Kundennähe überwindet Terrorfolgen
Auf einen Schlag verlor die badische BCT Technology praktisch das gesamte Management – inklusive des Ideengebers. Dass das Unternehmen die katastrophalen Folgen des New Yorker Terrorakts überlebte und heute möglicherweise besser ausgerüstet ist, dazu trug eine Reorganisation bei, vor allem aber auch die Loyalität der Kunden und Mitarbeiter.
Firmenjubiläen zum zehnjährigen Bestehen sind eigentlich ein Grund zum Feiern. Ausgerechnet da trafen die Ereignisse des 11. Septembers 2001 den Lebensnerv des badischen Unternehmens für CAD-Technik. Die BCT Technology, Willstätt, verlor mit ihrem Gründer Heinrich Kimmig, dem Entwicklungsleiter Klaus Bothe sowie dem Personalchef Wolfgang Wenzel die Führungsspitze. Gemeinsam waren sie im United-Airlines-Flug 175 unterwegs zu amerikanischen Geschäftspartnern, als die Terroristen das Flugzeug in den Südturm des World Trade Centers lenkten. Mehr als düster erschienen damals die Aussichten des 1991 gegründeten, mittelständischen Spezialisten für Maschinenbau-Software und Beratung im Produktentwicklungsprozess, so die eigene Standortsbestimmung damals. Heute – ein Jahr danach – ist Aufbruch auf abgesicherter Basis zu spüren.
Die Ursachen dafür sind innerhalb und außerhalb des Unternehmens zu finden. Der neue BCT-Vorstand Klaus Erdrich fasst die Reaktionen einer Reihe von etwa 700 Kunden – von Bosch, Koenig & Bauer, Linde bis zu Fischer, Wilkinson, Siemens oder Komatsu – so zusammen: „Wir unterstützen BCT und werden dazu beitragen, das Überleben zu sichern.“ Den großen Worten folgten die Taten im betrieblichen Alltag, sprich in Umsatzzahlen.
Dass aber Kunden einen Lieferanten im anerkannt schwierigen Software-Umfeld so einhellig und spontan stützen, gründe für die badischen Maschinenbauspezialisten nicht nur auf Sachzwängen. Hier manifestiere sich vielmehr ein kooperatives Verständnis zwischen Hersteller und Abnehmer. Dazu gehören nach Einschätzungen von BCT auch die jährlichen „Kundentage“, die konkrete Lösungen wie etwa das Internetwerkzeug „BCT-Portal“ ergaben.
Bis dahin war es ein weiter Weg: Wies doch BCT im Lauf der Firmenentwicklung mehrere, teils dramatische Schwenks im Produktangebot auf. So etwa 1994, als BCT-Gründer Heinrich Kimmig das Systemhaus in ein Softwarehaus umwandelte. Es sollte so geänderten Markt- und Kundenanforderungen besser genügen. Die damit verbundene Konzentration auf das 3D-CAD-System Unigraphics diente dem intensiven Know-how-Aufbau und dessen Transfer zum Anwender.
Den größten Einschnitt in der Unternehmensgeschichte markiert jedoch der 11. September 2001 mit dem erzwungenen Führungswechsel, den der heutige Vorstandsvorsitzende, Dr. Karl-Heinz Klein, so umschreibt: „Das Haus wurde im Sommer 2001 durch Kimmig und sein Team gerade wieder neu bestellt. Davon profitieren wir heute.“ Der ehemalige geschäftsführende Gesellschafter und Vorsitzende der Geschäftsführung bei der BCT-Muttergesellschaft BSE (Badische Stahl Engineering) übernahm in der Notlage sofort die Leitung des Softwarehauses.
Er konnte dabei auf in unternehmerischen Aufgaben schon bewährte Führungskräfte zurückgreifen. So waren der im März in den Vorstand berufene Maschinenbau-Ingenieur Jürgen Hillemann, zuständig für Vertrieb, Marketing und Entwicklung, sowie der Maschinenbauer Klaus Erdrich, nun für Finanzen verantwortlich, bereits in Managementprozesse einbezogen. „Unsere Unternehmen gehören zu den Badischen Stahlwerken in Kehl“, erläuterte Klein weiter. „Hier gilt die Maxime: Jede Führungskraft muss den eigenen Stellvertreter aufbauen.“
Neue Führung oder Marktlage: Beide Faktoren zwangen zur Rückbesinnung auf die eigene Kernkompetenz– adaptiert an das Unternehmen mit heute 35 Mitarbeitern und einem für 2002 geplanten Umsatz von 5 Mio I. Erdrich dazu: „Wir sind dem Maschinenbau in unserem direkten Umfeld verpflichtet.“ Ein Gang an die Börse liege damit weiter auf Eis. Wichtige Vorhaben und Investitionen seien dagegen abgeschlossen: „Wir können davon ausgehen, dass wir unser Geschäftsjahr 2002 positiv beenden“, markiert Erdrich die wieder erreichte Stabilität.
Auch technisch scheint das Unternehmen wieder auf dem Damm zu sein: Dafür stehen Softwarelösungen, wie der kürzlich vorgestellte „BCT-Inspector“. Die neue Software leitet aus dem CAD-Modell entsprechende Informationen ab und generiert daraus weitgehend automatisch Merkmal-Listen, etwa Bemaßung, Form- und Lagetoleranzen oder Oberflächensymbole. So wenig spektakulär dies klingt, bietet diese Verbindung von Konstruktion zu Qualitätssicherung in der Praxis erhebliche Einsparpotentiale. „Für das Generieren von 100 Merkmalen rechnen Studien mit fünf bis acht Stunden Aufwand“, schildert Jürgen Hillemann das Problem. „Unsere Lösung schafft dies in wenigen Minuten.“
K.-FERDINAND DAEMISCH/CIU
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