Leise rieselt der Whisky
Bochumer Wissenschaftler entwickelten gleich zwei unterschiedliche Verfahren zum Pulverisieren von Flüssigkeiten. So lassen sich Pharmazeutika, Kosmetik, Farben und Lacke künftig besser weiterverarbeiten.
Wie in einer überdimensionalen Mineralwasserflasche läuft das Prinzip der Pulverisierung von Flüssigkeiten ab, das Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum in Kooperation mit der Universität Erlangen, der Universität Maribor und Industriepartnern entwickelt haben. Durch den Einsatz von Gas unter hohem Druck gelingt es ihnen, die Flüssigkeiten an einen Trägerstoff zu fixieren und somit ein rieselfähiges Pulver herzustellen. „Das Verfahren eignet sich vor allem zur besseren Lagerung und Mischung von Lebensmitteln. Sogar Alkohol oder Aromaöle lassen sich damit zum Pulver wandeln“, schwärmt Prof. Eckhard Weidner vom Bochumer Lehrstuhl für verfahrenstechnische Transportprozesse.
Beim Backen etwa – gerade in der Vorweihnachtszeit – ist das Schwierigste die Zubereitung des Teigs. Damit dieser die richtige Konsistenz bekommt, muss er schon recht sorgfältig geknetet werden. Problematisch wird es, wenn man geringe Flüssigkeitsmengen unterrühren möchte, etwa ein paar Tropfen ätherische Öle oder Backaroma. Viel einfacher wäre es, sämtliche Zutaten zunächst in Pulverform zu mischen und erst danach dieser homogenen Mischung Wasser zuzugeben. Das brachte die Bochumer Forscher auf die Idee, Flüssigkeiten an einen festen Trägerstoff zu binden.
„Das Prinzip, das dahinter steckt, ist an sich ganz einfach – es funktioniert wie bei einer Mineralwasserflasche“, erklärt Weidner. In der Flasche wird Gas, normalerweise Kohlensäure, unter Druck in der Flüssigkeit, dem Mineralwasser, gelöst. Beim Öffnen der Flasche baut sich der über der Flüssigkeit herrschende Druck ab – es zischt. Im Wasser entstehen sprudelnde Gasblasen. Diesen Effekt nutzt Weidners Team bei der Pulverisierung von Flüssigkeiten. Allerdings wäre diese Gasmenge einer herkömmlichen Sprudelflasche viel zu gering. Weidner gleicht dies über den Druck aus. Zur Herstellung von Pulvern benötigt er Drücke von 30 bar bis 250 bar.
Verfahrenstechnisch sieht dies so aus, dass im druckfesten Autoklaven die zu pulverisierende Flüssigkeit mit Gas versetzt und explosionsartig in einer Düse entspannt wird, wodurch sie in feinste Tröpfchen zerreißt. Diesem Sprühstrahl oder Spray aus Gas und Flüssigkeit wird nun ein Trägerstoff zugesetzt. Die Tröpfchen lagern sich daran an – es entsteht ein Pulver mit ungewöhnlich hohen Flüssigkeitsbeladungen.
Überraschenderweise sind die Pulver trotz sehr hoher Flüssigkeitsgehalte rieselfähig. „Bis zu 80 Gew.% sind mit dem neuen Verfahren möglich, üblicherweise gelingen mit normaler Adsorption an Trägerstoffe höchstens 10 Gew.%“, so die Bochumer Forscher. Für die Technik wie auch für die Produkte, die mit diesem Verfahren hergestellt werden, haben sie die Bezeichnung „Concentrated Powder Form“ (CPF) eingeführt.
Mit dem CPF-Verfahren lassen sich auch sichtbare und geschmackliche Eigenschaften maßschneidern: Viele Naturstoffe sind in Ölen und Fetten gut löslich, in Wasser hingegen praktisch unlöslich. Werden etwa Karotten nur in Wasser gedünstet, bleibt das Kochwasser klar. Erst mit einem Stich Butter färbt sich die Flüssigkeit, weil sich dann fettlösliche Carotinoide aus der Karotte lösen.
Die Freisetzung bestimmter Inhaltsstoffe kann abhängig von der Wahl des Mediums – ob wässrig oder fetthaltig – durch unterschiedliche Trägerstoffe gesteuert werden. Die Technologie dafür hatten die Bochumer Forscher gemeinsam mit Kollegen der Universität Erlangen sowie mit einer Gewürzfirma entwickelt. Sie wird seit kurzem in der Lebensmitteltechnik eingesetzt.
Ein anderes Verfahren der Bochumer Wissenschaftler soll Produkte „verpulvern“, die bei Raumtemperatur normalerweise fest sind. Das so genannte PGSS-Verfahren (Particles from Gas Saturated Solutions) entstand in Zusammenarbeit mit der Universität Maribor und eignet sich vor allem für umweltfreundliche Pulverlacke. Diese Lacke enthalten keine Lösungsmittel, sondern bestehen aus zwei Kunststoff-Komponenten, dem Binder und dem Härter.
Beide Lack-Komponenten werden getrennt voneinander geschmolzen, dann vermischt und mit Gas versetzt. Bei der Entspannung entsteht wiederum ein Spray, dessen kleine Tropfen noch während des Flugs durch die Entspannungskälte erstarren und zu einem Pulver werden. Der Pulverlack ist von ausgezeichneter Qualität, da seine Körnchen sehr fein und rund sind. Er härtet bei geringeren Temperaturen aus als herkömmlicher Pulverlack und spart so Energie und Geld. Die beiden Verfahren haben schon Eingang in die Industrie gefunden: Ein Unternehmen kann bereits einige hundert Kilo Pulver pro Stunde herstellen. BETTINA RECKTER
Ein Beitrag von: