Kajos und Ottos Seifenoper lässt Kurs abschmieren
Die Auseinandersetzungen zwischen der mg technologies und deren Großaktionär Otto Happel dauern nun fast schon ein Jahr. Gelitten hat vor allem der Aktienkurs. Und eine Erholung ist kurzfristig nicht in Sicht.
Die Vorwürfe wiegen schwer: Bilanzfälschung, Missmanagement und unnötige Milliardenverluste. Otto Happel, ehemaliger GEA-Chef und Sohn des Gründers, geht nicht gerade zimperlich um mit dem neuen Besitzer seiner Firma, der mg technologies. Vor allem auf deren Chef , Kajo Neukirchen, hat er es abgesehen. Die mg hatte 1999 Happels Aktienpaket und damit die GEA übernommen. Dass die „Seifenoper um Kajo und Otto“, wie Konzernangehörige das seit November andauernde Schauspiel inzwischen resigniert-amüsiert nennen, ein baldiges Ende hat, ist unwahrscheinlich.
Anlass für den Streit war eine kleine GEA-Gesellschaft, die Westfalia Landtechnik mit Sitz im westfälischen Oelde. Beim Verkauf der GEA hatte Happel sich den Rückkauf dieses kleinen, aber hochprofitablen Unternehmens vorbehalten. Er wollte es angeblich in seiner Familie behalten. mg-Sprecher Jens Schreiber beteuert heute, dies sei nur eine nicht bindende Absichtserklärung gewesen. Neukirchen jedenfalls weigert sich heute standhaft, die Landtechnik Happel zu überlassen. Offenbar hatte man bei der mg deren Bedeutung zunächst unterschätzt. Auch habe Happel weniger als ursprünglich geplant dafür zahlen wollen. Alle weiteren Kapitel des Dramas, so glaubt die mg, haben sich daraus entwickelt: die angeblich zu gering ausgewiesenen Verluste im Großanlagenbau im vergangenen Jahr, wegen derer sich Happel als Aktionär – er hält 9,9 % an der mg – geschädigt fühlte, seine Attacken gegen Neukirchen sowie der Vorwurf der Bilanzschönung.
Dass sich der Chef der Metallgesellschaft durch seine impulsiv-autoritäre Art nicht nur Freunde macht, ist weit bekannt. Detektive auf Happel anzusetzen, wie dies im September bekannt wurde, das aber schien dann doch etwas weit zu gehen: Das sei bei Vorwürfen, wie der ehemalige GEA-Chef sie gegen die mg erhoben habe, üblich, verteidigt man sich bei der mg: Happel habe sich geschäftsschädigend gegenüber Investoren über die mg geäußert. Doch nicht nur Happel, auch seine Familie wurde ausspioniert: „Das war nicht unser Auftrag, da war die Detektei offenbar übereifrig“, weist ein mg-Sprecher eine Mitschuld zurück.
Neukirchen will nicht mehr nur als Mann fürs Grobe gelten, als der harte Sanierer, der marode Unternehmen wie einst Hoesch oder KHD wieder in die Gewinnzone bringt. An der mg wollte er seine weiteren Managementfähigkeiten beweisen. Die Fehde mit Happel, der offenbar am Sturz Neukirchens interessiert ist, gefährdet diesen Versuch. Denn ob dem im August gestellten Antrag auf Sonderprüfung der Bilanz vom Amtsgericht Frankfurt stattgegeben wird oder nicht, sicher ist nur, dass damit ein Justizverfahren beginnen wird, das kaum vor dem Jahr 2003 beendet sein dürfte. Diese Unsicherheit wirkt sich auch auf den Aktienkurs aus: Zwischenzeitlich sackte der Kurs ab bis auf einen Tiefstand von 4,36 Euro, seither hat er sich erholt, weil offenbar ein Happel nahe stehender Verkäufer aus dem Markt gegangen ist und nun die Käufer wieder den Kurs bestimmen. Dennoch sind viele Investoren nicht bereit, in eine Prozessaktie zu investieren: „Der Rechtsstreit kann sich über Jahre hinziehen“, meint etwa Susanne Schwarze, Analystin bei M.M. Warburg. Außerdem wurden allein für die drohende Sonderprüfung 20 Mio. Euro zurückgestellt, Managementkapazität ist auf Jahre durch den anstehenden Rechtsstreit gebunden. Hinzu kommt: Auch die Motivation der Mitarbeiter könnte leiden. „Wir leisten gute Arbeit, aber im Kurs kommt die nicht zum Ausdruck“ – das hört man von einigen Beschäftigten, die in Mitarbeiteraktien investiert haben. Doch die 17 Euro, die manche von ihnen bezahlt haben, sind noch in weiter Ferne: So schätzt etwa Hermann Reith, Analyst der BHF-Bank, das Kurspotenzial auf 14 bis 15 Euro.
Doch ob dieses Niveau kurzfristig erreicht werden kann, ist derzeit noch nicht abzusehen. Möglich wäre zum Beispiel die Übernahme der mg technologies und deren anschließende Zerschlagung in die beiden Hauptgeschäftsfelder Spezialchemie (Dynamit Nobel) und Anlagenbau (GEA und Lurgi). Immerhin sind vom nächsten Jahr an die Veräußerungsgewinne steuerfrei, wenn auch derzeit bei der mg kaum Buchgewinne zu erwarten sind. Als Interessent war immer wieder die WCM genannt worden. Und nicht alle Aktienpakete scheinen in fester Hand zu sein. Andererseits stehen Anteilseigner wie Allianz und Deutsche Bank, die sich bekanntlich von ihren Industriebeteiligungen trennen wollen, „fest zur mg“, sagt deren Sprecher Jens Schreiber. So haben sie im Aufsichtsrat erst vor kurzem den im Jahr 2003 auslaufenden Vertrag von mg-Vorstandschef Kajo Neukirchen vorzeitig erneuert, Vertragsende ist jetzt 2006. Gegen eine Übernahme der mg spricht auch ihre Struktur. Mit ihren 500 Gesellschaften, glaubt Susanne Schwarze von M.M. Warburg, sei sie sehr unübersichtlich: „Dieses Maß an Diversifikation ist zu groß und dient nicht mehr nur dem Ausgleich möglicher Risiken.“ Dass aber die mg übernommen werden könnte, weil sie doch so billig zu haben ist, glaubt sie nicht: Zum einen dürften Investoren, wenn sie die mg zerschlagen wollten, ebenfalls Schwierigkeiten haben, das komplexe Gebilde zu durchschauen und zu veräußern – das allein dürfte Jahre dauern. Und ohnehin sind derzeit wegen der konjunkturellen Lage die Bedingungen für eine solche Transaktion nicht optimal.
Eine Zerschlagung aber könnte auch das (eher unwahrscheinliche) Ergebnis einer neuen strategischen Ausrichtung der mg sein – die getrennte Notierung beider Unternehmensteile an der Börse. Die langwierigste Alternative für eine Kurserholung aber wäre die, dass alles beim Alten bliebe, meint BHF-Analyst Reith. Fundamental hält er das Unternehmen allerdings für unterbewertet. BRIGITTE SCHOLTES/sta
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