Hightech im Pullover: Neue Fasern denken mit
Kleidung soll heute nicht mehr nur gut aussehen. Daher entwickelt und verfeinert die Chemiebranche eine einzigartige Palette moderner Fasern und Beschichtungen. Die neuen Stoffe killen üble Gerüche, pflegen die Haut, kühlen oder wärmen den Körper.

Intelligente Textilien werden die Zukunft prägen.
Foto: ZHAW
Der Australier Ian Thorpe ist der Schnellste seiner Disziplin. In Sydney gewann er Gold über 400 m Freistil. Der 17-Jährige hat einen Vorteil gegenüber vielen Konkurrenten: seine zweite Haut. Die Oberfläche seines Schwimmanzugs ist der Haut eines Hais nachempfunden. Millionen winziger Zähnchen bedecken das Textil. Sie lösen im Wasser mikro-skopisch kleine Wirbel aus und mindern dadurch den Wasserwiderstand des Schwimmers. Laut Hersteller Speedo soll so eine um 3 % höhere Geschwindigkeit möglich sein.
Biomechaniker und Textiltechniker entwickelten den Schwimmanzug in jahrelanger Forschung. Doch nicht nur bei Sportbekleidung kommt heutzutage zunehmend Spitzentechnologie zum Einsatz. Auch bei Jacke und Hose für den Alltag entwickeln die Hersteller neue Materialien, um sie für immer speziellere Bedürfnisse maßzuschneidern. Das Schlagwort „intelligente Textilien“ prägt die Textilbranche.
„Intelligent“ ist beispielsweise das Jackett, das nach Bedarf wärmen oder kühlen kann. Tonmineralien machen das möglich. Eingefügt in das Baumwollgeflecht des Stoffes, reflektieren sie sowohl Hitze als auch Licht. Kommt man damit bekleidet an einem kühlen Herbsttag ins warme Kaufhaus, so bleibt laut Hersteller der Hitzeschock aus – dank intelligentem Jackett kann sich der Körper langsam auf die wärmere Umgebung einstellen.
Auch neue Klima-Membrane sollen das Leben leichter machen. Unter dem Markennamen „Gore-tex“ oder „Sympatex“ halten sie Sportlern und Wanderern schon lange Wind und Wetter vom Leibe. Die Funktionen dieser Materialien werden immer ausgefeilter. Bisher blockten die atmungsaktiven Textilien Regen ab, ließen aber trotzdem Körperschweiß in Form von Wasserdampf nach außen. Eine Neuentwicklung bringt Sympatex unter dem Namen High2Out auf den Markt: Dahinter verbirgt sich regendichte Kleidung, die Schweiß nicht nur als Wasserdampf, sondern sogar flüssig nach außen transportiert.
Spezielle Materialkombinationen in High2Out machen das möglich. Das Futter der Kleidung saugt den Schweiß an und leitet ihn zu einer darauf liegenden Membran, die bei Feuchtigkeit aufquillt. Dadurch ändert sich die Molekularstruktur der hauchdünnen Schicht, die nun weitere Flüssigkeit durchlässt. Der Clou: Die Feuchtigkeit wird als Tropfen nach außen transportiert, doch Regen kann nicht nach innen eindringen – der Träger bleibt in jedem Fall trocken.
Bequeme Kleidung ist die eine Sache, dass sie sich auch angenehm auf der Haut anfühlt, eine ganz andere. Traditionelle Natur- und Synthetikfasern erfüllen oft nur schwer die Ansprüche, die Modefreaks heutzutage an ihre Kleidung stellen. Moderne Hightech-Fasern sind daher auf dem Markt, die Hersteller wie DuPont ständig verfeinern und verbessern. Der Faserproduzent der ersten Stunde ging schon mit gutem Beispiel voran, als er den Amerikanerinnen mit Nylons ein neues Strumpffeeling bescherte, wovon nach 1945 auch die deutschen Frauen profitierten.
Jetzt stellt der Branchenriese für Multifunktionsfasern mit „Tactel Inspira“ seine neueste Faservariation vor: Aus zwei unterschiedlichen Polyamid-Polymeren hergestellt fühlt sich die sogenannte Bikomponentenfaser weicher, elastischer und natürlicher an als herkömmliche Fasern, die aus nur einer Art von Polymeren bestehen. Im Vergleich zu Baumwolle, die einen Großteil ihres Eigengewichts an Feuchtigkeit aufnimmt und feucht bleibt, trocknet das Material außerdem sehr schnell.
Ein weiterer Pluspunkt: Das Garn besteht aus vielen extrem feinen und leichten Einzelfilamenten. Zehntausend Meter wiegen nur ein Gramm. Solche Mikrogarne machen es dem Hersteller leicht, beispielsweise Pflegestoffe in das Material einzuarbeiten. „Bald wird es Kleidung geben, die eine beruhigende Wirkung auf ihre Träger hat und gegen Neurodermitis hilft“, prophezeit Hans Dieter Backhaus von DuPont. Schon jetzt cremt die Faser Tactel-AloeVera die Haut und bewahren kosmetische Strümpfe aus dem Garn Frauenbeine vor dem Austrocknen.
Die Technik, Kleidung mit speziellen Wirkstoffen auszustatten, haben auch andere Hersteller bereits für sich entdeckt. So dürfen Raucher und Nichtraucher in Zukunft gespannt sein, wenn die Ausrüstung „Tabac-Cut“ von de Ball nach einem langen Abend in Restaurant oder Kneipe unangenehme Tabakgerüche eliminiert. Auch Schoeller-Textil setzt ganz auf Wohlgeruch: Der Hersteller rüstet Microfaser-Leichtgewichte mit antibakteriellen Geruchskillern aus.
Dennoch werden die raffinierten Hightech-Fasern auch in Zukunft Naturgarne nicht verdrängen. Im Gegenteil: Erst die Verbindung von Natur und Technik- – -die Kombination von Baumwollfaser und Polyamid – schafft es nach Ansicht der Modemacher, zukünftig Wohlgefühl mit modernen ästhetischen Ansprüchen optimal zu vereinen. ELKE BODDERAS
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