich den Finanzierer mitbringen.
In den Vereinigten Arabischen Emiraten wird dieses Verfahren seit gut fünf Jahren mit Erfolg angewendet. In Saudi-Arabien hingegen hat die Privatisierung erst im vergangenen Jahr begonnen, dafür aber mit einem Paukenschlag: Vier Projekte waren mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 6,1 Mrd. $ ausgeschrieben worden.
Der Deutsche Anlagenbau hatte sich bereits in den frühen 80er-Jahren als Anbieter schlüsselfertiger Entsalzungsanlagen verabschiedet. Heute ist die deutsche Entsalzungsbranche hauptsächlich in den Bereichen Anlagenkomponenten, Consulting und Chemikalien tätig.
In Forschung und Entwicklung jedoch führen einige deutsche Hochschulen weltweit etwa die Uni Bremen mit Arbeiten zu nichtkondensierbaren Gasen bei Verdampfungsprozessen. Die Forschung ist industrienah und wird zum großen Teil mit Drittmitteln finanziert.
Der Verband Deutsche Meerwasserentsalzung hat sich zum Ziel gesetzt, die in der Entsalzung tätige deutsche Industrie zu stärken – vor allem mit Lobbyarbeit bei Ministerien und Förderinstitutionen sowie mit Seminaren und Kongressen.
Nächstes Event wird ein Kongress mit Fokus auf Iran sein, der am 21. Juni in Berlin startet. Der Süden des Iran ist in weiten Teilen sehr trocken, und die dortige Wasserknappheit wird mittelfristig nur durch Meerwasserentsalzung zu lindern sein. Aus dem Iran werden Vertreter des Wirtschaftsministeriums von Wasserversorgern, von Anlagenbauern und von Hochschulen erwartet. „Wir hoffen, die deutschen Produkte und Dienstleistungen in diesem gerade erst erwachenden Markt bekannt zu machen“, wünscht sich Goebel. Am Vortag des Kongresses lädt der DME zum Einführungsseminar „Introduction to Seawater Desalination“ ein.
Dass deutsche Ingenieursleistung im Ausland geschätzt wird, hatte der DME bereits bei einer Veranstaltung mit Schwerpunkt Saudi-Arabien erfahren. Dabei betonten die saudischen Gäste die hohe Wertschätzung, die deutsche Produkte und auch Dienstleistungen in ihrer Heimat genießen.
Wie wichtig Meerwasserentsalzung ist, weiß Goebel aus eigener Erfahrung. „Eine kleine mit Windkraft und Dieselgenerator betriebene Umkehrosmoseanlage auf der Insel Majo (kapverdische Inseln) war das Projekt, das mir bisher am meisten Freude gemacht hat“, berichtet der Experte, hauptberuflich tätig bei Lahmeyer International, einem traditionsreichen deutschen Ingenieurbüro.
Früher musste Trinkwasser mit dem Tankschiff von der größeren Nachbarinsel herbeigeschafft werden. Das war teuer, und entsprechend wenig Wasser stand den 6000 Einwohnern von Majo zur Verfügung. Seit die Entsalzungsanlage installiert ist, haben sich die hygienischen Bedingungen der Menschen dort wesentlich verbessert.
Die einzige in Deutschland kommerziell arbeitende Meerwasserentsalzungsanlage steht auf Helgoland, eine Umkehrosmoseanlage. Die deutsche Entsalzungsbranche ist exportorientiert. Die deutsche Position am Weltmarkt sei gut, schätzt Goebel, entspräche aber nicht dem Potenzial, das der deutsche Anlagenbau hat. Es bliebe zu wünschen, dass es in Zukunft wieder einen deutschen Anlagenbauer für große Meerwasserentsalzungsanlagen geben wird. dme/ber
Die üblichen Verfahren
Zwei Verfahren haben sich etabliert, die Verdampfung und die Umkehrosmose.
– Verdampfungsanlagen sind sehr robust, benötigen aber relativ viel Energie (ca. 70 kWh thermische und zusätzlich ca. 4 kWh elektrische Energie pro m3 entsalztem Wasser).
– Umkehrosmoseanlagen sind wesentlich energiesparender (ca. 4 kWh elektrische Energie pro m3 entsalztem Wasser), aber auch empfindlicher gegen Verschmutzung das Meerwasser muss gründlich vorgereinigt werden.
Derzeit nutzen ca. 80 % der Anlagen das Verdampfungsverfahren und nur 20 % die Umkehrosmose. Doch durch sinkende Preise für Membranen wird die Umkehrosmose zunehmend interessant.dme/ber
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