Landmaschinenspezialist bündelt Fertigungskompetenzen
VDI nachrichten – Mit einem erneuten Umsatzwachstum konnte Landmaschinenhersteller Claas vor zwei Wochen eine positive Bilanz vorlegen. Breit aufgestellt, behauptet sich die Gruppe im internationalen Wettbewerb und erwartet weitere Impulse von der Fertigungstechnik für die Automobil- und Luftfahrtindustrie.
Wachstumsmotor bleibt für das Familienunternehmen Claas zwar auch nach der Akquisition von von Renault Agriculture 2003 und Brötje Automation 2002 das Geschäft mit den Landmaschinen, doch insbesondere vom Spezialisten in der Flugzeugmontage erwarten sich die Unternehmenslenker künftig noch einige Impulse. Das belegt die Unternehmensbilanz, die Mitte Januar vorgelegt wurde. Insgesamt erreichte die Gruppe einen Umsatz von über 1,93 Mrd. € gegenüber dem Vorjahr. Für Rüdiger A. Günter, Sprecher der Geschäftsführung, ist der Gesamterfolg dabei keinesfalls selbstverständlich: „Viele Akquisitionen laufen schief, weil Mitarbeiter sich nicht so einfach integrieren lassen.“ So betrachtet er im Nachhinein die Integration der beiden Unternehmen auch als wichtigste Aufgabe im Jahr 2004. So sei es gelungen, F&E-Synergien sowie einheitliche Vertriebskanäle zu schaffen. Früher als geplant würden nun auch alle Traktoren einheitlich in „saatgrün“ die Produktion bei der französischen Unternehmenstochter verlassen.
Neben der räumlichen Ausweitung mit der Traktorenfertigung in Frankreich, aber auch Werken in Krasnodar/Russland sowie Faridabad/Indien kommt es bei Claas zusehends zur Diversifizierung der Leistungsbereiche. Neben die Land- tritt verstärkt die Fertigungstechnik für die Luftfahrt- und Automobilindustrie. Das Unternehmen schlägt damit einen Weg ein, den andere deutsche Unternehmen – Mercedes-Benz zu einem Technologie-Konzern – in früheren Jahren erfolglos wieder verlassen haben.
Dennoch zeigt sich Nikolaus Feil, der im Claas-Management die Belange der Produktion verantwortet, bei der aktuellen Entwicklung optimistisch: „Brötje und die Luftfahrt entwickeln sich gut“, so Feil. Auch könne man sich bei der Claas Fertigungstechnik (CFT) vorstellen, sich von der Landmaschinenfertigung in andere Bereiche auszudehnen und insbesondere Synergien im Leichtbau stärker zu nutzen. So erfordere der Wunsch nach Leistungssteigerungen der Landmaschinen bei gleichzeitiger Einhaltung zulässiger Achslasten und Beachtung der Bodenverdichtung neue Lösungen. „Da kann uns die CFT helfen neue Ideen zu entwickeln“, unterstreicht Feil.
Die Claas Fertigungstechnik (CFT) hat mit einem Umsatz von rund 131 Mio. € einen Anteil von etwa 7 % am Gesamtumsatz. Die ehemals lediglich intern tätigen Betriebsmittelbauer produzieren seit 1992 in Beelen vor allem robotergestützte Produktions- und Montageanlagen. Ein Beispiel aus der Messtechnik belegt die Vielfältigkeit. Bei der CLM (Claas Laser Measure) tasten Roboter mit Lasersensoren zwecks punktgenauer Vermessung Bauteile in nur 30 s im laufenden Fertigungsprozess ab. Eine Punktwolke aus Millionen Werten bildet die Grundlage für eine Genauigkeitsanalyse auf 0,05 mm.
Claas in Zahlen |
Jahresumsatz in 2004 und Veränderung zum Vorjahr:
Die Differenz zum Gesamtumsatz ergibt sich durch Innenumsätze von 90 Mio. €. |
Die Potenziale dieses High-Tech-Maschinenbauunternehmens werden dabei intern höher eingeschätzt als der derzeitige Umsatzanteil. Unter seinem Dach befinden sich auch Gesellschaften wie die Burkhardt Systemtechnik in Nördlingen, die SIS in Coventry (GB) und die Brötje Automation in Wiefelsfelde. Dieser Ende 2003 komplett von der britischen Baxi Group übernommene Spezialist für Verbindungs- und Montagetechniken in der Luftfahrtindustrie belegt mit Montagezellen für Flugzeugrümpfe und Tragflächenteile eine führende Position am Weltmarkt. Brötje ist auch deshalb für die Gruppe strategisch wichtig, weil so die von der Saisonalität geprägten Geschäftszyklen im Landmaschinengeschäft abgemildert werden.
Ein Blick hinter die Werkstore zeigt, wie ernst es Claas ist, wirklich Synergien zu schaffen anstatt nur darüber zu reden. Ein Beispiel: In Beelen präsentierte Geschäftsführer Hans-Bernd Veltmaat kürzlich eine Pkw-Tür, deren Innen- und Außenschale in einem Schuss aus Carbon-Faser-Kunststoff (CFK) gefertigt wurde. Diese Innovation fußt auf Erfahrungen aus dem Luftfahrtbereich. Lediglich 20 min benötigt das Werkzeug zur Herstellung dieser Tür – bei 50 % geringerem Betriebsmitteleinsatz. Hans-Bernd Veltmaat ist sich sicher, dass CFK als Werkstoff die Zukunft gehört. Automobile müssten zur Reduzierung ihres Kraftstoffverbrauchs leichter werden der dominante Einsatz von Stahl werde daher künftig nicht mehr „state of the art“ sein. „Mit dem verstärkten Einsatz von Kunststoff erhöhen sich auch die Anforderungen an die Verbindungstechnik Know-how bei Herstellungstechnik alleine reicht nicht mehr aus“, so Hans-Bernd Veltmaat gegenüber den VDI nachrichten. Die Aufgabe, CFK in die Metallstruktur von Kfz einzufügen, sei mit dieser Tür erfolgreich gemeistert worden.
Künftig könne man sich gar vorstellen, auch die gleichzeitige Aufbringung von Lacken in einem Schuss dank dieses Werkstoffs zu erreichen. Der industrielle Herstellungsprozess durch Portalanlagen mit Tapelegeköpfen basiert auf einem Verfahren, das mit geringeren Temperaturen und weniger Druck auskommt. Die Herstellungskosten von Karbon sinken so nachhaltig.
Für die zivile Luftfahrt wird CFK gar als künftig dominanter Werkstoff eingestuft. So verfügt die neue Boeing 7E7- Familie über einen Karbonrumpf – CFT lieferte entsprechende Anlagen nach Seattle aus. Günther und Veltmaat bestätigten in dem Zusammenhang, dass man die Marktsituation in den USA sondiere. Bald wolle man entscheiden, ob Claas dort einen Fertigungsstandort für den Bereich Luftfahrt aufbaut. Das Unternehmen will noch weiter gehen: Das Wissen aus der Luftfahrt soll künftig parallel in den Bereichen Landtechnik und Automotive eingebracht werden.
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