Generalprobe für die Rennboliden
VDI nachrichten, Aschersleben/Leipzig, 19. 8. 05 – Studenten verschiedener Fachrichtungen bilden eine virtuelle Firma, konzipieren, entwickeln und bauen einen Rennwagen, der dann in verschiedenen Fahrprüfungen seine Qualitäten unter Beweis stellen muss. Das ist die Idee hinter dem internationalen Wettbewerb Formula Student. 2006 soll er erstmalig in Deutschland stattfinden, vergangene Woche gab es dazu die Generalprobe – auf dem Harzring in Aschersleben und dem Leipziger Werksgelände von Porsche.
Hektik in den beiden Stralsunder Boxen. Beim neuen Auto mit der Startnummer 17 muss ein Stabilisator ausgetauscht werden, beim Fahrzeug Nr. 204 aus der vorigen Saison ist das feingliedrige Kettenrad gebrochen. Das zweiteilige Bauteil besticht zwar durch besonders geringes Gewicht im Vergleich zu seinen massiven Pendants, doch es ist anfällig, wie sich auf dem Harzring zeigt. Teamchef Thomas Ballschmieter blickt etwas traurig auf das kaputte Teil, bevor er sich wieder voll auf die Rennsituation konzentriert: „Beim ersten Wettbewerb sind wir auf Platz 1 und 2 gelandet. Jetzt bleibt uns für die Crossfahrt zu wenig Zeit zum Testen.“
Kritisch beäugt ein Finne die erste Runde des roten Flitzers aus dem hohen Norden. „The car ist okay, but it could do quicker.“ 1:14 min für Helsinki dröhnt es aus den Lautsprechern. Die elf Teams haben acht Versuche. 1:22 min für Wolfsburg – auch das geht besser.
In der Box von Amberg-Weiden sind derweil noch immer die Schrauber am Werk. Die Pedalwege müssen neu justiert werden. Also wird aufgebockt, die Diagnosesoftware auf dem PC beäugt und neue Einstellungen gesucht.
Längst haben die anderen die Hälfte ihrer acht Läufe absolviert, als die Oberpfälzer ihren Wagen in die Startreihe einreihen. „Der Motor ist stark, das Fahrwerk gut abgestimmt“, erklärt Tivadar Menyhart optimistisch.
„Die Hossier-Reifen wären besser“, sinniert derweil ein Wolfsburger nebenan. „Doch die muss man sich erst mal leisten können.“ So wie bei vielen anderen Teams sind auch bei den Niedersachsen mal wieder die Kassen leer. Für ein Jahr haben sich die Sponsoren verpflichtet. Jetzt geht die Suche aufs Neue los. Schließlich wollen alle in Hockenheim dabei sein – auch jene Teams, die in ihrem Umland keine Großunternehmen mit lockeren Portemonnaies sitzen haben. So wie Amberg-Weiden oder die Pioniere aus Stralsund, deren „Hai“ gerade mit 1:12 min eine neue Bestmarke setzt.
Noch etwas schwerfällig bewegt sich das formschöne Modell der Oberpfälzer durch den eng gesteckten Parcour des Autocross. „Very good reacting driver, good pace“, skandieren die Lautsprecher. Doch eben nur 1:33 min.
Der Wolfsburger Kleimeier studiert noch einmal die Piste. „Beim zweiten Slalom bin ich mir nicht ganz sicher, wie er am besten anzufahren ist.“ Sein Tunnelblick wirkt professionell – jetzt nur nicht stören.
Am Ende des Autocross werden die Wolfsburger immerhin Platz fünf erreicht haben, Helsinki kommt auf Platz zwei hinter dem führenden Team von der TU Graz. Stralsund schafft es mit dem „Hai“ Nr. 204 auf den dritten, mit der Nr. 17 auf den sechsten Platz. Und für die Oberpfälzer springt nur Platz neun heraus.
Für den dritten und letzten Wettkampftag hat Porsche auf das Werksgelände in Leipzig geladen. Die Realität lockt. Als der knallgelbe Porsche Carrera unter dem Ufo-ähnlichen Besucherzentrum parkt, bildet sich sofort eine Traube aus Studenten hinter der Motorhaube. Immerhin sind fünf Fahrten mit diesem Boliden als Preis für das beste Team ausgelobt. Das motiviert.
„Der Mittelmotor hat seine Vorteile“, erklärt Katja Fritzsch von der TU Bergakademie Freiberg fachfrauisch. Gemeinsam mit Felix Rüdiger und Matthias Kögel ist die junge Frau zur Formula Student angereist, um sich zu informieren. „Wir wollen auch ein Auto bauen“, so die jungen Erzgebirgler, zumal ihr Fachbereich „Fahrzeugbau: Werkstoffe und Komponenten“ prädestiniert sei, um Werkstoffinnovationen auf die Piste zu bringen.
Im Skidpad, dem Belastungstest in Links- und Rechtskurven, waren die Münchener an diesem Morgen mal wieder unschlagbar. „Die halten hier den Rekord“, ist von der Seite zu hören. Währenddessen telefoniert ein Wolfsburger mit zu Hause: „Wir haben so viel Pech mit unseren Reifen.“
Erst am späten Nachmittag startet der entscheidende Wettbewerb, der Endurance. 22 km gilt es in einer Art Crossparcour nebst Fahrerwechsel zu überstehen. Ohne irgendwelche Modifikationen am Fahrzeug. „Da dürfen wir nicht mal in die Nähe des Motors kommen“, erklärt ein Schrauber aus Amberg-Weiden. Und die Frischlinge wissen genau: Das ist der schwerste aller Wettbewerbe, hier fallen die Fahrzeuge reihenweise aus.
Am Ende schaffen es sechs von zehn gestarteten Teams ins Ziel. Die Wolfsburger Rookies können sich freuen: Sie fahren zwar die langsamste Zeit, doch ihr Auto schafft es, die 22 km aus eigener Kraft zu vollenden. Jetzt heißt es nach vorne schauen: Bis zur ersten offiziellen Formula Student in Hockenheim wird vielleicht auch das Reifenproblem zu lösen sein. Vorletzte Seite J. D. BILLERBECK/R. BÖNSCH
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