Kaum Produktionsverlagerung nach Osteuropa
VDI nachrichten, Düsseldorf, 8. 9. 06, ciu – Ginge es allein nach den Lohnkosten, hätten viele Unternehmen in Baden-Württemberg sicher Gründe ihre Produktion ins Ausland zu verlagern. Dennoch scheint eine Abwanderung Richtung Mittel- und Osteuropa nur für die wenigsten in Frage zu kommen. Wirtschaftsminister Pfister warnt allerdings vor einem von der EU unterstützten „Subventions-Hopping“.
Spitzenabschlüsse bei Lohnverhandlungen scheinen sich Unternehmen aus Baden-Württemberg leisten zu können. Produktionsverlagerung nach Mittel- und Osteuropa ist dort kaum ein Thema, glaubt man einer im Sommer von Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Ernst Pfister vorgestellten Untersuchung des Institutes für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) in Tübingen.
In der im Auftrag des Wirtschaftsministeriums erstellten Studie „Ausmaß und Bestimmungsgründe des Offshoring in die mittel- und osteuropäischen Beitrittsländer der EU“ wurden Aspekte der Produktionsverlagerung für das Bundesland untersucht. Basis dazu bildete eine repräsentative Umfrage von 1200 Betrieben in Baden-Württemberg.
Das Ergebnis überrascht: Die überwiegende Mehrheit, insgesamt 79,3 % der befragten Betriebe aus allen Branchen von der Industrie bis hin zur Verwaltung, betrachtet ihre Produktion als „nicht verlagerbar“. Geplant waren Verlagerungen gen Osten dagegen lediglich bei 0,3 % der Unternehmen. Etwa ein Fünftel der Befragten sieht demnach überhaupt die Möglichkeit, Teile der Produktion dorthin zu verlagern.
Allerdings belegt die Studie einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße und Auslagerungsbereitschaft. So würde bei Betrieben mit bis zu 99 Beschäftigen jeder hundertste eine Verlagerung planen, bei Unternehmen mit über 500 Beschäftigten jedes elfte. Begründet wird dies dadurch, dass größere Betriebe auch eher in der Lage sind, Teile ihrer Produktion ins Ausland zu verlagern.
Im Wirtschaftsministerium von Baden-Württemberg sieht man aber genau darin ein Problem. Denn: Gerade die großen Betriebe beschäftigen nach einem Bericht des Ministeriums hochgerechnet 5,2 % der Arbeitnehmer in Baden-Würtemberg.
Als Hauptründe für die Auslagerungsbereitschaft identifizierte die Studie das Motiv der Kosteneinsparung sowie die Erschließung neuer Märkte. Für Wirtschaftsminister Ernst Pfister steht somit fest: „Die Untersuchung zeigt, dass hohe Arbeitskosten und Probleme bei der flexiblen Arbeitszeitgestaltung durchaus einen signifikanten Einfluss auf Verlagerungsabsichten haben. Auch steigt der Anteil der Betriebe, die Offshoring planen, wenn der Anteil An- und Ungelernter im Betrieb hoch ist.“
Das Ministerium kommt nach auswertung der Studie zum Ergebnis: „Eine Verlagerung von Fertigungen aus Kostengründen gehe zu Lasten der heimischen Arbeitsplätze, könne andererseits aber die preisliche Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens so steigern, dass andere Teile der Produktpalette des Unternehmens im Inland gehalten werden können.“
Pfisters Fazit lautet deshalb: „Eine verantwortungsvoll vorgenommene Produktionsverlagerung kann für den alten wie den neuen Standort Vorteile bieten. Doch Betriebsverlagerungen, die aus Gründen einer höheren Subventionierung mit EU-Mitteln erfolgen, sehe ich als einen reinen Missbrauch von Fördergeldern an.“ Einem solchen Subventions-Hopping müsse Einhalt geboten werden, forderte Pfister mit Blick auf die derzeit laufenden Neuverhandlungen zu den EU-Strukturfonds für die Förderperiode 2007 -2013.
Aber auch hierzulande sieht Pfister noch Potenzial: „Die dringend notwendige Entlastung der Unternehmen vor allem bei den gesetzlichen Personalzusatzkosten, mehr Flexibilität bei den Arbeitsbeziehungen, eine beschäftigungsorientierte Lohnpolitik verbunden mit der Forcierung der Gewinn- und Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer, und nicht zuletzt eine stärkere Nutzung aller Möglichkeiten zur beruflichen Weiterbildung, sind die zentralen Elemente, um den Wirtschaftsstandort auch für Arbeitsplätze mit geringeren Qualifikationsanforderungen zu stärken.“ IAW/CIU
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