Hightech-Produktion lebt vom Maschinenbau
Diesen kräftigen Schub bei den Auftragseingängen verbuchte Baden-Württembergs Maschinenbau in den ersten sieben Monaten 2006 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Südwestindustrie insgesamt konnte nur 12 % zulegen. Und noch einmal überm Durchschnitt: Für das gesamte Jahr 2006 prognostiziert der Maschinenbauverband des Bundeslandes ein Wachstum von 6,5 %, der VDMA für ganz Deutschland nur 5 %.
Nach Anzahl der Betriebe und deren Mitarbeiterschaft ist der Maschinenbau die größte Branche des Verarbeitenden Gewerbes in Baden-Württemberg beim Jahresumsatz nur noch vom Fahrzeugbau übertroffen. Und sogar diese Automobilindustrie ist abhängig von der partnerschaftlichen Zuarbeit des Maschinen- und Anlagenbaus.
„Der wachsende Druck, der vom Markt ausgeht, verlangt von uns immer größere Flexibilität und Kompetenz in der Fertigung“, sagt Thomas Lindner, Vorsitzender des VDMA Baden-Württemberg und als Unternehmer Chef der Groz-Beckert KG, Weltmarktführer bei Strick- und Wirkmaschinennadeln und Systemanbieter von Präzisionsteilen im textilen Sektor.
Der Erfolg aller produzierenden Unternehmen werde dabei nicht länger durch Tradition und Größe bestimmt, sondern von der Fähigkeit, sich an die immer schneller wachsenden Marktbedürfnisse anzupassen. „Der Kampf um die Märkte der Zukunft gewinnt nur derjenige, der Innovation schnell in konkrete Anwendungen und Serien überführen kann“, erklärt Thomas Lindner.
Beispiel Automobilindustrie: Nur in Kooperation mit einem leistungsstarken Maschinenbau seien dessen vom Abnehmermarkt getriebenen Bedürfnisse zu realisieren, nämlich größere Variantenzahlen und geringere Losgrößen, höhere Anforderungen wegen der Sicherheit der Autofahrer und der gewünschten Null-Fehler-Qualität in der Fertigungstechnik oder auch der Einsatz neuer Werkstoffe.
„Diese führende technologische Position“, stellt Lindner fest, „ist aber auch eine enorme Herausforderung für unsere Branche.“ Die Kunden ersetzten Hightech-Erzeugnisse in immer schnellerem Rhythmus durch leistungsfähigere Produkte. Die Zeit, die zwischen Idee und Marktreife liegen dürfe, werde ständig kürzer.
Zugleich forderten die Abnehmer ein zunehmend breites Dienstleistungsspektrum; sie wollten heute nicht mehr nur eine Maschine oder ein Werkzeug kaufen, sondern ihr Fertigungsproblem umfassend abgenommen bekommen. Ein Kunde zahle nicht mehr für Werkzeuge, sondern für in Motorblöcke eingebrachte Bohrungen. 24-h-Service, die Übernahme vielfältiger logistischer Aufgaben und die Sicherstellung einer störungsfreien Fertigung beim Maschinenanwender gehörten vielfach schon zum Aufgabenkatalog. Hier ist der baden-württembergische Maschinenbau führend.
Wie aus der Konjunkturumfrage 2006 des VDMA-Landesverbands hervorgeht, rechnen die Mitgliedsfirmen für das laufende Jahr mit einem Umsatzanstieg in der Größenordnung von durchschnittlich ca. 6,5 %. Damit wird 2006 für die Branche das dritte Wachstumsjahr in Folge. „Eine so lange anhaltende Wachstumsphase hat es im baden-württembergischen Maschinen- und Anlagebau zuletzt in den neunziger Jahren gegeben“, erinnert sich Lindner.
Die optimistische Prognose der Branche wird im Trend durch die aktuelle Konjunkturaussage des Statistischen Landesamts gedeckt. Demnach wird die wirtschaftliche Belebung weiter zulegen. Bereits im 1. Hj. 2006 ist die baden-württembergische Wirtschaft gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum (preisbereinigt) um gut 2,5 % gewachsen. Vor allem die Auslandsumsätze haben sich schwungvoll entwickelt. Davon profitierten in erster Linie die Produzenten von Investitionsgütern.
Auch das baden-württembergische Wirtschaftsministerium stellt in seinem Jahreswirtschaftsbericht 2005/06 fest, die konjunkturelle Erholung habe sich ohne Tempoverlust fortgesetzt. Nach Aussage von Minister Ernst Pfister gibt es „genügend Anzeichen, dass das laufende Jahr aus ökonomischer Sicht noch dynamischer verlaufen wird“. Das wird durch die Statistik vom Juli 2006 gestützt.
Lindner weist darauf hin, dass Baden-Württemberg mit einem Umsatz von 52 Mrd. € und 265 000 Beschäftigten – Zahlen von 2005 – der führende Standort des deutschen Maschinen-und Anlagenbaus ist. Die Nähe zu wichtigen Abnehmern und Zulieferern, die gute Infrastruktur an unternehmensnahen Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen sowie hoch qualifizierte Mitarbeiter hätten dazu geführt, dass heute jedes dritte Produkt der exportintensiven Branche aus Baden-Württemberg stammt.
Hinzu komme die Entwicklung und Integration neuer Technologien, die der Branche in den zurückliegenden Jahren zusätzliche Wachstumsimpulse gegeben hätten. Neue Geschäftsfelder seien erschlossen worden durch Ethernet, Aktorik, Pneumatik, Mechatronik, industrielle Bildverarbeitung, Laser, Photonik, Mikrotechnologien und industrielle Software.
„Von diesen technologischen Entwicklungen haben auch die Kunden unserer Branche in Baden-Württemberg stark profitiert“, stellt Lindner fest. „Die Existenz eines leistungs- und innovationsstarken Maschinenbaus hat erst das Wachstum vieler anderer Branchen ermöglicht.“
Keine der neuen Technologien, sei es die Informationstechnik, die Photonik oder die Biotechnologie, wäre von sich aus in der Lage gewesen, den Schritt vom Labor hinaus in die Anwendung zu finden. „Als wichtigster Partner in der Entwicklung und Umsetzung neuer Produkte hat der Maschinenbau quantitativ und qualitativ eine Schlüsselstellung in der deutschen Wirtschaft und für die technologische Entwicklung weltweit.“
Laut Lindner profitiert die gesamte Industrie in Baden-Württemberg von der starken Konzentration vieler Sparten des Maschinenbaus im Land. Tatsächlich hat allein die Werkzeugmaschinenindustrie einen Umsatz erzielt, der um 70 % höher ist als der Umsatz der gesamten US-Branche.
Auch die Existenz von 240 000 Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie und von 194 000 Arbeitsplätzen im Bereich Büromaschinen, DV-Geräte, Elektrotechnik und Optik in Baden-Württemberg sei nicht zuletzt auf den im internationalen Maßstab führenden Maschinenbau zurückzuführen, so der VDMA-Vorsitzende. K. FISCHER/KÄM
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