Know-how-Transfer bringt Schwung ins Geschäft mit Achterbahnen
Rasante Fahrgeschäfte faszinieren regelmäßig Fahrgäste und Zuschauer. Welche Anforderungen bei der Konstruktion und Entwicklung solcher Produkte zu bewältigen sind, zeigt der Blick hinter die Werkstore von Maurer Söhne.
Einer Achterbahnfahrt mögen die Geschäfte an den Börsen in den vergangenen Monaten gleichen. Für Jörg Beutler, dem Geschäftsführer Anlagenbau beim Münchener Stahlbauunternehmen Maurer Söhne, sind Achterbahnen dagegen ein gutes Geschäft mit soliden Wachstumsaussichten. So erwirtschaftete der Bereich „Amusement Rides“ 2003 etwa 20 % des Gesamtumsatzes von rund 70 Mio. €. €
Als Blitzableiter-Fabrik 1876 gegründet erwarb sich Maurer Söhne über die Jahre Know-how in unterschiedlichen Sparten des Stahlbaus. Heute ist das Unternehmen gefragter Spezialist für komplexe Stahlbauten wie Dach- und Brückenkonstruktionen, Stahlschornsteine mit Schwingungsdämpfern sowie Bauwerkschutzsysteme wie Dehnfugen, Brückenlager und Erdbebenvorrichtungen, aber auch für automatisierte Parksysteme sowie Achterbahnen und Falltürme.
Speziell die Fahrgeschäfte fordern die Ingenieure immer wieder aufs Neue heraus. „Der Reiz und Nervenkitzel liegt hier in der Balance zwischen Abenteuer und Bewusstsein, es kann ja nichts passieren“, macht Jörg Beutler deutlich. Die besondere Faszination bei Entwicklung und Herstellung liege dabei in der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Bauingenieuren, Spezialisten aus Maschinen- und Brückenbau, Baudynamik sowie externen Partnern für Antriebe und Automatisierung.
Das bestätigt auch der Blick in die Konstruktionsabteilung, wo Fahrstrecken mit einem eigens dafür im Unternehmen entwickelten Computerprogramm an die regionalen Gegebenheiten anpasst werden. Achterbahnentwickler Martin Schneider erklärt: „Wir können damit Fahrwege unter Berücksichtigung von den jeweiligen Geo-Daten und eventuell bereits vorhandener Gebäude flexibel planen.“ Eine dynamische Simulation liefert ihm dazu schnell die wichtigsten Beschleunigungsparameter, die den Unterschied zwischen einer Familienbahn und dem Nervenkitzel ausmachen. Spielend verändert der Profi am grafischen Entwicklungssystem die Neigung einzelner Streckenabschnitte. Was „fahrbar“ ist, hat er im Gefühl. Aber Martin Schneider lobt auch die Computerunterstützung: „Die Mechanik hinter dem Programm bietet Sicherheit.“
Beim Thema Betriebssicherheit macht Jörg Beutler keine Kompromisse. Design und Technik müssen die Gefährdung für Fahrgäste weitestgehend ausschließen. So verfügen moderne Achterbahnen über mehrere Sicherheitsbereiche, in denen die einzelnen Wagen sicher zum Stillstand gebracht werden können. „Oberstes Gebot für uns ist die enge Zusammenarbeit mit dem TÜV Süd“, so Beutler. Zwar würden in vielen Ländern Endabnahmen auch von anderen Unternehmen übernommen, doch verfüge der TÜV Süd über das meiste Know-how bei der Abnahme von Fahrgeschäften und werde deshalb den ausländischen Kunden vom Anlagenbauer empfohlen.
Trotz aller Sicherheit, die für Fahrgäste oft verborgen bleibt, „erwarten Achterbahnfans den besonderen Kick“, weiß Beutler. So wollten Fahrgäste gerne ohne „störende“ Schulterbügel über Kopf unter den Wagen hängen. Aus dieser Anforderung entstand schließlich das X-Car. Spezielle Schalensitze und ein Hüftbügel halten dabei Fahrgäste unterschiedlicher Statur sicher im Wagen. „Selbst eine für die Präsentation engagierte Schlangenfrau konnte sich nicht aus dem Sitz winden“, erinnert sich der Geschäftsführer schmunzelnd.
Wo internes Wissen zum Erreichen solcher Entwicklungsziele nicht ausreicht, sucht man sich bei Maurer Söhne entsprechende Partner. Um Komfort, Design und Sicherheit in der Konstruktion des neuen Wagens zu berücksichtigen, haben die Stahlbauer deshalb mit dem Institut für Ergonomie an der TU München, Designern von Hartmann & Hartmann aus Augsburg sowie Spezialisten vom TÜV Süd zusammengearbeitet.
Auch wenn bei manchen Kunden das Geld nicht mehr so locker sitzt und Investitionen bis zu 20 Mio. € für sie ein Risiko bedeuten, sieht Jörg Beutler immer noch gute Chancen für sein Unternehmen: „Mit unserem modularen X-Car kombinieren wir die Vorteile von Zügen und Einzelwagen. Damit können wir flexibel auf individuelle Anforderungen reagieren.“
Ein Beispiel für Kostenbewusstsein und Kreativität ist auch das Sky Wheel, was derzeit bei Maurer Söhne für den Allgäu-Skyline-Park gefertigt wird. Gewünscht war eine Achterbahn mit einer Höhe von mindestens 40 m. Beutler dazu: „Um die daraus resultierende Bewegungsenergie abzubauen, brauchen wir normal mindestens 1000 m Schiene, entsprechend hoch ist der Preis.“ Gelöst wurde die Anforderung schließlich mit einem in sich geschlossenen Looping für insgesamt etwa 2,5 Mio. €.
Auch in Zukunft hat der Achterbahnspezialist noch einiges vor:“Wir haben noch viele Ideen in der Schublade.“ Dabei dreht sich aber nicht alles nur um die Achterbahnen selbst . Beutler denkt z.B. an Cross-Selling von Strahlmembrankonstruktionen, wie sie seine Kollegen im Unternehmen für die Münchener Allianz-Arena derzeit bauen. Mit dem leichten und gut zu bedruckenden Material ließen sich ebenso Achterbahnen kostengünstig überdachen, so Beutler.MARTIN CIUPEK
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