„Materialdetektive“ sind Defekten auf der Spur
VDI nachrichten, Esslingen, 27. 7. 07, ciu – Wenn Material in automatisierten Produktionsumgebungen versagt, dann ist das nicht nur ärgerlich für die Beteiligten, sondern kann zu teurem Produktionsausfall führen. Damit es nicht so weit kommt, spüren „Materialdetektive“ bei der Festo in Esslingen Schwachstellen schon beim Produktentwicklungsprozess auf. Teilweise verblüffende Entdeckungen machen sie zudem bei der Untersuchung von Produkten aus dem Praxiseinsatz .
Als „Werkstoffberater“ haben die Spezialisten vielfältige Aufgaben. „Bei der Entwicklung neuer Lösungen unterstützen wir alle Produktbereiche von Festo und auch externe Partner“, sagte Berger. Bei Zylindern für Bereiche mit hohen Hygieneanforderungen macht sein Team neben den üblichen Korrosionsuntersuchungen zusätzlich beispielsweise Reinigungsmitteltests sowie Korrosions- oder auch Salzsprühtests. Auch Einzelkomponenten wie Piezokeramiken für Ventile werden untersucht. Hier kommen Auflichtmikroskope zum Einsatz, die mithilfe fluoreszierender Mittel feine Risse sichtbar machen.
Ein weiteres Beispiel kam von Uwe Luik, der in der Technologieabteilung für Rapid Prototyping zuständig ist: „Bei einem unserer Prototypenlieferanten war durch einen Stromausfall der Laserschmelzprozess (SLM) unterbrochen. Erst nach Stunden konnten weitere Schichten auf dem bereits erkalteten Metallteil aufgebaut werden.“ Trotz der äußerlich deutlich sichtbaren Spuren der Unterbrechung war das Produkt aber laut Untersuchungen durch seine Kollegen voll einsatzfähig.
Auch bei Fertigungsproblemen kommen die Materialdetektive zum Einsatz. „Bei einer Bördelverbindung konnten wir z. B. bei der metallurgischen Untersuchung im Schliffbild feine Risse identifizieren“, schilderte Berger. Zusammen mit den Konstrukteuren und den Fertigungsexperten konnte dafür eine Lösung gefunden werden.
Manchmal kommen die Impulse für Verbesserungen durch Kundenreklamationen. Metallograph Matthias Scholze, einer der Spezialisten für das Rasterelektronenmikroskop, hatte dazu gespeicherte Bilder einer abgerissenen Schraube parat: „Im Zentrum der Bruchstelle weist die Struktur auf eine unzulässige Überlastung hin, während an den Außenrändern deutliche Hinweise auf eine Wasserstoffversprödung zu finden sind – was auf einen Herstellungsfehler hindeutet.“ Bis zu 20 000-fach kann er dazu die Oberflächenstruktur vergrößern und selbst kleinste Einschlüsse identifizieren. „Mit Goldbedampfung kommen wir sogar bis auf 50 000-fache Vergrößerung“, betonte Scholz. In dem Fall der zugelieferten Schraube wurde schließlich Kontakt mit deren Hersteller aufgenommen und unter Einbeziehung der Konstruktionsabteilung eine Lösung gefunden.
Es werden allerdings nicht nur die eingesetzten Werkstoffe untersucht. Selbst Hinweise auf verunreinigte Prozessluft können die „Spürnasen“ in ihren Labors zuverlässig identifizieren. „Wir bedienen uns dazu der Infrarotspektroskopie, bei der die Absorptionen des infraroten Lichts eines angestrahlten Mediums einen charakteristischen Fingerabdruck der Substanz ergeben“, erklärte Abteilungsleiter Berger: „Durch additive Zusammenstellung bekannter Spektren lassen sich so beispielsweise Mischungen aus dem Schmierfett im Zylinder und Schmieröl aus dem Kompressor exakt detektieren.“ In einem konkreten Fall hatte ein biologisch abbaubares Kompressorenöl zu Schaltzeitproblemen geführt.
„Es geht uns bei der Prüfung nicht darum, ob ein Kunde recht hat oder nicht“, erläuterte Berger. Vielmehr finde ein Know-how-Transfer statt, der einerseits dem Kunden helfe, seine Produkte zuverlässig zu betreiben und Festo dabei unterstütze, seine Produkte an entsprechende Anforderungen anzupassen.
Die durchschnittliche Durchlaufzeit für derartige Untersuchungen liegt laut dem Abteilungsleiter bei 15 Tagen. „Manchmal sind wir aber auch als Feuerwehr unterwegs“, stellte er fest. Dazu sei es ein Vorteil, alle notwendigen Messmethoden – zu denen neben den bereits genannten auch die Thermogravimetrie sowie kalorimetrische und mechanische Verfahren gehören – im eigenen Haus zu haben. Berger: „Mit externen Dienstleistern könnten wir derart kurze Reaktionszeiten kaum gewährleisten.“
Künftig werden die Werkstoffspezialisten noch mehr Einblicke in Bauteile bekommen. Für die zerstörungsfreie Untersuchung von Bauteilen hat die Abteilung einen industriellen Computertomographen erhalten. „Wir können damit Produkte aus unserer Fertigung prüfen, aber auch zum Beispiel in Keramikprodukte schauen, die sich nur mit großem Aufwand durchschneiden und polieren lassen“, sagte Berger. Eine Schnittstelle zur Messsoftware Calypso erlaube den Experten zudem die Koordinatenmessung an sonst kaum zugänglichen Stellen. M. CIUPEK
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